Zur Vorgeschichte: Anthony O. verbrachte 13 Monate unschuldig
in Wien im Gefängnis. Dann wurde er von allen Vorwürfen freigesprochen.
Schadenersatz gab es keinen. Stattdessen sollte er auf dem schnellsten
Weg abgeschoben werden. Dies konnte durch massive Proteste Anthonys und
durch Solidaritätsaktionen vorerst verhindert werden. Dafür wird
ihm nun "Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen". Anthony befindet
sich derzeit in Korneuburg in U-Haft. Für 20. Dezember war ein erster
Prozesstermin angesetzt worden ....
weitere Hintergrundinfos:
>> http://www.no-racism.net/deportatiNO/abschiebung_041200.htm
>> http://united.action.at/
siehe auch Beiträge in TATblatt +155/156:
>> (Vorerst) keine Abschiebung
von Anthony O.
>> Stellungnahme des TATblatts
zur Ehre, laut Polizei für die Verhinderung der Abschiebung verantwortlich
zu sein
Prozess gegen Anthony O. vom 20. Dezember 2000:
"Rückleitung" an U-Richter, weiterhin U-Haft
Kurzbericht, Resultate und Einschätzung
von: Gemeinsam gegen Rassismus! United Against Racism!
Allgemeines:
Die Polizei wertete Anthonys Abschiebung von vorn herein (zumindest
seit Freitag) als "Problemabschiebung".
"Problemabschiebungen" werden von der WEGA durchgeführt. Abschiebungen
werden prinzipiell nur abgebrochen, wenn der Kapitän des Flugzeuges
den Transport unter Berufung auf die Flugsicherheit ablehnt.
In diesem Fall werden die betroffenen Menschen durch einen Kriminalbeamten
der BPD Schwechat der Staatsanwaltschaft Korneuburg zur Anzeige gebracht.
Am Landesgericht Korneuburg werden anscheinend jede Woche mehrere Menschen
wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt" bei Abschiebeversuchen zu teilweise
horrenden Freiheitsstrafen (z.B. ein Jahr unbedingt) verurteilt.
Verlauf:
Vernehmung Anthony: Anthony hat sich nicht schuldig bekannt, er hat
vor dem Einstieg ins Flugzeug gegen seine Abschiebung protestiert, daraufhin
haben sich 2 WEGAs auf ihn gestürzt, ihn geschlagen und zu Boden geworfen.
Er hat vor Schmerz und Schreck geschrieen. Alle vier anwesenden WEGAS waren
über ihm und haben ihm Handschellen angelegt.
Vernehmung der "Zeugen" (5 Polizisten): Bis auf einen, der nicht einmal
am "Tatort" war, behaupteten alle mehr oder weniger gleich lautend, dass
Anthony geschrieen, um sich geschlagen und getreten haben soll. Am Boden
liegend soll er einem WEGA in die Jacke gebissen haben...
Anträge:
Der Staatsanwalt beantragt im Fall einer Verurteilung den Widerruf der
bedingten Strafnachsicht (insgesamt 8 Monate).
Der Verteidiger beantragt die Ausforschung und ZeugInneneinvernahme
der Stewardess, des Stage Managers und des Kapitäns, die den Vorfall
gesehen haben.
Der Verteidiger beantragt die Enthaftung, da Anthony bereits 13 Monate
unschuldig in Haft war (Verhältnismäßigkeit) und da er
eine gesicherte Wohnmöglichkeit hat. Der Staatsanwalt widerspricht
mit dem Verweis auf seinen Antrag auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht
von 8 Monaten und verweist auf den Haftgrund "Tatbegehungsgefahr".
Beschlüsse:
- Rückleitung des Verfahrens an den U-Richter zur Ausforschung
und Vernehmung der KLM-Crewmitglieder
- Fortsetzung der U-Haft wegen Tatbegehungsgefahr, da Anthony
nach seiner Enthaftung wieder abgeschoben werden müsste, und
dabei wieder "Widerstand gegen die Staatsgewalt" leisten könnte.
Außerdem sei die Dauer der U-Haft (mittlerweile 14 Monate!)
nicht unverhältnismäßig, da Anthony bei einer Verurteilung
der Widerruf seiner bedingten Strafnachsicht von 8 Monaten drohe
sowie "zumal ich letzte Woche einen Angeklagten wegen Widerstand
gegen die Staatsgewalt zu einem Jahr unbedingt verurteilt habe."
(Zitat Richter Hohenecker)
Einschätzung:
Positiv anzumerken ist, dass sich das Verhalten von Richter Hohenecker
zumindest in diesem Fall wesentlich gebessert hat. Während der Verhandlung
war von seiner sattsam bekannten Arroganz und Selbstherrlichkeit fast nichts
zu merken. Eventuelle Rückschlüsse auf ein zu erwartendes Urteil
dürfen daraus jedoch keinesfalls gezogen werden! Auch die Polizisten
bemühten sich sichtlich, als "nette Menschenfreunde" aufzutreten.
Die Rückleitung ins Stadium der Voruntersuchung ist ein normaler
Vorgang, da die Namen der KLM-Crew nicht bekannt sind. Es bedeutet aber,
dass Anthony im Moment kaum Chancen hat, enthaftet zu werden. Es wird jedenfalls
interessant, wie lange diese neuerliche Voruntersuchung dauern wird...
Das wichtigste ist, dass anscheinend seit längerer Zeit im Landesgericht
Korneuburg Menschen wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt" bei Abschiebungen
verurteilt werden. Uns ist nicht bekannt, wie und vor allem wie fair diese
Prozesse ablaufen. Eine eingehendere Befassung mit den Vorgängen am
Flughafen und in Korneuburg erscheint jedenfalls dringend notwendig.
Weiters ist die Praxis, Menschen, die nicht abgeschoben werden können
(und sei es nur weil sie schreien) sofort wegen "Widerstand gegen die Staatsgewalt"
zur Anzeige zu bringen, mehr als bedenklich. (Ein Polizist sagte aus, dass
Abschiebungen nur abgebrochen werden, wenn der Pilot den Transport verweigert!)
Angenommen, ein Mensch soll unrechtmäßig abgeschoben werden.
Dieser Mensch protestiert am Flughafen laut dagegen, wird daraufhin wegen
"Widerstand" verurteilt und bekommt auf Grundlage dieser Verurteilung ein
Aufenthaltsverbot, dass wiederum eine "rechtmäßige" Abschiebung
ermöglicht...
Weitere notwendige Aktivitäten:
weitere Infos auf http://united.action.at
Gemeinsam gegen Rassismus! United Against Racism!
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