in: Springerin 3/99 Vera Tollmann Kunstverein Wien Wien 23.6.1999 - 10.8.1999 Im Ladenlokal einer Immobiliengesellschaft, dessen temporärer Mieter der Wiener Kunstverein war, gab sich die Ausstellung »Park Fiction« zuerst als gerade eröffneter Fashionshop zu erkennen, in dessen Schaufenster eine Arbeitsjacke mit aufgedrucktem »Park-Fiction«-Logo hing und die Auslage mit orangenen Spielzeugfotoapparaten und aufgefächerten Broschüren dekoriert war. Titelstiftend für die Ausstellung ist die gleichnamige Hamburger Bürgerinitiative, die seit der Zusammenarbeit mit verschiedenen KünstlerInnen, vor allem Christoph Schäfer und Cathy Skene, als »Kunst-im-öffentlichen- Raum«-Projekt, überregional bekannt wurde (vgl. springer 1/97). Genauer betrachtet, zeigt der Wiener Kunstverein das künstlerische Engagement des zentralen Protagonisten Christoph Schäfer und einige seiner Kollaborationen. In zwei Kinovorführungen wurde zudem eine Filmcollage von Margit Czenky über die Entwicklung des Projekts gezeigt. Im Ausstellungsraum war ein breites Spektrum bunter Zeichnungen, Collagen und Modelle der Planungsphase oder »Wunschproduktion« zu sehen. Dieses hier erstmals als Ausstellung präsentierte Material warf durch den Ort und die Form der Präsentation auch die Frage nach ihrem künstlerischen Wert auf.
Genauer betrachtet, zeigt der Wiener Kunstverein das künstlerische Engagement des zentralen Protagonisten Christoph Schäfer und einige seiner Kollaborationen. In zwei Kinovorführungen wurde zudem eine Filmcollage von Margit Czenky über die Entwicklung des Projekts gezeigt. Im Ausstellungsraum war ein breites Spektrum bunter Zeichnungen, Collagen und Modelle der Planungsphase oder »Wunschproduktion« zu sehen. Dieses hier erstmals als Ausstellung präsentierte Material warf durch den Ort und die Form der Präsentation auch die Frage nach ihrem künstlerischen Wert auf. Mitten im Raum breitete sich unter Tischen eine Landschaft aus Pappmaché aus, die modellhaft die Szenerie am Rande der Elbe in den gewünschten Park verwandelte. Wohl auch durch die Loslösung vom sozialen Umfeld St. Pauli wurde in allen Zeichnungen ein gemeinsames Interesse an der Gestaltung eines symbolischen Freiraums deutlich, während das konkrete Resultat am Ende der »Wunschproduktion« zweitrangig blieb.
Die Zeichenproduktion kreist dabei um den eigenen Orbit kollektiver Selbstgestaltungsfähigkeit. Ausgehend von dem Parkentwicklungsprojekt erzählen die Zeichnungen von alternativer Stadtplanung und neuen Öffentlichkeitsmodellen. Freaks sitzen an einem Verhandlungstisch und lesen in »Guerilla Gardens«, gleichförmige Module werden einmal als fliegender Teppich, dann wieder als Swimmingpool verwendet. Die Blätter hingen »gleichberechtigt« im Raum, säumten den Treppenaufgang, auch eine Serie von beschrifteten Skizzen von Kindern aus der Nachbarschaft des Parks fügte sich nahtlos an. Nur wenige rot umrandete Aufkleber gaben Auskunft über die AutorInnen. Die von Kindern gezeichneten Wünsche wurden auf kopierten Grundrissen zu Anregungen für Schäfers Collagen, die in einer Diaserie präsentiert wurden. Schäfer setzt klassizistische Parkanlagen, in Entenform zugeschnittene Hecken und Skaterbahnen in die gemalte, fotografierte oder Postkartenumgebung ein. Es hat den Anschein, als seien in den weiteren Arbeiten Schäfers die Ideen und Werkzeuge der KleingärtnerInnen, FerienprogrammorganisatorInnen und BilderbuchillustratorInnen fusioniert. Die Nachahmung vertrauter Gesten und Darstellungen rückt die Zeichnungen näher an ein praxisorientiertes Ergebnis. Eine Werbeanzeige zitierend, zeigt eine Zeichnung einen jungen Typen, der über Telefon die Bestellung aufgibt: »... einen Park auf doppeltem Turnhallendach, mit Liegewiese, Gewürzgarten, 2x Rosenbeet, 10x Sitzgelegenheit mit Mosaikdekor ...«. Dann ein Feld übersät mit Schildern, die »Wasserfall, Strand, Joggerpfad, UV Shield« ankündigen. Die Vorlagen aus dem echten Leben werden aber in der persönlichen Handschrift Schäfers gebrochen. »Park Fiction« setzt eigene Normen. Heraus kommt ein schickes Projektdesign, das den Charakter des Handgemachten hat. Es bleibt aber nicht bei der ästhetischen Oberfläche, eingehüllt in fantastische »Alice im Wunderland«-Welten, vielmehr deutet sich die widerständige Haltung in einer Kleingärtnerfaust an, die das Radieschenbündel hält, und in der stilisierten Blume, die zum Revolver mutiert. Was von vorne wie eine Flipchartpräsentation von »Park Fiction« anmutet, wandelt sich nach zweimaligem Blättern in ein Bild von Jesse James und endet bezeichnenderweise bei den Situationisten. Um Abgrenzung und Vorbilder geht es auch auf der Infotainment-Wand, einem Fotokopienteppich aus vergangenen Park- und Stadtidealen. »Park Fiction« setzt sich einen Kontext, um eben diesen zu durchbrechen. In Kooperation mit Andreas Siekmann entstand ein Modell für die Verdoppelung des auf dem Gelände gelegenen Golden-Pudel-Clubs, Hans-Christian Dany und Schaefer setzten das »Park Fiction«-Logo in einem großen, bretternen Bauschild um, der mit Lichterketten illuminiert war und so den Bogen zum nächtlichen St. Pauli spannte. Mit Katrin Bredemeier entwarf Schäfer einen dem »Spiel des Lebens« ähnlichen Spielplan voller Hürden. »Der Park kommt« lautet der Name dieses Spiels, das Bekanntes und Vertrautes aufgreift, um auf spielerischem Weg von den Beschwerlichkeiten des Projekts zu berichten. Die umfassend gelungene, visuelle Adaption an den Ort und sein Anliegen vollzieht sich letztlich auch im Planungscontainer mit Verweis auf die Hafenladezone. Der Schriftzug der am gegenüberliegenden Ufer befindlichen Werft Blohm + Voss bildet in fast allen Arbeiten den Hintergrund. Wie ein ortsverhafteter Stempel taucht er auch im 3-D-Aufklappmodell der Lokalität auf, das neben Action Kit und Gartenbibliothek zur Beteiligung einlud. »Park Fiction« unterscheidet sich von den bisherigen »Kunst-im-öffentlichen-Raum«- Projekten, indem es sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, im hohen Maße auf vorhandene Strukturen zurückgreift und dadurch einen Prozess beschreibt. Die KünstlerInnen sind nicht nur als ModeratorInnen am Werk, sondern vor allem auch als Katalysatoren für das Ausleben von Ideen. Gerade darin liegt die spezielle Qualität des Projekts. Der mit Knete, Polaroidkamera und Stiften ausgestattete Action Kit kann aber auch irrtümlicherweise leicht das Bild eines Animateurs evozieren. Das dokumentarische Arbeitstagebuch des Projekts wiederum zeigt die kollektive Arbeitsweise der Beteiligten auf. Die Auseinandersetzung mit den örtlichen Gegebenheiten ergab statt einer Einbeziehung der Innerstadt eher globale Modelle, die »Park Fiction« zu einem Prototyp für Kunst im öffentlichen Raum avancieren lassen. Die Ausstellung in der Institution scheint die Entwicklung von Kunst im öffentlichen Außenraum in keine Sackgasse zu führen. Die Ausstellungsstücke behaupten ihre Existenz separat vom Projekt, indem sie einen rein dokumentarischen Grundzug überschreiten. Deutlich zeigt sich, dass es neben der kalkulierten Stadtraumgestaltung das Bedürfnis nach Partizipation und Ideenfreisetzung gibt.