TATblatt



Im zuge der vorbereitungen der kundgebung vom 26. oktober gegen nato und weu kam es zu einem konflikt mit selbsternannten antiimperialistischen gruppen, die mit parolen zu einer demonstration aufgerufen hatten, die von einigen an der kundgebungsvorbereitung beteiligten gruppen als antisemitisch abgelehnt worden waren (siehe artikel "erlebniswelt krieg" in TATblatt +104 und "ein wahrlich nationaler feiertag" in TATblatt +105).
Eine der antiimperialistischen gruppen, die "revolutionär kommunistische liga - rkl" schrieb zu diesem konflikt einen artikel in ihrer zeitschrift "klassenkampf", in dem sie aus ihrer sicht die thematik antisemitismus/antizionismus darstellte und vorwürfe an die kundgebungsvorbereitungsgruppen erhob. Dieser artikel kann als durch und durch antisemitisch bezeichnet werden.
Im verlauf der kundgebung am 26. oktober selbst kam es zu einem konflikt als die sog. "antiimps" u.a. mit jugoslawischen und palästinensischen fahnen auf die kundgebung kamen (siehe artikel "ein wahrlich nationaler feiertag" in TATblatt +105).
Im folgenden dokumentieren wir:
a) eine erklärung von revolutionsbräuhof, rosa antifa wien und TATblatt zu den ereignissen am 26. oktober
b) eine erklärung zahlreicher antifaschistischer gruppen (und des TATblatts) zum artikel der rkl
c) den originaltext der rkl auf die sich die erklärung b bezieht


[artikel "erlebniswelt krieg" in TATblatt +104]
[artikel "ein wahrlich nationaler feiertag" in TATblatt +105]
 
[a) erklärung von revolutionsbräuhof, rosa antifa wien und TATblatt zu den ereignissen am 26. oktober]
[b) erklärung zahlreicher antifaschistischer gruppen (und des TATblatts) zum artikel der rkl]
[c) originaltext der rkl auf die sich die erklärung b bezieht]
 
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a)

Erklärung zur Kundgebung am 26. Oktober

Bereits während der Vorbereitungen zur Anti-Nato Kundgebung am österreichischen Nationalfeiertag kam es zu Differenzen zwischen den daran beteiligten Gruppen bzw. gegenüber der für den selben Tag zu einer Demonstration aufrufenden Plattform, die Forderungen postulierte, die wir als zumindest latent antisemitisch und nationalistisch bezeichnen. Da einige Gruppen nicht mit solchen Inhalten "in einen Topf geworfen" werden wollten, wurde ausgehandelt, daß besagte Demo nicht wie geplant zur Kundgebung führen und in ihr aufgehen sollte.  (Zu diesem Konflikt gibt es eine ausführliche Stellungnahme mehrerer Gruppen)

Auf der Kundgebung am  Maria-Theresien-Platz erschienen jedoch einige AntiimperialistInnen, welche jugoslawische, irakische und palästinensische Nationalflaggen mit sich führten. Des weiteren war der "Dachverband der jugoslawischen Sport und Kulturvereine" mit einer serbischen Fahne sowie u.a. einem Transparent mit der Parole "Schützen sie das serbische Volk am Amselfeld" *) anwesend, was sofort den Unmut des Großteils der KundgebungsteilnehmerInnen erregte. Nach Protesten von dieser Seite sprach eine Frau aus der Demoleitung die Bitte aus, die Nationalfahnen einzurollen. Auch aufgrund von Interventionen von Umstehenden kam der Dachverband dieser Bitte nach, und entfernte sowohl die Fahne als auch das Transparent. Die AntiimperialistInnen, die sich beim Infotisch der RKL versammelt hatten, zeigten keine Reaktion, und weigerten sich auch von mehreren Leuten persönlich darauf angesprochen, die Nationalflaggen abzunehmen. Daß diese Fahnen Symbole für Nationen bzw. Staaten sind, die Konstrukte der Herrschenden darstellen, welche einzig und allein die Funktion einer Unterdrückungsmaschinerie erfüllen, wurde ignoriert, bzw. mit dem Argument begegnet, dies wären Fahnen von Ländern, die Opfer US-imperialistischer Aggression sind, weswegen ein positiver Bezug auf sie nicht nationalistisch, sondern antiimperialistisch wäre. Die sozialen Unterschiede und Kämpfe innerhalb der Nationen, die Ausbeutung und Ausgrenzung die in und von ihnen betrieben wird, die Frauenunterdrückung, die Machtspiele der Führer auf Kosten der Menschen, werden so ignoriert, beziehungsweise dezidiert als "untergeordnet" bezeichnet!

Für uns war es absolut untragbar unter wehenden Nationalfahnen zu demonstrieren, auch weil wir uns nicht zuletzt deswegen an einer Kundgebung am Nationalfeiertag beteiligt hatten, um dem Nationalstolz, den wir eben grundsätzlich für idiotisch halten, eine klare Absage zu erteilen. Wir  sahen die Kundgebung auf eine Art und Weise vereinahmt, die wir nicht akzeptieren konnten, und beschlossen so, diese zu verlassen. Einem Aktivisten der Rosa Antifa, der diesen Beschluß von der Bühne aus verkünden und erläutern wollte, wurde dies von einer KP-Funktionärin aus der Demoleitung schlichtweg verboten, obwohl die protestierenden Gruppen MitveranstalterInnen der Kundgebung waren. Als er einfach auf die Bühne ging und zu sprechen begann, wurde ihm vom Techniker der Strom abgedreht, ein Vorgehen das dann doch einigen Gruppen zu heftig wurde, woraufhin der Strom wieder aufgedreht wurde und schließlich doch noch über Mikrophon eine Stellungnahme gegen jeden Nationalismus, sowie die Tatsache, daß die Rosa Antifa, das TATblatt und der Revolutionsbräuhof die Kundgebung verlassen werden, durchgesagt werden konnte. Dies wurde von Teilen des Publikums mit Zustimmung, von den Antiimps mit "Hoch-die-Internationale-Solidarität"-Parolen und dem Verbrennen eines Clinton-Bildes beantwortet. Eine Reihe von KundgebungsteilnehmerInnen verließ diese ebenfalls. Der Vorwurf, das wir dadurch die Veranstaltung der nationalistischen oder antisemitischen Strömung überließen, mag nicht unberechtigt sein. Aus oben genannten Gründen war uns aber eine andere Vorgangsweise nicht möglich, auch da uns eine weitere Auseinandersetzung auf der Kundgebung  nicht als zweckmäßig und sinnvoll erschien. "Massiv angegriffen", wie die RKL behauptet, haben wir jedenfalls niemanden. Das Recht, unserer Meinung nach inakzeptable Positionen als solche zu benennen und unsere Konsequenzen zu ziehen, lassen wir uns keinesfalls streitig machen.

Unser Fehler war es sicher, das wir uns diesbezüglich in der Vorbereitung nicht vehement genug eingebracht haben, um derlei Situationen gar nicht erst entstehen zu lassen. Aus diesem Fehler werden wir versuchen zu lernen.

Rosa Antifa Wien
Revolutionsbräuhof
TATblatt
 

Fußnote:
*) Das "Amselfeld" ist die deutsche Übersetzung von Kosovo. In der nationalistischen Geschichtsschreibung Serbiens stellt der Begriff "Amselfeld" einen zentralen Mythos dar, da in der "Schlacht am Amselfeld" das mittelalterliche Königreich Serbien dem Osmanischen Reich unterlag. Die mehrheitlich muslimischen, albanischsprachigen BewohnerInnen des Kosovo werden von nationalistischen SerbInnen als NachfolgerInnen der muslimischen Osmanen betrachtet, die heute wiederum das "Serbische Volk" am Amselfeld vernichten wollen. [zurück]


[artikel "erlebniswelt krieg" in TATblatt +104]
[artikel "ein wahrlich nationaler feiertag" in TATblatt +105]
 
[a) erklärung von revolutionsbräuhof, rosa antifa wien und TATblatt zu den ereignissen am 26. oktober]
[b) erklärung zahlreicher antifaschistischer gruppen (und des TATblatts) zum artikel der rkl]
[c) originaltext der rkl auf die sich die erklärung b bezieht]
 
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b)

Ein paar Worte zu dem, was die RKL "Schwächung der Bewegung" nennt:

Dieser Brief ist eine gemeinsame Antwort einiger linker Gruppen auf einen Artikel der "Revolutionär Kommunistischen Liga (RKL)" zur Vorbereitung der Anti-NATO-Kundgebung und den Konflikt um antizionistische/antisemitische Aufrufe zur 26.-Oktober-Demonstration, der im letzten TATblatt auszugsweise zitiert worden ist.
Den vollständigen RKL-Artikel, auf den sich hier bezogen wird, könnt ihr unten - im anschluss an diesen brief - dokumentiert finden.
 

Nicht mit der antisemitischen Linken gegen einen NATO-Beitritt

Daß die RKL sich die Aufgabe gestellt hat, "eine möglichst breite Bewegung gegen den NATO-Beitritt zu organisieren", ehrt sie. Die Geschichte dankt so etwas regelmäßig.

Spaß beseite. Vom entbehrlichen Pathos einmal abgesehen, ist Widerstand gegen einen NATO-Beitritt richtig und nötig. Ebenso richtig ist es, hier möglichst breit mit anderen Linken zusammenzuarbeiten. Sich dabei auf den kleinsten politischen gemeinsamen Nenner festzulegen, nämlich eben "Nein zur NATO und vergiß auf den Rest" ist wahrscheinlich die einzig in der Praxis wirklich funktionierende Vorgangsweise. Zum Ausgleich jeder politische Strömung innerhalb der Plattform die Agitationsfreiheit einzuräumen, die ihr außerhalb sowieso schon der bürgerliche Staat gewährt, finden wir prinzipiell schon von gewissem "pädagogischen" Wert - und vielleicht wird es tatsächlich dazu führen, daß sich ein paar Gruppen mehr an einer solchen Initiative beteiligen. Irgendjemandes Agitationsfreiheit zu beschränken, darum ist es nun wirklich nicht gegangen! Allerdings - und das behalten wir uns ausdrücklich vor - bestimmen immer noch wir, mit wem wir demonstrieren wollen und mit wem nicht.

In der Praxis arbeiten wir mit allen, wo es irgendwie geht, zusammen. Es gibt allerdings bestimmte Grenzen - und genau die sind hier überschritten. Dummheit, politische Infamie, gepaart mit einer unglaublichen Abgehobenheit und Weltfremdheit wäre noch nicht daruntergefallen. Die gibt es in der Linken im Dutzend wohlfeil - und wahrscheinlich könnten wir alle uns ohne ein bißchen Mühe wechselseitig dessen bezichtigen.(1)

Antsemitismus hingegen fällt ganz bestimmt darunter - und davon soll in der Folge die Rede sein. Daß dieser Antisemitismus im Deckmantel des "Antizionismus" daherkommt, ändert an der Sache überhaupt nichts: Wir wollen mit den Leuten und Gruppen, die derlei propagieren, nicht politisch in einen Topf geschmissen werden, so einfach ist das.

In dem, was die RKL wohlwollend "Antiimperialistisches Milieu" nennt, gibt es seit längerer Zeit latent antisemitische Strömungen. Diese äußern sich sporadisch in den seltenen Veröffentlichungen des "Milieus", im persönlichen Gespräch wird die Sau dann noch ein bißchen drastischer herausgelassen.(2)

Wenn es in einem Flugblatt heißt: "In diesem Zusammenhang ist Israel eine US-amerikanische Militärfestung, die über den gleichen Siedlerkolonialismus errichtet ist, auf dem die USA selbst gebaut sind. Der deutsche und österreichische industrielle Völkermord  an den Juden, der ganz genauso an Sinti und Rom, den Serben u. a. ausgeführt wurde, darf nicht als Rechtfertigung für dieses Apartheidsystem mißbraucht werden", so ist das nicht bloß ein Text von Dummköpfen, die von neuerer Geschichte keine Ahnung haben.

Da steckt schon eine gehörige Portion antisemitischer Gemeinheit dahinter, den JüdInnen vorzuwerfen, daß sie einen eigenen Staat aufgemacht haben - wo doch die Sinti und Roma das nicht getan haben und genauso zu Tausenden ermordet worden sind.

Völlig wahnwitzig und grotesk wird es, wenn dasselbe "Milieu" augenblicklich gerade Demonstrationen für das serbische Milosevic-Regime abhält, dessen Gebaren im Kosovo man durchaus vorsichtig ganz höflich mit "Apartheidsystem" umschreiben kann.

Damit wir uns nicht mißverstehen: Wir billigen den US-Militärschlag gegen Jugoslawien nicht, genauso wenig wie die Polizeistaatspraktiken des israelischen Staates. Was wir aber genauso wenig billigen können, ist antisemitsche Hetze gerade in dem Land, indem Millionen jüdische Menschen ermordet worden sind. Oder sollte man besser sagen: das Millionen jüdische Menschen ermordet hat?

Um den Einwand vorwegzunehmen: Nein, so etwas wie "Kollektivschuld" gibt es nicht. Das hat auch nie jemand ernsthaft behauptet. Jeder und jede ist für das verantwortlich, was er oder sie selbst getan hat. Was es aber sehr wohl geben muß, ist so etwas wie politische Sensibilität, Takt und Vorsicht im Umgang mit der Vergangenheit. In einem Land, in dem so viele (die vielgeliebte ArbeiterInnenklasse nicht ausgenommen) für die Vernichtung jüdischer Menschen waren, in dem so viele mit ganz realer Schuld belastet waren und sind - und diese selbst nie als Schuld empfunden haben -  in einem solchen Land wiegt alles ganz anders. Das politische Klima in Österreich ist bis heute davon geprägt, ist völlig anders als in einem Land, wo es beispielsweise breiten Widerstand gegen den Faschismus gegeben hat. Und das sollten auch Metropolenlinke beachten, die mit der Gnade der späten Geburt gesegnet sind.

Wenn bespielsweise "das Milieu" räsoniert, "währenddessen hält das zionistische Gebilde 'Israel' die Golanhöhen und den Südlibanon besetzt", dann ist von irgendeinem vorsichtigen, politischen Umgang mit der österreichischen Vergangenheit nicht viel zu spüren.

Die Anführungszeichen bei Israel beweisen uns nicht bloß, daß auch Linke von der Bildzeitung(3) etwas lernen können, sie sind auch schon der springende Punkt an der ganzen Auseinandersetzung.

Wenn dann dasselbe Flugblatt mit der martialischen Parole schließt: "Nieder mit der amerikanisch/zionistischen Aggression gegen den Sudan, Afghanistan und den Irak!", sind wir schon nicht mehr sonderlich weit weg: vom "Jüdischen Weltkongreß" und dem "Weltjudentum", "Jüdischer Weltverschwörung" und den "Weisen von Zion".

Das ist der springende Punkt: Die AntiimperialistInnen bestreiten das Existenzrecht Israels, sie fordern, wenn sie "anläßlich des 50. Jahrestages der zionistischen Besetzung Palästinas [...] zu einer Solidaritätsveranstaltung zur Unterstützung des palästinensischen Volkes in seinem  Kampf gegen Imperialismus und Zionismus", einladen, mehr oder minder unverhüllt: "Juden ins Meer".

Was nämlich 1948 - vor 50 Jahren - stattgefunden hat, war die Teilung Palästinas in einen jüdischen und arabischen Staat und nicht der Sechstagekrieg oder die Besetzung des Westjordanlands.

Wenn sich nun das antiimperialistische "Milieu" auf das gefährliche Glatteis der Blut- und Bodenhistoriker begibt, und mit Geschichtsbetrachtungen aufwartet, von wegen wieviele jüdische Menschen 1900 in Palästina gelebt haben (nämlich verhältnismäßig wenige) und wieviele 1948 (5 Millionen) und daraus eine eingängige (selbstverständlich jüdisch/zionistisch/US-Imperialistische) Weltverschwörungstheorie(4) strickt, Marke die-JüdInnen-haben-das-arabische-Palästina-überfremdet, dann sollte dabei nicht vergessen werden, warum jüdische Menschen nach Palästina emigriert sind.

Weil sie nämlich schlicht geflohen sind. Aus einem Europa, wo ihnen nicht nur jede Grundlage eines menschenwürdigen Daseins entzogen worden ist, sondern wo ihr Leben in allerhöchster Gefahr war.

Bedroht durch das Naziregime. Durch Deutsche und ÖsterreicherInnen.

Und so und spätestens hier schließt sich der Kreis: Wenn Leute, die in diesem heutigen Österreich leben, Menschen, die daraus flüchten mußten, vorwerfen, wohin sie geflohen sind.

Sind wir nun verkappte Parteigänger des israelischen Staates?

Nein, das sind wir sicher nicht. Wir sind für die Abschaffung jeder Herrschaft. Aber die Staaten, als besonders organisierter Zwangsapparat, müssen durch die Menschen abgeschafft werden, die jeweils in ihnen leben - in diesem Fall durch israelische und palästinensische Menschen.

Und nicht in den Hinterzimmern der mitteleuropäischen Restlinken.

Aber ums Staatabschaffen ist es den "AntiimperialistInnen"(5), die eine sehr autoritäre Spielart der Linken vertreten - aber das wäre noch eine ganz andere Debatte - und auch ihrer antisemitischen Abteilung noch nie gegangen.

Die AntiimperialistInnen wollen statt einem "israelischen Unrechtsstaat" einen arabischen - und damit hat es sich.

Auch ihr Engagement für den, wie sie es nennen, "Kriegsgefangenen" Tawfik Chaovali, dient letzlich diesem Zweck. Wobei wir das für eine besonders ekelhafte Spielart des linken Antsemitismus halten, weil hier über ein humanitäres Anliegen und einen Menschen, der im Gefängnis sitzt, versucht wird, andere Linke zu funktionalisieren. Mit dem richtigen und nötigen Protest gegen die Haftbedingungen und die österreichische Justiz wird versucht, Sympathie für die Wahnwitzaktion eines arabischen Nationalisten - und damit den arabischen Nationalismus selbst - herzustellen.(6)

Ausgerechnet in Wien in eine Gruppe jüdischer Touristen hineinzuschießen, hat mit einem Freiheitskampf nichts zu tun, das nennen wir Wahnwitz, ganz bewußt.(7)

Die Kampagne zur Freilassung von Tawfik Chaovali ist so latent antisemitsch, wie dieses ganze "antiimperialistische Millieu": Sie wird als Vehikel benutzt, seine Befreiung soll der "Befreiung Palästinas von den Zionisten" nutzen - und nicht ihm selbst. Um eine Liberalisierung der österreichischen Justiz, gar um die Abschaffung der Gefängnisse und ein grundsätzlich anderes Umgehen mit "Kriminellen", um ein Abgehen vom Prinzip von Schuld und Sühne, vielleicht um ein zaghaftes Nachfragen nach den Gründen, warum es "Verbrechen" auf dieser Welt gibt: Um all das geht es dem "Millieu" sicher nicht. Weil wir der Meinung sind, niemand soll in irgendeinem Gefängnis der Welt sitzen, sind wir auch dagegen, daß Chaovali eingesperrt ist, instrumentalisieren für irgendeine panarabische/antisemitische Ideologie lassen wir uns sicher nicht.

Bei der Frage, die letzlich die Gretchenfrage ist, die uns vom "antiimperialistischen Milieu" gestellt wird, mit wem wir's denn halten, mit Palästina oder mit Israel, müssen wir leider passen.

Wir haben mit beiden kaum etwas am Hut. Wir sehen die menschenfreundlichen Segnungen, die Staaten angeblich so hervorbringen, nunmal partout nicht. Im Gegenteil: In Sachen Staatsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen, Drangsalierung der "eigenen" und der "fremden" Bevölkerung, können sie sich gegenseitig allesamt ziemlich das Wasser reichen. Art und Umfang sind bestenfalls eine Frage von Zeit und Gelegenheit.

Wo in Israel die Folter an PalästinenserInnen durch das Verfassungsgericht legalisiert ist, ist sie das in den Autonomiegebieten nicht - aber Arafats Geheimpolizei leistet durchaus das ihrige, wie man so hört. Eben extralegal.

Gibt es in Syrien, in Ägypten, im Irak usw. usf. weniger Grausamkeiten als in Israel? Leben die Leute dort so viel besser?

Nein.

Von einer eigenen Herrschaft gedeckelt zu werden, ist für uns kein Wert an sich. Daß eine arabische Obrigkeit echt arabische Menschen quälen und schinden kann, kein erstrebenswertes Ziel.

Wir wollen, das Herrschaft als Prinzip verunmöglicht wird. Überall. Durch die Betroffenen.

Gegen den US-Imperialismus - so wie gegen jeden Imperialismus - sind wir natürlich auch. Binsenweisheiten: Sich dagegen zu engagieren. Aber ohne daß der Feind unseres Feindes automatisch unser Freund ist. Wir sind gegen die Intervention im Irak, ohne mit Saddam Hussein zu fraternisieren, weit davon entfernt Milosevic "bedingungslos zu verteidigen" oder der Abu-Nidal-Bande beizutreten.(8)

Die Rolle von Israel als wichtigsten Verbündeten der USA im nahen Osten sehen wir durchaus ähnlich. Und dafür kann und muß mensch es politisch kritisieren und anprangern. Aber die Frage ist, wie mensch das in Österreich tut. Nämlich immer so, daß klargestellt ist, daß diese Kritik eben nicht in der Tradition des deutschen und österreichischen Antisemitismus steht.

Die Parole, daß Israel - und zwar nur Israel - zerschlagen gehört, ist antisemitisch.

So einfach ist das.

Über all das kann mensch streiten? Natürlich. Über alles kann mensch streiten.

Ob wir das mit der RKL weiterhin können, darüber gibt es bei uns unterschiedliche Meinungen. Bei allen Diefferenzen schätzen einige von uns deren politische Arbeit durchaus. Wir erwarten uns allerdings von der RKL eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit Antisemitismus in der Linken.

Ihre antisemitischen BündnispartnerInnen mag sie uns jedenfalls ersparen.

Autonome Uniantifa (AUA)
Bündnis antinationaler Gruppen (BANG!)
Ernst-Kirchweger-Haus (EKH)
Fachschaft Informatik
Für andere Zustände (FAZ)
Grüne, Alternative und Linke a.d. TU Wien (GRAL)
Infoladen Wels
lotta dura - Zeitung für Antifaschismus und mehr
Revolutionsbräuhof (RBH)
Rosa Antifa Wien (RAW)
TATblatt
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Fußnoten

(1) Und auch darüber, wer hier der "Rechte Flügel" ist, kann man sich lange und ausgiebig streiten. So was ist lustig, verschleiert aber politisch mehr, als es erklärt. [zurück]

(2) Wenn beispielsweise eine Antiimperialistin räsoniert, "daß man endlich mit dem Gerede über den Holocaust aufhören und sich stattdessen mehr am Kampf in der Türkei beteiligen soll", dann ist mit solchen Rülpsern nicht bloß den türkischen Genossinnen und Genossen in Wirklichkeit nicht sehr gedient; eine derartige Aufrechnung ist schlichtweg infam. [zurück]

(3) Zu den Hochzeiten des kalten Krieges hat die Bildzeitung die ehemalige DDR regelmäßig mit Gänsefüßchen apostrophiert, um ihr auf diese Weise die staatsrechtliche Anerkennung noch ein bißchen nachdrücklicher zu versagen. [zurück]

(4) Siehe vor allem die gesammelten "Werke" von Kharim Khella, ein akademischer Vertreter und Protagonist des modernenen Antisemitismus. [zurück]

(5) Die periodisch wiederkehrenden Forderungen der Linken nach Staatsgründung  von irgendwem für irgendwem irgendwo, blamieren sich zwar deshalb so regelmäßig, weil es ihr (der Linken selber hier nämlich) an den dafür nötigen Mitteln - nämlich der dazu unentbehrlichen politischen Gewalt - so gründlich mangelt. Die Absichten und heimlichen Wünsche der diversen linken Westentaschen-Napoleons lassen einen hoffen, daß sie so dilettantisch bleiben mögen, wie sie sind. [zurück]

(6) Tawfik Ben Achmed Chaovali ist zu lebenslanger Haft wegen eines Anschlags auf den Flughafen Wien-Schwechat am 27. Dezember 1987 verurteilt. Dabei wurden vier Menschen getötet. Am selben Tag fand auch ein Anschlag auf den römischen Flughafen Fiumicino statt, dabei starben 26 Menschen und wurden 89 verletzt. [zurück]

(7) Daß hier ausgerechnet Menschen, die nach ihrer antiimperialistischen Antiimperialistischen Revolution sehr beschäftigt wären, neue Gefängnisse einzurichten, die Freilassung eines Gefangenen fordern, ist eine der Hintertreppenwitze, die das politische Leben so spielt. [zurück]

(8) Chaovalis Organisation [zurück]


[artikel "erlebniswelt krieg" in TATblatt +104]
[artikel "ein wahrlich nationaler feiertag" in TATblatt +105]
 
[a) erklärung von revolutionsbräuhof, rosa antifa wien und TATblatt zu den ereignissen am 26. oktober]
[b) erklärung zahlreicher antifaschistischer gruppen (und des TATblatts) zum artikel der rkl]
[c) originaltext der rkl auf die sich die erklärung b bezieht]
 
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[artikel "erlebniswelt krieg" in TATblatt +104]
[artikel "ein wahrlich nationaler feiertag" in TATblatt +105]
 
[a) erklärung von revolutionsbräuhof, rosa antifa wien und TATblatt zu den ereignissen am 26. oktober]
[b) erklärung zahlreicher antifaschistischer gruppen (und des TATblatts) zum artikel der rkl]
[c) originaltext der rkl auf die sich die erklärung b bezieht]
 
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aus: TATblatt nr. +105 (17/98) vom 5. november 1998
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