Redebeitrag des AFBLs „Festung Europa niederreißen
- Smash Fortress Europe” vom 10.12.2005 in Leipzig
Rassismus und Ausgrenzung sind elementarer Bestandteil
der europäischen Union. Jedes Bündnis bedeutet eine Abgrenzung
nach außen. Im Falle der europäischen Union ist diese
Abschottung besonders brutal, wovon die tausende ertrunkenen, er-stickten,
erschossenen Menschen, die diese Grenzen passieren wollten, zeugen.
Die europäische Asyl- und Einwanderungs- bzw.
Abschottungspolitik ist ein grundle-gendes Element europäischer
Vergemeinschaftung. Wenn sich die Mitgliedsstaaten auch in Bezug
auf Beitragszahlungen oder Agrarpolitik uneinig sind, können
sie sich zumeist schnell einigen, wenn das Grenzregime verschärft
werden und Migration verhindert werden soll.
Kurzum: auf keinem Gebiet wurde in den letzten Jahren so viel, so
schnell und so unbürokratisch vergemeinschaflicht wie in der
europäischen Asyl- und Einwande-rungspolitik. Migrationspolitik
heißt in Europa in erster Linie Sicherheitspolitik. Die Begriffe
Kriminalität, illegale Einwanderung oder kulturelle Differenzen
werden eng mit Migration verknüpft. Keinem Staat geht es zuvorderst
darum Asyl zu gewähren!
Bei der EU Osterweiterung hatten Sicherheitsbedenken
und Grenzsicherung Priori-tät, damit wurde u.a. auf von der
Bevölkerung befürchtete Sicherheitsverluste rea-giert,
wie sie in den Eurobarometer-Umfragen geäußert wurden.
Die Grenze zwischen Kerneuropa und Osteuropa bleibt nach wie vor
bestehen. Zum einen in Form einer tatsächlichen materiellen
und bewachten Grenze und zum ande-ren durch die Gewährung unterschiedlicher
Rechte. Gerade Deutschland argumen-tiert immer wieder mit einer
angeblichen Gefahr von ArbeiterInnen aus dem Osten für die
eigene Wirtschaft und konnte so eine eingeschränkte Freizügigkeit
für Arbeit-nehmerInnen aus den Beitrittsländern durchsetzen.
So eine Argumentation schürt und manifestiert den alltäglichen
Rassismus.
Die Durchsetzung der Schengen Kriterien an den neuen EU Ostgrenzen
wird mit ho-hem Aufwand durch zahlreiche finanzielle, technische
und personelle Unterstützun-gen vorangetrieben. Auch die angrenzenden
Staaten, wie die Ukraine, werden in die europäische Abschottungspolitik
mit einbezogen. Eine EU-Mission darf mittlerweile in die Ukrainisch-Moldawische
Grenzsicherung eingreifen.
Auch beim so genannten Barcelona Prozess, also der
Erweiterung des Wirtschafts-raumes Europa nach Süden und Westen,
spielen Migration und Sicherheit eine ent-scheidende Rolle. Die
Maghreb Staaten sollen als Transitländer für Migration
in die EU den Sicherheitsvorgaben entsprechen. So werden die neuen
Türsteher Europas in Sachen Grenzschutz, Militär und Polizei
geschult. Der Vorschlag zur Schaffung von Auffanglagern in Nordafrika
vor den europäischen Grenzen legitimiert derzeit die Abschiebung
in vermeintlich sichere Drittstaaten wie Marokko und Lybien. Im
Klar-text: MigrantInnen sollen erst gar nicht nach Europa gelangen,
sondern möglichst „heimatnah untergebracht“ werden.
Schon heute leben 85% aller Flüchtlinge in den Herkunftsländern.
In den letzten Tagen haben Spanien und Marokko ein bilaterales Abkommen
ge-schlossen, in dem die "sofortige" Einrichtung von vier
Lagern vorgesehen ist. Dabei geht es um die "Rückführung"
von Minderjährigen, die ohne Begleitung nach Spanien gekommen
sind.
Europäischer Rassismus und Ausgrenzung finden
nicht nur an den hochgerüsteten EU Außengrenzen statt,
sondern äußern sich auch in einem rassistisch strukturierten
Arbeitsmarkt. Arbeitsplätze müssen zunächst an EU
BürgerInnen vergeben werden, was zur Folge hat, dass MigrantInnen
lediglich in prekären und körperlich stark be-lastenden
Arbeitsverhältnissen unterkommen, die niemand sonst machen
will. Mit wachsender Massenarbeitslosigkeit und den steigenden Anforderungen
an die Be-reitschaft zur Arbeitskraftverwertung verändern sich
auch die Bedingungen für Zu-wanderung. So wird sich in Deutschland
beispielsweise durch die mit Harz IV einher-gehende weitgehende
Abschaffung von Zumutbarkeitsregelungen für Arbeitslose mit
deutschem Pass nachteilig auf die Arbeitsmarktchancen von MigrantInnen
auswir-ken. Die Behörden werden bei der Erteilung von Arbeitserlaubnissen
noch restriktiver vorgehen.
Andererseits ist die Frage nach einem Arbeitsplatz für das
Bleiberecht immer ent-scheidender. Durch die Integration in den
Arbeitsmarkt können sich in gewissem Maße gesellschaftliche
Anerkennung und Rechte erarbeitet werden, die anderen qua Geburt
zustehen. Dass der hochqualifizierten Fachkraft weniger Hürden
für einen dauerhaften Aufenthalt aufgestellt werden, als der
im Niedriglohnsektor eingestellten Arbeitskraft, ist nichts Neues.
Da es für MigrantInnen immer schwieriger wird ein Bleiberecht
zu erhalten, sind immer mehr gezwungen ohne Papiere zu leben, womit
sie völlig rechtlos sind und gnadenlos ausgebeutet werden können.
Eine EU-Migrationspolitik, die Migration vordergründig als
Gefahr konstruiert, spiegelt sich in den rassistischen Einstellungen
der Bevölkerung wieder. 35 Prozent der Deutschen glauben, dass
Zugezogene sich mit weniger Rechten zufrieden geben müssten
als Alteingesessene, am besten fänden es 36 Prozent gar wenn
die hier lebenden Ausländer bei knappen Arbeitsplätzen
in ihr Herkunftsland zurückgeschickt würden. Insgesamt
nimmt die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland weiter zu. Euro-paweite
Studien kommen zu vergleichbaren Ergebnissen.
Ob bei der Abwehr von Migration oder bei den Beitrittsverhandlungen
der Türkei -- Europa wird stets als kulturelle Einheit konstruiert,
die es vor bösen Einflüssen von außen zu schützen
gilt. Besonders für die Schaffung einer europäischen Identität
ist die Abgrenzung zu dem „Anderen“ wichtig. Individueller
Rassismus und struktureller Ausschluss ist sowohl auf nationaler
wie europäischer Ebene systemimmanent.
Statt einer Politik, die Menschen nach vermeintlich
kultureller Zugehörigkeit, nach ökonomischer Verwertbarkeit,
nach Staatsangehörigkeit unterteilt und selektiert, for-dern
wir das uneingeschränkte Recht auf globale Bewegungsfreiheit.
Kapitalistische Verwertungslogik und rassistische
Ausgrenzung angreifen!
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