TATblatt


[artikel über die vorbereitung der kundgebung in TATblatt +104]

26. oktober: von wegen antimilitarismus ...

ein wahrlich nationaler feiertag

Ein meer an nationalfahnen prägte den 26. oktober in der wiener innenstadt. Österreichische am heldenplatz, wo das bundesheer seine erlebniswelt zelebrierte, jugoslawische und palästinensische am maria-theresien-platz, wo eigentlich gegen nato und weu demonstriert werden sollte. Einige gruppen aus der anti-nato-plattform verabschiedeten sich unter protest und verließen die kundgebung. Andere distanzierten sich von den nationalen symbolen. Den nationalen strömungen etwas entgegenzusetzen, gelang allerdings niemandem. Die bundesheer-propagandashow zu stören, wurde erst am abend versucht.
 
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Die "erlebniswelt bundesheer" am wiener heldenplatz wurde von 70.000 bis 100.000 menschen besucht. Die angaben variierten von zeitungsmeldung zu zeitungsmeldung. Es durften uniformen, soldatInnen und natürlich modernstes kriegsgerät bestaunt und mit den panzern und raketenwerfern gespielt werden. Erst am abend gab es eine kleine störaktion. Ein paar antimilitaristInnen entrollten unmittelbar vor dem zapfenstreich, der die veranstaltung feierlich abschließen sollte, auf einer tribüne ein transparent und schrien: "Soldaten sind mörder! Nein zum krieg!" Binnen weniger sekunden wurde ihnen das transparent von einer militärstreife entrissen und sie selbst von polizeibeamtInnen umzingelt. Festnahmen und die aufnahme von personalien konnten in diskussionen abgewendet werden, an denen sich auch einige passantInnen einmischten und sich (tatsächlich!) über das vorgehen der polizei entrüsteten. Der zapfenstreich musste - laut platzsprecher aus technischen gründen - um fünf bis zehn minuten verschoben werden.

Ansonsten wurde der militärischen propagandashow nur wenig entgegengesetzt. Die kundgebung am maria-theresien-platz, vis-a-vis des heldenplatzes vermittelte nur schwerlich den eindruck einer antimilitaristischen manifestation oder zumindest einer kundgebung gegen nato und weu. Vielmehr erweckten vor allem die jugoslawischen fahnen den eindruck einer solidaritätsbekundung für Milosevic.

Rosa antifa wien, revolutionsbräuhof und TATblatt verließen unter protest die kundgebung, "da wir nicht [...] gegen den nationalfeiertag unter anderen nationalfahnen demonstrieren wollen [... sondern] gegen jeden nationalismus auf der welt auftreten, egal ob österreichischer, serbischer, deutschnationaler, arabischer oder sonst einer.", wie es einer aus der rosa antifa wien von der bühne aus ausdrückte, denn: "Wir wollen mit keinen nationalisten, nirgendwo auf der welt, gemeinsame sache machen!"

[siehe auch gemeinsame erklärung von raw, rbh und TATblatt zu dieser vorgangsweise]

Die arge für wehrdienstverweigerung und gewaltfreiheit wollte den "nationalistInnen" den platz nicht überlassen und entschloss sich zu bleiben, versuchte aber - ebenfalls von der bühne aus - klarzustellen: "Diese plattform ist wirklich unter schwierigen umständen entstanden. [...] Was  wir nicht wollten, [...] war auf diese demo nationalismus und antizionismus zu bringen. Wir glauben nicht, dass man damit auch nur irgendwas in dieser gesellschaft ändern kann. Und was uns ganz wichtig war zu sagen ist, dass da drüben [am heldenplatz; anm.] ein militärspektakel stattfindet, das militarismus und krieg vorbereitet, wo kleine kinder auf panzern spielen, und ich glaub', es gibt wichtigeres zu tun, als regime wie milosevic oder hussein weiterhin hoch zu puschen."

Die "revolutionär kommunistische liga" (rkl) versuchte, den anderen standpunkt zu vermitteln: "Ich glaube, es gibt sehr viele verschiedene strömungen unter den nato-gegnern, und wir müssen einen weg finden, dass alle linken nato-gegner zusammenarbeiten können. Und dabei halte ich es für wichtig, dass jene strömungen und gruppierungen und auch leute, die aus von der nato angegriffenen ländern kommen, wie beispielsweise jugoslawien, wie besipielsweise kurdistan, oder palästina oder irak, ebenfalls hier inkludiert sind, und gegen die nato mit uns kämpfen können. [...] Man sollte nicht sagen, dass das nationalisten sind. Das sind leute aus angegriffenen ländern, die ihre rechte verteidigen."

Dies war aber auch von den antinationalistInnen niemals in frage gestellt worden. Die genannten menschen aus den angegriffenen ländern waren es aber auch nicht, die die nationalen fahnen schwenkten, zumindest nicht mehr, nachdem von der bühne aus das erste mal gebeten wurde, die fahnen einzurollen. Die fahnen wurden vielmehr von leuten aus der sogenannten linken szene hier aus wien getragen und geschwenkt - mit einem ausdruck und einer gestik, die an fähnchen- oder winkelemente-schwingende spaliere anderer nationaler feierlichkeiten erinnerten.

Der konflikt am 26. oktober hat sich bereits bei der vorbereitung der kundgebung abgezeichnet. Wie wir bereits im letzten TATblatt berichteten, hatten die euphemistisch als antiimperialistische gruppen bezeichnete organisationen eine demonstration geplant, zu der unter anderem mit der parole "Nieder mit dem Zionismus" aufgerufen wurde. Ursprünglich hätte die demonstration bei der kundgebung enden sollen. Die an der kundgebungsvorbereitung beteiligten gruppen lehnten aber jede zusammenarbeit mit einer demonstration ab, in der - zumindest hierzulande - zwangsläufig antisemitisch konnotierte, inhalte vertreten werden. Es wurde vereinbart, dass die demonstration nicht zur kundgebung kommen sollte. Nicht verhindert werden sollte oder konnte, dass die demonstrationsteilnehmerInnen nach ihrer demo auch an der kundgebung teilnehmen. Dass sie dies mit ihren nationalen fahnen taten, entsprach allerdings nicht unbedingt dem geiste der vereinbarung.

Welche konsequenzen die in den anti-nato- und anti-weu-plattformen engagierten gruppen aus den diesjährigen vorfällen ziehen, wird sich wohl in den nächsten monaten zeigen. Zumindest für einige der an der vorbereitung der kundgebung beteiligten gruppen steht fest, dass sie sich an einer inhaltlich dermaßen diffusen anti-nato-kundgebung, die sich nicht explizit gegen antisemitisch konnotierte inhalte und gegen nationalismen abgrenzt, nicht mehr beteiligen werden.

Die kundgebung wurde übrigens von ein paar hundert menschen (in optimistischen schätzungen wird von 300 teilnehmerInnen gesprochen) besucht. An der "antiimperialistischen" demonstration nahmen zwischen 50 und 70 personen teil.

[zum konflikt mit den "antiimps" siehe auch die diversen stellungnahmen und einen artikel der rkl]
[artikel über die vorbereitung der kundgebung in TATblatt +104]

aus: TATblatt nr. +105 (17/98) vom 5. november 1998
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