TATblatt
"Nein zu NATO und WEU!" ist die hauptforderung einer von 53
gruppen unterstützten kundgebung, die am 26. oktober um 15 uhr
am maria-theresien-platz beginnt - vis-a-vis des zur bundesheer-erlebniswelt
adaptierten heldenplatzes und zwischen den beiden bundesmuseen. Wirklich
antimilitaristische inhalte waren in dem breiten bündnis auf der strecke
geblieben, unter anderem weil sie von antiimperialistischen gruppen als
pazifistisch abgelehnt wurden. Das österreichische bundesheer wird
lediglich mit den zaghaften worten "Gegen die Aufrüstung des Heeres
auf Kosten des Sozialsystems" thematisiert. Die frage, ob aufrüstung
auf kosten anderer töpfe denn okay wäre, drängt sich den
leserInnen des aufrufs zwar auf, bleibt aber unbeantwortet.
Die menschenjagd an den eu-außengrenzen findet nicht einmal erwähnung.
Zugunsten der breite des bündnisses wurden die wesentlichsten politischen inhalte zurückgestellt. Sie am 26. oktober doch noch einzubringen, bleibt den beteiligten gruppen und den hoffentlich vielen kundgebungs-teilnehmerInnen überlassen. Neben kulturellen darbietungen sind heuer im gegensatz zum vorjahr auch wieder redebeiträge vorgesehen. Zudem gibt es platz für infotische und selbstverständlich für viele transparente.
Bereits um 13.30 startet vor der stiftskaserne eine antiimperialistische demo, die in ihrer ursprünglichen planung bei der anti-nato-kundgebung hätte enden sollen. Vor allem die demo-parole "Nieder mit dem Zionismus" stieß, insbesondere wegen ihrer zumindest hierzulande unweigerlich antisemitischen konnotation, auf massive ablehnung bei den meisten der an der vorbereitung der kundgebung beteiligten gruppen. Sie lehnten es ab, für den abschluss einer derartigen demonstration vereinnahmt zu werden. Erst nach einem langwierigen streit waren die sogenannten antiimps bereit, von ihrem geplanten demoziel abzurücken.
In diesem streit fiel auch das wort "polizei", die um hilfe gebeten werden könnte, wenn die demo zur kundgebung käme. Diese drohung der kpö-vertreterin wurde aber umgehend von allen anderen anwesenden gruppen zurückgewiesen und eine zusammenarbeit mit der polizei dezidiert und nachdrücklich ausgeschlossen. Nichtsdestotrotz erzählten einige antiimps fortan beflissentlich allen, die es hören wollten, dass die kundgebungsplattform ihnen mit polizei gedroht hätte.
Die "revolutionär kommunistische liga" (rkl), die sowohl kundgebung als auch demonstration unterstützt, beschreibt den konflikt in ihrer zeitschrift "Klassenkampf" als "sektiererischen Ausschluß der antiimperialistischen Kräfte" durch den "rechten Flügel" und weist den vorwurf des antisemitismus als "infame Propagandalüge im Dienste der Bourgeoisie, die ihre Nah-Ost-Bastion Israel schützen will" zurück. Denn schließlich sei der zionismus doch eine "strukturell rassistische Siedlerbewegung im Dienste des Imperialismus, [...] nicht nur eine Reaktion auf den Antisemitismus, sondern in seiner Entwicklung zum Staat Israel auch komplementär zu ihm". So die historisch etwas haltlose analyse der rkl. [siehe dazu den vollständigen artikel der rkl und den antwortbrief von antifaschistischen gruppen] Und in einer mit diesem konflikt zusammenhängenden diskussion rund um dem tu-club (siehe auch TATblatt +102) wird "einem großen teil der österreichischen linken" gar "so eine art reflex" attestiert, "bei dem wort 'antizionismus' sofort unreflektiert und undiffenziert 'antisemitismus' zu schreien." (mail re: fwd: linker antisemitismus lebt! von E. L. in der blackbox-konferenz TU-Club, die 2.)
(Zur illustration der auseinandersetzung zum thema antizionismus/antisemitismus im tu-club empfehlen wir die lektüre des leserInnenbriefs auf seite 18. Er spricht unseren erachtens für sich.)
Die demo wird nun nicht zur kundgebung kommen aber so zeitig enden, dass es den demoteilnehmerInnen möglich ist, von beginn an an der kundgebung teilzunehmen. Die kundgebungsvorbereiterInnen träumen von einer weniger breiten, dafür inhaltlich stärkeren plattform im nächsten jahr. Und das bundesheer zelebriert von alledem vermutlich nur wenig beeindruckt ihre erlebniswelt.
Irgendwie waren wir auch schon mal weiter.
ps: Am 26. oktober ist es genau zehn jahre her, dass das erste TATblatt erschienen ist!!!
Kundgebung:
26. Oktober
15 Uhr Maria-Theresien-Platz
UnterstützerInnen:
ACUS Wien, akin, AKS, Anti-Atom-International, ARGE für
Wehrdienstverweigerung und Gewaltfreiheit, ARGE für Kriegsdienstverweigerug
und Gewaltfreiheit Graz, Aug und Ohr, Alternative und Grüne GewerkschafterInnen,
Bewegung Rotes Melk, Bezirksfriedensinitiative Wien, Club Roter Stern,
Demokratik Yol, Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, DHKC - Devrimci
Halk Gücleri, ERNK, Friedensbüro Salzburg, Friedenswerkstatt
Linz, Grün Alternative Jugend, Grüne Alternative Wien, Gründungskomitee
Föderation demokratischer Arbeitervereine in Österreich, Hilfe
für die Vergessenen in Bosnien, Hiroshima-Gruppe Wien, IG Kultur Wien,
Internationaler Versöhnungsbund, Internationales Solidaritätsforum,
JG Wien, JG NÖ, KAJ Österreich, Kampagne zur Verteidigung politischer
und sozialer Rechte, Komitee für antiimperialistische Solidarität,
KIW, KJÖ Wien, KPÖ Wien, KSV, Linkswende, MIR Österreich,
Naturfreunde-Jugend Österreich, RBH, Revolutionär Kommunistische
Liga, rebel, Rosa Antifa Wien, SJÖ, SJ-NÖ, SJ Mödling, SJ-Linke,
TATblatt, TIKB-Sympathisanten, trotz allem, TU-Club, Verein Zusammen, Virus,
VSStÖ, Wiener Friedensbewegung
aus: TATblatt nr. +104 (16/98) vom 22. oktober 1998
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