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Strassenmedizin
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Sanigruppe selbstgemacht

Putz braucht Schutz! Dieser alte Spruch der Autonomen Demosanis gilt auch heute noch, denn Sanigruppen werden meistens dort gegründet, wo die staatliche Repression am offensichtlichsten ist. Genauso offensichtlich machen sich Menschen vor allem nach traumatischen Erlebnissen, wie Göteborg und Genua Gedanken über ihren medizinischen Schutz und Erste-Hilfe auf Demos.

Solltest Du Dir überlegt haben, mit Genossinnen gemeinsam eine Sanigruppe zu gründen, oder auf andere Weise auf Demos Erste-Hilfe leisten zu wollen, gibt es aus unserer Sicht ein paar wichtige Tipps, damit's auch klappt mit der Sanigruppe.

Müssen da nicht die Profis ran?

Wenn Du ein bischen im Netz herumgeklickt hast oder Dich auf größeren Demos umgesehen hast, bist Du vielleicht Leuten begegnet, die Dich warnen: vor unserer "Inkompetenz", "falschen medizinischen Maßnahmen" und der "Gefährdung" Deiner Genossinnen. Diese - nennen wir sie mal - Rotjackenfraktion unterstellt, dass grundsätzlich nur Menschen mit einer medizinischen Berufsausbildung überhaupt irgendeine Ahnung haben können. Da ist es nur konsequent, von "Patienten", "ärztlichem Personal" und "Indienststellung von Sauerstoffrucksäcken" zu reden, Demos als "Einsätze" zu bezeichnen und darzulegen zu versuchen, dass Verletzte am besten dort behandelt werden, wo die Bullen schon aufgeräumt haben.

Weniger qualifizierte "Helfer" dürfen im besten Fall die Drecksarbeit erledigen und den Rettungsrambos den Rucksack tragen. Nachlesen kannst Du diesen Kram bei den Sanitätern aus Ludwigsburg.

Das sehen wir anders!

Wir wollen hier selbstverständlich nicht abstreiten, dass jeglicher Umgang mit der Gesundheit Deiner Genossinnen Fachkenntnisse voraussetzt, wenn er auch nur irgendwie hilfreich und eben nicht schädigend sein soll. Die Frage ist nur, wie Du Dir diese Fachkenntnisse aneignen kannst und ob es zusätzlich noch auf etwas ganz anderes ankommt.

Zuerstmal sind wir überzeugt, dass Du als Berufsdemonstrantin selbst am besten beurteilen kannst, ob Sanis überhaupt benötigt werden und welche Fähigkeiten sie brauchen. In einem besetzten Haus oder einem Zentrum können Kenntnisse über Brandverletzungen und Feuerlöschen wichtig sein, Anti-AKW-Bewegte finden hingegen meistens das Augenspülen interessanter.

Für uns ist Lernen in diesem Zusammenhang erst in zweiter Linie der Erwerb von Faktenwissen im medizinischen Sinn. Lerne, Dich selbst (kritisch) einzuschätzen. Selbstüberschätzung ist für Dich einfach nur peinlich, für Deine Genossinnen, die sich auf Dich verlassen im Zweifelsfall (lebens-) gefährlich. Akzeptiere andere Meinungen, Erfahrungen und Vorgehensweisen: Du kannst davon lernen und nicht immer ist die "Lehrbuchmeinung" der einzig richtige Weg - im Gegenteil. Besonders in Extremsituationen hilft Flexibilität und Erfindungsreichtum eher weiter, als darüber zu jammern, dass die tolle hochmedizinische Halskrause gerade nicht zur Hand ist. Wer heilt hat Recht! Verantwortungslos ist es, andere Auffassungen zu diskriminieren. Wenn Du es nötig hast, Dich als superschlaue Rettungsheldin zu profilieren, geh' lieber zu einer Hilfsorganisation. Allerdings wirst Du selbst dort inzwischen vermehrt auf Ablehnung treffen.

Welche Ausstattung für Dich die beste ist, entscheidest Du am besten auch selbst. Gute Kriterien sind: einfach, leicht, klein, flexibel zu verwenden, schließlich musst Du den Kram ja mit Dir herumschleppen. Lass Dich nicht von irgendwelchen tollen Dingen irritieren mit denen Du nichts anfangen kannst, sondern verwende was sinnvoll, tatsächlich hilfreich und billig zu besorgen ist. Der kleine Feld-OP ist jedenfalls nur in seltenen Fällen wirklich notwendig. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die persönlichen Vorlieben hier extrem auseinandergehen. Es kann durchaus sein, dass Du mit der Ausstattung Deiner Genossin überhaupt nicht zurechtkommst. Probiere einfach herum, bis Du das passende gefunden hast.

Also wie denn jetzt?

Hier steht für uns die Frage im Vordergrund, wozu Deine Sanigruppe eigentlich gut sein soll. Und da gibt's dann auch gleich einige Möglichkeiten, die mit Sicherheit unterschiedliche Organisationsstrukturen erfordern:

Der Alternative Samariter Bund

ist sicherlich eine legitime Idee, aber eben auch ein Samariterbund. Organisationen, die sich verhalten, wie die offiziellen Sanitätsdienste sind gegebenenfalls auf Deiner Seite - irgendwie. Aber wie sieht's denn aus, wenn's brenzlich wird? Möchtest Du Dich darauf verlassen, dass diese Leute Dich anonym behandeln, soweit es vertretbar ist nicht mit den Hilfsorganisationen und Bullen zusammenarbeiten, Dich nicht in's Krankenhaus verfrachten, wenn's mehr Gefahr als Nutzen bringt, dabei sind, wenn's brenzlich wird, ihre fachlichen und persönlichen Grenzen kennen?
Wir wissen um die politischen Differenzen zwischen uns und sind überzeugt, dass humanere Sanitätsversorgung auch ihre Berechtigung hat. Nur: hier geht's um etwas anders, nämlich die Selbstorganisation linker Demonstrantinnen. Deswegen gibt es hier auch keine weiteren Hinweise - sowas können ASB, DRK und Co besser.

Die "Ingroup-Sanis"

sind nach unserem Verständnis meist wichtiger, als eine eigenständige Sanigruppe. Als Genossin, die mit ihrem eigen Politzusammenhang auf Demos und Aktionen geht und sich dabei für den medizinischen Part verantwortlich fühlt, bist Du eben mit Deiner Gruppe unterwegs und unmittelbar vor Ort, wenn Deinen Leuten etwas passiert. Deine Leute kennen Dich und wissen, dass Du zuverlässig bist - Du kennst Deine Leute und weisst, was in einer Extremsituation am besten für sie ist. Der Vorteil liegt auf der Hand, oder?
Für Genossinnen, die sich soetwas vorstellen können, kommt es neben der Aneignung von Wissen vorallem auf die Vernetzung mit anderen Sanis in anderen Zusammenhängen an.

Die feste Sanigruppe

stammt eigentlich aus Zeiten, in denen mit uns "mehr los" war: jeden Tag Demo, offene Feldschlacht vor irgendwelchen AKWs, Hausbesetzung - wovon die Autonome so träumt ... Alles in allem wohl eher etwas für große Städte oder politisch aktive Regionen, wie das Wendland.
Eigentlich - denn es gibt ganz andere Gründe, warum Leute auf die Idee kommen eine Sanigruppe zu gründen: Du hast vielleicht gar keine "Bezugsgruppe", Du hast Angst vor anderen Betätigungsformen, Du fühlst Dich körperlich, psychisch oder sonstwie nicht in der Lage etwas anderes zu machen, Du findest strukturelle Arbeit in der Szene wichtig, Du möchtest Deine beruflichen Fähigkeiten "einbringen" ... Das sind alles ehrenwerte Gründe, aber: braucht Deine Stadt, Deine Region, Dein Zusammenhang eigentlich wirklich eine Sanigruppe?

Problematisch finden wir Sanigruppen, die gewissermaßene außerhalb der Szene entstehen und dann erst versuchen Kontakte aufzubauen. Saniarbeit kann nur dann wirklich gut und effektiv sein, wenn der Gruppe Vertrauen entgegen gebracht wird - und welche vertraut schon einer Gruppe, die sie nicht oder kaum kennt. Eine Sanigruppe kann nicht "von Außen" funktionieren, sondern nur als Teil der aktiven linksradikalen Szene. Dienstleistungsunternehmen, die auf Anforderung oder aus eigenem Antrieb Versorgungsleistungen anbieten bringen nichts.

Nur Mut!

Wenn Du immer noch entschlossen bist, eine Sanigruppe aufzumachen, nur Mut wir helfen Dir gerne!

Wichtiger, als Sani-Fachwissen ist die Struktur Deiner Gruppe. Das Erleben von Bullenübergriffen auf Demos allein ist für die meisten Genossinen schon heftig genug; sich freiwillig obendrein auch noch mit Blut, Schmerzen und den psychischen Auswirkungen zu beschäftigen ist nochmal ein ganz anderer Film. Wenn Dir eigene Erfahrungen mit unangenehmen Demosituationen fehlen, sprich mit Genossinnen, die so etwas selbst erlebt haben - und zwar mit der ganzen neuen Gruppe. Sprecht ehrlich über Eure konkreten oder vielleicht diffusen Ängste. Versucht Eure Grenzen klar zu bekommen und teilt sie auch den anderen Genossinnen in der Gruppe mit.

Wenn's sich eher um die Frage dreht, ob Du "das überhaupt ab kannst", hilft in erster Linie wohl das Gespräch mit Freudinnen, die Dich wirklich gut kennen. Ansonsten finden wir ein "Praktikum" bei medizinischen Fachfrauen hilfreich.

Bei allen Fragen zu Deiner Sanigruppe - von der Ausbildung bis zur Ausrüstung - helfen wir Dir gerne mit Rat und Tat!