Grenzcamp 2000

3. antirassistisches Grenzcamp
der Kampagne 'Kein Mensch ist illegal'
vom 29. Juli bis 6. August 2000
in Forst / Brandenburg
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F.
[21.03.2000]

Zur Auseinandersetzung mit der FA (Federacja Anarchystyczna) Poznan

Es gibt Informationen über die FA Poznan, die sie für eine Bündnis mit KMII ungeeignet erscheinen lassen und unbedingt geklärt werden sollten. Auch eine Beteiligung von KMII an dem von der FA geplanten Grenzcamp an der polnisch-ukrainischen Grenze wird dadurch sehr fragwürdig.

Generell sind es zwei Punkte, die Anlaß zur Auseinandersetzung geben:

  1. Ein sexistisches Plakat im Rahmen der FA-Anti-Wehrpflicht-Kampagne und eine in dem Zusammenhang stattgefundene Prügelei.
  2. Die gemeinsame Organisierung der FA mit rechten Gruppen, z.B. in dem Bündnis "Wolny Kaukaz".

Zu 1.:
Im Rahmen ihrer Anti-Wehrpflicht-Kampagne hat die FA-Poznan im Herbst 1998 ein Plakat erstellt und auf Demonstrationen bzw. Öffentlichkeitsaktionen mit sich geführt, bei dem ein Bild aus einem Pornoheft die Grundlage ist: Eine nackte Frau liegt mit gespreizten Beinen auf dem Rücken, zwischen ihren Beinen steht:: »Während Du beim Militär bist, trifft sie sich mit dem Briefträger.«

Polnische und schwedische Frauen (die gerade zu Besuch waren) hängten dieses Plakat in den Räumen des »besetzten Hauses« Rozbrat ab, worauf es zu einer Schlägerei kam, an der auch Mitglieder der FA Poznan beteiligt waren, die dieses Plakat nicht abgehängt haben wollten.

In den Auseinandersetzungen danach wurde dies nicht bestritten, aber den Frauen in einem persönlichen Artikel entgegengehalten, es wäre eine »faschistische Methode«, die FA Poznan für die Schlägerei kollektiv verantwortlich zu machen, da ein Mann der FA ja versucht habe, die sich Prügelnden zu trennen. Die FA hat als politische Gruppe keine Distanzierung vom sexistischen Plakat und keine Stellungnahme zu diesen Vorkommnissen abgegeben. (siehe Artikel von Maciej Roszak, einem FA-Mitglied, in Liberation # 5, Winter 2000, S. 5)

Zu 2.:
In Poznan und anderen Städten existiert seit längerem ein Bündnis mit dem Namen »Wolny Kaukaz« (Freier Kaukasus). In ihm sind organisiert: FA Poznan, die Gruppe Naszosc (unübersetzbar, nasz heißt: unser, naszosc wäre ein davon abgeleitetes Substantiv, also im Sinne: das Unsere), Liga Republikanska, die Socjaldemokratyczna Alternatywa sowie einige andere Gruppen, deren Namen mir nichts sagen.

Die Liga Republikanska (Republikanische Liga) ist eine extrem rechte Gruppierung, die z.B. die letztjährige 1. Mai Demo in Warschau mit Eiern und einer Armee-Übungsgranate beworfen hat, wodurch ein alter Mann, KZ-Überlebender, taub geworden ist. (Dies fand im Rahmen ihrer »De-Kommunisierungskampagne«, sprich ihrem Kampf gegen die alten Kader der Volksrepublik, statt, wobei sie die 1.Mai-Demo ausschließlich als Ausdruck der alten »Kommune«-Politik sehen.)

Am 24.2.2000 wurde nach einem Bericht der Gazeta Wyborza vom 25.2. das russische Konsulat in Poznan von Mitgliedern des Bündnisses "Freier Kaukasus" mit Gegenständen beworfen und »Mörder«, »Freier Kaukasus« und Hakenkreuzen gesprüht. Die FA und Naszosc werden als beteiligte Gruppen genannt, und Piotr Lisiewicz, ein (oder das?) führende Mitglied von Naszosc, als »Organisator« zitiert.

Die FA Poznan argumentiert, die Naszosc wäre keine rechte Gruppierung. Früher hätte die Naszosc zwar mal mit rechten Skinheads zusammengearbeitet, das würden sie heute aber nicht mehr tun. Man würde mit ihnen an vielen Punkten nicht übereinstimmen, aber das bräuchte einen nicht zu hindern, zusammenzuarbeiten, wenn es um linke oder rechte Despotie ginge. (Maciej Roszak in: liberation # 5, Winter 2000, S. 5).

Piotr Lisiewicz als der »Theoretiker« der Naszosc selbst äußerte sich in der »Gazeta Polska« (»Polnische Zeitung«, nomen est omen, inhaltlich vergleichbar mit der "Jungen Freiheit"), in der er ständiger Schreiber ist, folgendermaßen - das Zitat ist länger, weil aufschlußreich:
»Zum Beispiel Tschetschenien
Die Jugend der politischen Rechten sehnt sich nach Aktivitäten im Stile der Liga Republikanska, wobei sie jedoch gleichzeitig spürt, daß eine neue Art dieser Aktivitäten nötig ist. Auf Seiten der politischen Linken existiert das Bedürfnis nach etwas, was nicht durch Konformismus diskreditiert wird (die Jugendgruppe der SLD [Post-Kommunisten] verließen Dutzende junger Leute, die sich dort aus reiner Naivität eingeschrieben hatten, wirklich wahr) oder durch den ideologischen Extremismus der PPS [eine linke Partei mit langer Tradition]. Die Anarchisten sind aktiv und schaffen sich eine eigene Welt (ihr Einfluß auf die Zusammensetzung des Parlaments ist gleich null, aber ihr Einfluß auf das Bewußtsein der neuen Generation - enorm), sie begannen bereits eine ganze Reihe subkultureller Aktivitätsformen zu entwickeln. Dies sieht nach einem günstigen Moment aus, die Karten neu zu mischen. Es gibt das Bedürfnis nach Formationen, die ihre Aktivitäten nicht wie die gegenwärtige politische Klasse ausrichten, also als ›Prolohaufen, (...) als sich auf anderer Leute Kosten vollzufressen und zu betrinken, und Leute zu bestehlen (Steuerzahler) (...).
Es ergaben sich bereits erste Beispiele einer Zusammenarbeit von unabhängigen Spektren (einer Zusammenarbeit, die von mir seit Existenz der ›Gazeta Polska‹ postuliert wurde). Ein Beispiel ist hier das Komitee ›Freier Kaukasus‹, das Protest und Diskussionen in Sachen Tschetschenien organisiert. In ihm arbeiten Leute zusammen, die aus verschiedenen Spektren stammen: Federacja Anarchystyczna, ›Naszosc‹, Klub Jozef Mackiewicz, Liga Republikanska, NZS, Socjaldemokratyczna Alternatywa (SODA). Die Idee, Völkern wie Weißrussen oder den Bewohnern des Kaukasus bei der Erlangung der Freiheit zu helfen sowie anderen Völkern zu helfen, die ihre Unabhängigkeit festigen (z.B. der Ukraine), wurde eine gemeinsame Idee für die ideologisch verschiedenen Gruppen, die beginnen dieselben Bücher zu lesen und gemeinsame Zeitschriften herauszugeben. Ein solches Spektrum ist auch für junge Leute anziehend, die in der ROP (Bewegung zum Wiederaufbau Polens - extrem rechte Partei), der KPN oder in der AWS-Jugendgruppe (AWS ist das aktuell regierende rechte Parteienbündnis) aktiv sind. Das oben genannte Beispiel ist insoweit wichtig, als die erwähnten Spektren praktisch alle unabhängigen Gruppen darstellen, die in Polen existieren. Wichtig ist die Tatsache, daß aus historischen Gründen alle diese Gruppen bei uns eine antikommunistische Abstammung haben.
Wenn wir nur aufhören, gegeneinander zu arbeiten (wie bisher), und beginnen in eine gewisse gemeinsame Richtung zu gehen, scheint es sehr wahrscheinlich, daß diese Art des Denkens in einem Teil der jungen Intelligenz dominant wird, die die oben erwähnten Instrumente besitzt, allgemein auf die Gesellschaft einzuwirken - auf Journalisten, Kulturschaffende, Musiker, Internet-User usw. Mechanismen, die diesen Prozeß blockieren - Eigentumsverhältnisse in den hierarchisierten Medien werden mit der Zeit an Bedeutung verlieren. (...) Wenn ›Gute und Wertvolle‹ (...) die Initiative übernehmen würden, dann würde man mit Sicherheit die gegenwärtige Gestalt der politischen Szene als vorläufige erkennen (...). Ich glaube nicht, daß selbst der Regierungsantritt einer Gruppe gut ausgebildeter und fähiger Politiker zur Entstehung eines Polens, das kein postkommunistisches Hybrid mehr wäre, ausreichend wäre (...). Die Einführung einer Wende von oben kann vereinzelte Erfolge erzielen. Eine Wende vollzieht sich aber entweder von unten durch die Veränderung gesellschaftlichen Bewußtseins oder es gibt keine gänzliche Wende. Aber dann bleibt uns nur im Schatten einer vergebenen historischen Chance zu leben.«
(»Gazeta Polska« # 8, 23.2.2000, S. 17, Alle Hervorhebungen im Original)

Was hier gefordert und beschrieben wird, ist die klassische nationalrevolutionäre "Querfrontstrategie", wie wir sie hierzulande seit dem Strasser-Flügel der SA bis hin zu Versuchen von Eichberg, Mahler und Rabehl kennen. Wer sich in den Rahmen einer solchen Strategie einsortiert, ist auch unter den in Osteuropa anders gelagerten antikommunistischen Vorstellungen entweder ein nützlicher (linker) Idiot oder Nationalist.

Der Zusammenhang von Sexismus und der rechten Männerbündelei, wie sie sich in solchen "Aktionseinheiten" findet, muß hier sicher nicht ausdrücklich erläutert werden. Interessant ist vielleicht auch, daß auf der Internetseite der Naszosc (zu finden über Altavista) ein direkter Link zu Hardcorepornobildern gelegt ist und von dort dann zu polnischen Pornovertrieben. Schon auf der Startseite von Naszosc ist eine Frau ohne Kopf, mit rot gefärbter Vagina und Brüsten zu sehen - frauenverachtender geht es kaum.

Außer dem oben genannten sollte zudem geklärt werden, welche Positionen andere Bündnispartner der FA zu nationalistischen Organisationen haben. Da »anarchistisch« offensichtlich in Osteuropa anders inhaltlich gefüllt wird als »hier« gemeinhin angenommen wird bzw. »antikommunistisch« eine Zusammenarbeit mit nationalistischen und rechten Gruppen naheliegt, wäre es z.B. wichtig zu wissen, welche Positionen die Anarchisten aus Kiew, mit denen eine Zusammenarbeit besteht, zur OUN haben.

Meiner Meinung nach bleibt in der Situation nur, die FA vor die Alternative zu stellen: entweder Zusammenarbeit mit einer Antirassismus-Kampagne wie KMII, oder Sexismus und rechte Bündnisse. Beides zusammen geht nicht.

Der unter 1. angesprochene Punkt Sexismus sollte wirklich nicht unter den Tisch fallen, ich denke allerdings, daß für ein explizit antirassistisches Bündnis wie KMII vor allem die Zusammenarbeit mit modernisierten "Querfront"-Rechten ein riesiger Skandal und ein schwerer politischer Fehler wäre.


F.


Mehr zum Schwerpunkt Diskussion um FA Poznan
[20.06.2000] gefährliche verbindungen rechtsextremer und "anarchisten" in polen
[30.05.2000] On tensions between KMII and the FA Poznan (english)
[26.04.2000] Open letter to FA Poznan, Emancypunx and Kein Mensch ist illegal (english)
[25.03.2000] KMII und FA Poznan - Versuch eines Beitrags zu einer Auseinandersetzung

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