['fai(e)r] - No tears for krauts
Von :
Bundesweiter Vorbereitungskreis
Ort : Dresden
Datum: 20.01.2005
Aufruf des bundesweiten Bündnisses
12./13.Februar 2005
Wenn sich zu den diesjährigen
»Trauerfestspielen« in Dresden das deutsche Volk die
Seele aus dem Leib heult, ist das für uns - Antifas und GegnerInnen
Deutschlands - ein Grund zur Freude. Die Bombardierung Dresdens
steht für uns für die sich abzeichnende Niederlage Deutschlands,
für die demoralisierende und somit kriegsverkürzende
Wirkung innerhalb der deutschen Bevölkerung und damit auch
für die Rettung der wenigen verblieben Jüdinnen und
Juden. Das Supergedenkjahr 2005 steht an und somit neben dem sechzigsten
Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus auch die üblichen
Rituale des »Gedächtnisortes« Dresden. Der Lauf
der erinnerungskulturellen Dinge wird sich an beiden Daten nicht
aufhalten lassen. Die Kontinuität der Erinnerungsabwehr,
die in ihrer aktuellen modernisierten und weltoffenen Variante
auch mit Schuldannahme jongliert, kann hingegen par excellance
bebildert werden. Wieder wird vorrangig die Frage nach den deutschen
Opfern gestellt, wieder werden unsägliche Parallelen gezogen
werden, und wieder werden die Verbrechen des Nationalsozialismus
eine untergeordnete Rolle spielen. Für uns wird die an diesem
Tage wohl zu Hauf gestellte rhetorische Frage, »wem den
die Erinnerung gehöre« bereits beantwortet sein. Wir
gedenken der Jüdinnen und Juden, für die die Bomben
der Royal Air Force zu spät kamen, der ZwangsarbeiterInnen,
die sich bereits zu Tode geschuftet hatten und der abgeschossenen
und abgestürzten B omberpiloten. Angesichts der Shoa und
des deutschen Vernichtungskrieges stellt sich für uns weder
die Frage nach der Traumatisierung der »deutschen Zivilbevölkerung«
noch interessieren uns deren »Leidensgeschichten«.
Facts and Fiction
»Niemand war ein Nazi [...] es
hat vielleicht ein paar im nächsten Dorf gegeben [...] die
nächste Stadt ist jedoch eine regelrechte Brutstätte
des Nationalsozialismus.« Keiner wusste was und eigentlich
waren auch alle dagegen. Dass im nationalsozialistischen Deutschland
nur eine Minderheit der Bevölkerung »richtige«
Nazis waren - das zumindest bekamen britische
Nachkriegsberichterstatter ständig zu hören - lässt
sich zum Glück heute unmissverständlich widerlegen.
Gleichzeitig mit der Befreiung vom Nationalsozialismus und der
Kolportierung der Theorie, nach welcher der Nationalsozialismus
Sache der Nazi-Führung und die Deutschen so unschuldig wie
ihre Opfer waren, wurden die Geschichten vom Bombenkrieg zum aufpolierten
Teil der deutschen Legendenbildung: Wie konnte dieses Deutschland,
dass innerhalb weniger Wochen die halbe Welt unter seinen Helm
gebracht hatte, den Krieg verlieren? Richtig, nur mit unfairen
Mitteln: Brandbomben der Alliierten gegen die Zivilbevölkerung.
Bis heute hält sich der wahnhafte Mythos vom »unmenschlichen«
Gegenschlag der alliierten Luftwaffe. Angesichts der enormen Verdrängungsleistung,
die nicht nur den nationalsozialistischen Alltag der Stadt ausblendete,
sondern stattdessen Dresden als barocke Insel, die »raum-
und zeitlos in sich ruhte«, beschrieb, ist das ein an sich
enormer Vorgang. Die unter dem Label »Bombenkrieg«
geführten Scheindebatten - als wären die Luftangriffe
in irgendeiner Weise aus dem historischen Kontext ausklammerbar
- machen gerade am Beispiel des Erinnerungsortes Dresden deutlich,
wie widerlich mit den Elementen von Entkontextualisierung, falscher
Begriffsbezeichnung und politischer Funktionalisierung das wahnhafte
Gebilde vom unschuldigen Dresden gezeichnet ist. Der kollektive
Opfertaumel geht dabei sogar soweit, selbst die Bomberverbände
als »Mordkommandos« zu bezeichnen. Damit werden BefreierInnen
und TäterInnen auf eine Ebene gestellt.
Angesichts solcher »interpretatorischer Freiräume«
gilt es die Notwendigkeit des alliierten Angriffs auf Dresden
stark zu machen. Dem Begriff der militärischen »Sinnlosigkeit«
ist die Richtigkeit auch flächendeckender Bombardements entgegenzuhalten,
denn sie symbolisieren das Ausschöpfen aller Möglichkeiten,
dem Nationalsozialismus ein Ende zu bereiten. »Zynisch,
menschenverachtend und inhuman« sind im Zusammenhang mit
den Bombardements vom 13./14. Februar 1945 durchaus angebrachte
Attribute - für die Dresdner Bevölkerung, ihre Unwilligkeit
um die Opfer des Nationalsozialismus zu trauen und für die
neudeutsche Erinnerungskultur, die es schafft, Dresden, Auschwitz
und Zivilisationsbruch in einem Satz zu sagen, ohne rot zu werden.
In der Nacht vom 13. auf den 14. Februar 1945 griff die Royal
Air Force die Elbestadt Dresden an. Neben wichtiger infrastruktureller
Anlagen in den Bereichen Verwaltung, Transport und Kommunikation
befanden sich in Dresden insbesondere militärische Ziele,
Waffenproduktionsstätten sowie starke Truppenstationierungen.
Dresden galt als Knotenpunkt der die Rote Armee bekämpfenden
deutschen Divisionen. Wie andere deutsche Städte auch war
Dresden Sammelpunkt für Transporte von Jüdinnen und
Juden in verschiedene Vernichtungslager. In zwei Angriffswellen
warfen britische Maschinen ihre Bomben ab und zerstörten
große Teile der Dresdner Innenstadt. Ungefähr 25-30.000
Menschen kamen dabei ums Leben. Ein dritter Angriff, diesmal von
der amerikanischen Air Force, erfolgte am darauffolgenden Mittag.
Das Motiv des Bomber Command unter Leitung von Luftmarschall Arthur
Harris galt in erster Linie der empfindlichen Schwächung
der Fähigkeit Deutschlands, Krieg zu führen. »Das
Kriegspotential des Feindes zu zerstören« sei die sicherste
Methode um den Krieg zu gewinnen. Getroffen werden sollte die
vielbeschworene Heimatfront. Dass er damit neben der Schwächung
der Rüstungswirtschaft der deutschen Bevölkerung auch
ein demoralisierendes Kollektiverlebnis beibrachte, sollte sich
für den Kriegsverlauf nicht nachteilig auswirken. Den Zeitzeugenberichte
der modernen Oral HistoryForschung sei Dank, häufen sich
bis heute die Legenden und Mythen um den »Bomben- und Feuersturm«
über Dresden. Jenseits der Totenarithmetik, die die Opferzahlen
gerne auf das zehnfache herauftreibt, sind es vor allem die Geschichten
von den Tieffliegern, die die Flüchtenden auf den Elbwiesen
entlang trieben und zusammenschossen. Die »fliegenden Terroristen«
hätten wahre »Luftmassaker« veranstaltet, sind
allerdings sowohl militärtechnisch, meteorologisch sowie
physikalisch-technisch hierzu nicht einmal ansatzweise in der
Lage gewesen. Die »authentische« Zeitzeugengeschichte
lebt jedoch weiter: »[...] Wieder erschienen 1000 Bomber,
diesmal im Tiefflug, und dann schossen sie mit Bordwaffen in die
sich windende Menschheit.«
Die Dämonisierung der Angriffe, der Wahn der Verfolgungssituation
und die eingebundene Erinnerungstradierung beruht auf einem schlichten
Prinzip. Der Ausfall von Mitgefühl für die Opfer des
Nationalsozialismus, sowie die vitale Vergesslichkeit verbinden
sich zu einem Ressentiment voller Projektionen gegen die Befreier
von einst und führt neben der klassischen Erinnerungsabwehr
selbst zu abwehraggressiven Verhalten. Weder existiert die Einsicht
noch ein Fetzen von Überlegung hinsichtlich einer historischen
Einbettung. Dabei ist die Erinnerungsabwehr nicht nur gesamtgesellschaftlich
sondern auch generationsübergreifend: Das Alltagsgespräch
mit Dresdner Enkeln wird neben der Reproduktion von Opfererzählungen
vor allem einen konturlosen und diffusen Gegenstand offenbaren:
»Coventry ist eben die im Krieg zerstörte Partnerstadt
Dresdens« - kein Grund, so dermaßen - wie im Falle
Dresdens - überzureagieren.
German history lessons
Es ist nicht verwunderlich sondern
nur folgerichtig, dass dem renommierten Historiker Jörg Friedrich
- früher eher auffallend durch historisch klare Analysen
zu Shoa und NS - die »Erzählkompetenz« zugesprochen
wird, den »Holocaust des alliierten Bombenterrors«
zu formulieren. »Der Brand«, mit dem Friedrich Winston
Churchill als Kriegsverbrecher anklagen wollte, hat mittlerweile
jedes noch so kleine deutsche Pissnest für seine Dorfchronik
adaptiert, publiziert und jeden barocke Stein und jede verkohlte
Leiche aufgerechnet. Neben der Tatsache, dass »Der Brand«
eine kriegshistorische Einmaligkeit suggeriert, die es nie gegeben
hat, ist es vor allem die Art der Darstellung von Leid, die so
pervers erscheint. Die Toten des Luftkrieges von Dresden erscheinen
als »Ausgerottete«, brennende Luftschutzkeller firmieren
als »Krematorien« und die alliierten Bomberflotten
werden zu
nationalsozialistischen »Einsatzgruppen« gemacht.
Die Projektion shoaspezifischer Opfer-Kategorien auf das Tä
terInnen-Kollektiv und die damit einhergehende Auflösung
klassischer Gegenüberstellungen prägt diese Darstellung.
Die hierin entdeckte »reinigende« Wirkung - die Teilhabe
an einer »kollektiven Sühne« verbunden mit gleichzeitiger
»Befreiung« von der Auseinandersetzung - soll die
Lösung aller deutschen Kollektiv-Probleme sein. Der Selbstzweck
erscheint klar. Wenn schon Schuld am »wir« haftet,
dann sollen die anderen nicht besser davon kommen. Innerhalb der
Diskussion um Friedrichs Buch fällt weiterhin der inszenierte
Tabubruch auf. Als typisches Element suggeriert er, obwohl es
nichts dagegen einzuwenden gäbe, den Bombenkrieg im Nationalsozialismus
zu erforschen sei etwas Verbotenes und Unterdrücktes. Die
»Viktimisierung« lässt sich auch in diesem Kontext
als Hintergrund vermuten. Ähnlich funktionierte in den sechziger
Jahren die Debatte um die Kollektivschuld der Deutschen. Auch
sie diente als gekünstelter Aufhänger und Scheindebatte,
um von der eigenen Schuld abzulenken und die Unschuldsvermutung
geltend zu machen. Niemand außer die Deutschen hatte die
These ernsthaft formuliert. Ihre Funktion emotionsgeladener Abwehr
- da durch den kollektiven Vorwurf kein Raum für Schuldanerkennung
bliebe - erfüllte sie mit Bravour.
Friedrich hat mit seiner als Tabubruch inszenierten Darstellung
des Bombenkrieges zur Inbesitznahme der Erinnerung durch die TäterInnengeneration
beigetragen deren manifeste Präsentation in Mahnmalen und
Museen heute zum normalsten der Welt gehört. Die Feststellung,
dass die »Deutschen nicht nur Täter, sondern auch Opfer
waren« gehört mittlerweile zum guten Ton. Wenn ein
liberales Dresdner Aktionsbündnis zum 13. Februar einen »Rahmen
des Erinnerns« feststeckt, dann mag man dahinter eine TäterInnen-Anmaßung
vermuten. Insofern sind wir in der Realität angekommen. Wenn
darüber hinaus durch das Bündnis erklärt wird,
»wir erinnern, weil die Generation der Zeitzeugen wertvolle
Erfahrungen weitergeben kann, so ihre Friedenssehnsucht, die Hoffnung
und die Lebenskraft des Wiederaufbaus«, dann kann nur von
Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus gesprochen werden.
Europäische Dynamik
Auf europäischer Ebene sollen
die Antike oder die christliche Entfaltungsgeschichte heute die
Säulen einer europäischen Identität bilden. Kurz
hinter dem Lob auf das solidarische Miteinander der »Völker
Europas« rangiert vielmehr auch die Shoa als gesamteuropäische
Erfahrung in der Charta der europäischen Verfassung. Die
Ermordung der Jüdinnen und Juden soll zum »Schlüsselereignis«
einer neuen auf Verständigung und Dialog setzenden Vergangenheitsbetrachtung
werden und bildet darüber hinaus die Herausforderung einer
neuen »Schicksalsgemeinschaft.«
Nun hat die Shoa mitnichten etwas mit Schicksal zu tun, sondern
mit organisiertem antisemitischen Wahn und einer akribisch genau
ausgeführten Umsetzung im Zuge derer über sechs Millionen
Jüdinnen und Juden vernichtet wurden. Innerhalb einer wissenschaftlich
ambitionierten Diskussion um die »Europäisierung«
der Erinnerung an den Nationalsozialismus und die Shoa wird in
letzter Zeit vermehrt die Entortung und das Verlassen der »nationalen
Container« konstatiert. Nach Kaltem Krieg und dem damit
verbundenen Aufbrechen insbesondere vieler osteuropäischer
Gedächtnisse sei eine Entwicklung, die sich über die
der eigenen heroischen Nation hinwegsetzt und nicht mehr den Rückgriff
auf die Vergangenheit einer nationalen Kontinuität wegen
zelebriert, ein unaufhaltsamer Trend. Nationale Identitäten
wären per se im Auflösungsstadium begriffen. Dahinter
angelegt ist die Wunschvorstellung einer europäischen Erinnerung,
die sich naturalisierten Begriffskategorien, wie denen der Nation,
verwei
gert und stattdessen einen universellen Begriff von Moral anstellt.
Die Shoa wird aus ihren speziellen Kontexten gelöst und als
neuer globaler Imperativ aufgestellt. Sie vermag somit ein Präzedenzfall-Modell
anzudeuten, dass unter bewusster Einbeziehung des »Leids
des Anderen« eine europäische Erinnerung von Vergangenheit
konstruiert. Diese Exterritorialisierung ist seit Jahren durchaus
gängige - wenn auch vereinzelt kritisierte - Praxis im erinnerungspolitischen
Kontext.
Im Land der TäterInnen nimmt man sich dieser euro-erinnerungspolitischen
Entwicklung mit Freude an, verspricht doch das Ende der Ausgrenzung
und die damit verbundene Einführung in den universellen Kreis
eine weitestgehende Auflösung der Fragen nach Kontext und
Differenz: »Alle Opfer sind Menschen.« Ihre Leidenserfahrung
ist das wichtigste Element, sie steht im Zentrum der Darstellung,
die Darstellung historischer Verläufe und Begründungen
fällt dahinter ab.
Hatte die Friedenbewegung der achtziger Jahre noch Mühe,
die Scharnierfunktion zwischen Dresden, Hiroshima und tagesaktuellen
Kriegsschauplätzen über Stichworte wie Sinnlosigkeit
und Völkermord herzustellen, gelang ihr das innerhalb der
Golfkriegsdiskussion umso besser. Bereits 1991 zog sie »Dresden«
als solidarische Metapher gegen die angloamerikanischen Luftangriffe
auf Bagdad heran. Dass auch im vergangenem Jahr neben Pace-Fahnen
weiße Betttücher aus den Fenstern der Stadt gehangen
wurden, somit die Bombenangriffe auf Bagdad eine sonderliche Verbindung
zu denen auf Dresden im kollektiven Gedächtnis auslösten,
unterstreicht, wie stabilisiert mittlerweile die Opferrolle ist.
Nicht nur klassischer Antiamerikanismus - an sich schlimm genug
- macht hier den konstitutiven Charakter aus, sondern die moralische
Aufrechnungslogik der mittlerweile dritten Generation, deren Vermögen
zur Derealisierung den Großvätern und Großmüttern
in nichts nachsteht. Die politische Funktionalisieru ng dieses
»doppelten Opfertums«, das schlussendlich auf die
Kontinuität angloamerikanischer Aggressionspolitik hinausläuft,
macht sich die rot-grüne Bundesregierung nicht zuletzt auf
außenpolitischem Terrain zu Nutzen. In dieser Hinsicht geben
die geschichtspolitischen StichwortgeberInnen der antiamerikanischen
Gegenmacht-Position Deutschlands gegenüber den Vereinigten
Staaten weitere Rückendeckung.
Das realpolitische Ergebnis lässt nicht nur britische Veteranenverbände
erschrecken. Denen war zumindest die Teilnahme Gerhard Schröders
an den diesjährigen Feierlichkeiten anlässlich der Landung
der Alliierten in der Normandie gründlich zuwider. War dies
für die Regierung Kohl zehn Jahre zuvor noch kein Thema,
erlangte den derzeitigen Kanzler neben einer französischen
Einladungskarte die Gnade der späten Geburt. Ein Regierungssprecher
kommentierte dies mit den Worten »dass sich die Zeiten tatsächlich
geändert haben.« Wie wahr; neben der Befreiung vom
Nationalsozialismus, für die die Landung der Alliierten ein
wichtiger Schritt war, stellte der Festakt im Juni für den
deutschen Kanzler eine Befreiung ganz anderer Art dar: Spätestens
hier kann das Ankommen Deutschlands in der Normalität der
europäischen Staatengemeinschaft festgemacht werden.
Dass das kürzlich im Zuge eines Besuchs von Queen Elisabeth
eingeforderte »sorry about Dresden« nicht zustande
kam, hat daher vermutlich auch eher etwas mit aristokratischer
Etikette zu tun als mit den Überesten der gesunden britischen
Verachtung gegenüber den »Krauts.« Die ist zwar
noch als Relikt in britischen Schulbüchern vorhanden, wie
neulich ein europäisches Bildungsgremium erschreckt zur Kenntnis
gab, das offizielle außenpolitische Verhältnis zwischen
Deutschland und der Insel erscheint jedoch bestens. Sollte Tony
Blair im Februar nach Dresden kommen, um an den öffentlichen
Gedenkfeiern rund um der Frauenkirche teilzunehmen, wäre
das nicht nur ein punktueller Sieg für die derzeitige deutsche
Taktik in Sachen Erinnerung.
Dresdener Legenden
Dresden ist im Zusammenhang mit der
Konstruktion eines deutschen Opfermythos über die Jahre hinweg
zum Symbol geworden. Die Gründe dafür sind historisch
bedingt und recht vielfältig. Bereits in den letzten Kriegsmonaten
wurde die oft kolportierte Legende geprägt, Dresden sei eine
»wehrlose« Kulturstadt die, da weitgehend intakt,
mit »Flüchtlingen« überfüllt war und
keinerlei militärische Bedeutung besaß. In den fünfziger
Jahren - nach Gründung der DDR - wurden hingegen andere Schwerpunkte
gesetzt und vorrangig Propaganda gegen die Westalliierten betrieben.
Bis zum Ende der siebziger Jahre flaute die Gedenkfreudigkeit
weitgehend ab.
Ausschlaggebend für eine Wiederbelebung des Gedenkens und
dessen Etablierung bis heute war eine Friedenskundgebung der DDR-Opposition
an der zerstörten Frauenkirche 1982. An dieser Veranstaltung
nahmen damals mehrere tausend Menschen teil. Die pazifistische
Ausrichtung der Kundgebungen in den folgenden Jahren ermöglichte
ein widerspruchsfreies Gedenken an den 13. Februar 1945 und damit
verbunden eine modernisierte Interpretation der deutschen Opfererzählung.
Das Ende der DDR und die Wiedervereinigung Deutschlands ermöglichten
die gesamtgesellschaftliche Etablierung des deutschen Erinnerns.
Mit einer Ansprache des Bundespräsidenten zum 50. Jahrestag
wurde das Gedenken zum Staatsakt und damit die bundesweite symbolische
Bedeutung Dresdens im deutschen Opferdiskurs weiter betont. In
den folgenden Jahren erlebte die deutsche Erinnerungskultur am
13. Februar unterschiedliche Highlights. Hervorzuheben ist etwa
die teilweise als Versöhnung interpretierte Übergabe
des Kuppelkreuzes d er Frauenkirche durch den Herzog von Kent
im Jahre 2000.
Bis heute hat sich eine Gedenkkultur entwickelt und verfestigt,
die vor allem durch die Initiative von Einzelpersonen und Vereinen
getragen wird. Von verschiedenen Motivationen getragen und unterschiedlichen
politischen Spektren entstammend ist jedoch allen der Bezug auf
das den Deutschen »widerfahrene Leid« gemein. Dieser
gemeinsame Blickwinkel auf die Erinnerung - das German Gedächtnis
- ist es auch, der den DresdnerInnen und den Deutschen im Allgemeinen
Identität stiftet. Verbunden durch das »tragische Moment«
wird kulturell und politisch immer wieder Bezug auf den 13. Februar
genommen. Und so finden auch in diesem Jahr verschiedenste Veranstaltungen
und Aktionen unterschiedlichster Gruppierungen statt - von den
Nationalsozialisten bis hin zu linksliberalen Kreisen. Am frühen
Morgen eröffnet die offizielle Kranzniederlegung an der Gedenkstätte
auf dem Heidefriedhof der Stadt Dresden den Trauermarathon. Hierbei
nahmen verständlicherweise in den letzten Jahren auch immer
Neonazis teil, die nach den offiziellen VertreterInnen der Stadt,
des Landes, des Bundes und wahlweise geladenen Gästen ihre
Kränze niederlegten. Im Jahre 2005 werden sie daran zum ersten
Mal offiziell teilnehmen dürfen. Während in den letzten
Jahren allenfalls der Schein einer Abgrenzung zu den Nazis gewahrt
wurde, wird ihnen dieses Mal eine offizielle Teilnahme nicht verwehrt
bleiben, da sie aufgrund ihrer Stadtrats- und Landtagsmandate
nicht ausgeschlossen werden dürfen.
Den bürgerlichen Trauermob wird auch in diesem Jahr ein überregionaler
Großaufmarsch der Nazis flankieren, bei dem wie 2004 etwa
2000 TeilnehmerInnen zu erwarten sind.
Störenfriede
Für eine radikale Linke gibt es
am 13. Februar einiges zu tun. Das nationale Erinnerungskollektiv
beschränkt sich eben nicht nur auf ein paar durchgeknallte
»Opa war kein Verbrecher«-Nazis, es schöpft die
Kraft seiner Definitionsmacht - über das wie und was erinnert
wird - aus Museen, Gedenkstätten und Erinnerungsstiftungen
genauso wie aus publizistischen Debatten im Feuilleton, popkulturellem
Diskurs und belletristischer Oral History.
Die richtige Erkenntnis, dass sich das aktuelle German Gedächtnis
durchaus durch Schuldanerkennung, eingeschränkter Haftung
und moralischer Verbindlichkeit auszeichnet - sich die deutsche
Nachkriegsgesellschaft also auf den »Lehren der Vergangenheit«
gründet -, darf nicht dazu verleiten, eine primär positive
Entwicklung zuzugestehen. Im Gegenteil. In Verbindung mit den
Mechanismen der Universalisierung und den Abdrängen der Schuldfrage
in allgemeine und abstrakte Instanzen - dem Gerede um Versöhnung,
seelischer Wiedergutmachung und der Ächtung von Gewalt an
sich - hat etwas viel Dramatischeres stattgefunden, etwas was
selbst tausend pöbelnde Nazis nicht hinbekommen hätten:
Die wiederholte Enteignung der Opfer. Stahl das deutsche Kollektiv
im Zuge der Ermordung von Millionen Menschen seit 1933 das Hab
und Gut seiner Opfer und »arisierte« jüdische
Besitztümer, so enteignet man heute die Geschichte der Opfer.
Jüdische Opfererzählungen werden übertönt
und durch die eigenen Schrec
kensgeschichten gleichgestellt. Die »Krematorien von Dresden«
und die »vollgepferchten Güterwagons« mit Volksdeutschen
sind dabei die infamsten Beispiele - in der Regel geschieht dies
subtiler und uneindeutiger. Es ist deshalb für uns wichtig
die öffentlich Inbesitznahme der Erinnerung an Shoa und Nationalsozialismus
durch ein liberal verbrämtes deutsches Kollektiv zu verhindern.
Die Fragmentierung der Geschichte, in der sich die Deutschen selbst
mit einem Holocaust-Mahnmal wohlfühlen können, ist unerträglich.
Die interkulturelle Praxis des Gedenkens, die Auschwitz und Dresden
nebeneinander formuliert und in der alle gesellschaftlichen und
historischen Bedingungen der »Tat« verschwinden, gilt
es zu kritisieren und anzugreifen. Dies anzugehen muss primäres
Ziel am 13. Februar sein.
Deutsche Täter sind keine
Opfer!
Wenn Deutschland, dann Dresden.
13.Februar Vorbereitungsgruppe
Dresden, Gruppe Sabotage Dresden, AFBL Leipzig, bgr Leipzig, Antifa
Leipzig, AfA Halle, AG Gender Killer Berlin, graffiti hates germany
(ghg-crew) Berlin, Antifaschistische Aktion Gera [AAG], aaffo
- Frankfurt/Oder, AFA13 Pirna, Bad Weather Antifa Hamburg, Comité
Rosè Bremen, Bündnis gegen Antisemitismus und Antizionismus
(BgAA) Berlin, Junge Linke/Jugendantifa Lippstadt, -a|r|t|e- Pirna,
anti deutsche nürnberger antifa (a.n.n.a.), Vorbereitungsbündnis
für die Mobilisierungsdemo am 30.Januar in Berlin (Antifaschistischer
Aufstand Köpenick, Antifa Friedrichshain und Antifa Hohenschönhausen)