Frauen in der DDR: Gleiche Rechte – doppelte Pflichten?

Wie gleichgestellt oder sogar emanzipiert Frauen in der DDR waren, ist nicht einfach zu beantworten. Es scheint, jedes Argument provoziert ein „ja, aber andererseits“ woraufhin ein „und dennoch“ folgen kann. Mit der Diskussion der offiziellen Frauenpolitik, von Geschlechterbildern und von Frauengruppen in der DDR machen wir ein Spannungsfeld auf, in dem wir eine Antwort auf die Frage suchen(1).
Wenn über Gleichstellung in der DDR gesprochen wird, ist das Hauptargument die hohe – und selbstverständliche – Berufstätigkeit von Frauen. Tatsächlich war die geforderte Norm die der lohnarbeitenden Mutter, zum einen weil es einen beständigen Mangel an Arbeitskräften gab (insbesondere nach der Ausreisewelle bis zum Anfang der 60er Jahre), zum anderen aber auch, weil dies dem sozialistischen Ideal entsprach. Die Frauenfrage wurde als Teil der Klassenfrage angesehen, was ihr ein gewisses Maß an Wichtigkeit zusprach, die Diskussion des Geschlechterverhältnisses aber auch verkomplizierte, denn Kritik an der Situation von Frauen wurde als direkter Angriff auf das sozialistische System gewertet.
Die Fokussierung auf die Erwerbssituation bei der Gleichstellung erklärt sich aus dem sozialistischen Selbstverständnis, eine gleichberechtigte Erwerbssituation von Frauen sollte quasi automatisch zu einer Befreiung von Frauen in allen anderen Bereichen führen.
In dem DDR-Standardwerk Die Frau in der Deutschen Demokratischen Republik heißt es: „Erst die schöpferische, gesellschaftlich nützliche Arbeit in einer von Ausbeutung freien Gesellschaft, die damit einhergehende soziale und ökonomische Unabhängigkeit, die Verbindung einer sinnvollen beruflichen Tätigkeit mit der Mutterschaft geben der Frau die Möglichkeit, 'dem Mann als wahrhaft Freie und Gleiche' gegenüberzutreten, zur 'Herrin ihrer Geschicke' zu werden, wie August Bebel es vorausgesehen hatte.“ Ein klassischer Gedanke sozialistischer Theorie, den auch Clara Zetkin (zusammen mit August Bebel die theoretische Referenz für die DDR-Frauenpolitik) vertrat (2). Diese Idee hält sich bis heute in Teilen linken Denkens – man denke nur an Diskussionen, in denen patriarchale Verhältnisse als Nebenwiderspruch deklariert werden, die nach einer linken Revolution (hier: der Abschaffung des Hauptwiderspruchs Lohnarbeit – Kapital) von alleine aufhören würden zu existieren.

Ab sofort gleichgestellt
Da habe ich gerade durchs Fernsehen vernommen, welche Eigenschaften für uns Frauen typisch sein sollen, das haben westliche Wissenschaftler entdeckt: Passivität, Abhängigkeit, Konformismus, Nervosität, Narzißmus, Gehorsam. Ich bin also ein Mann, dem nur das Stückchen Schwanz fehlt. Oder ich lebe in einer anderen Welt, in der man sich schon andere Charaktereigenschaften zulegen darf.
Rosi S., 34, Sekretärin, verheiratet, ein Kind (3)

Die Arbeitssituation von Frauen und gesellschaftliche Ideologie stehen, auch in der DDR, in einem direkten Zusammenhang. Deshalb kann man das Geschlechterverhältnis weder ohne die Staatsdoktrin diskutieren, noch lässt es sich ohne Weiteres mit dem in westlichen Gesellschaften vergleichen. Und dennoch.
Wesentliche Forderungen der westlichen Frauenbewegungen in den 70er Jahren waren in der DDR auf juristischer Ebene zu weiten Teilen bereits in den 60ern erfüllt.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit war verfassungsmäßig seit 1949 garantiert, das bedeutete aber nicht, dass Frauen real den gleichen Lohn erhielten. Auch in der DDR waren klassische Frauenberufe sowohl bei Frauen beliebt als auch schlecht bezahlt. Über unterschiedliche Einkommen wurde in der DDR öffentlich nicht diskutiert, aber das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern lag Ende der 80er Jahre bei etwa 16 %, in stark männlich dominierten Bereichen wie dem Maschinenbau bei 21 % (4). Es gab also in der DDR entgegen den offiziellen Verlautbarungen ein Lohngefälle, jedoch sind die heutigen durchschnittlichen Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern größer, als sie es zum Ende der DDR waren (5).
Nicht nur gleicher Lohn für gleiche Arbeit wurde in der Verfassung festgeschrieben, sondern zusätzlich hieß es bereits seit 1949 neben dem klassischen Gleichberechtigungsartikel: „Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frauen entgegenstehen, sind aufgehoben" (6). Die Gleichberechtigung im Sinne einer juristische Gleichbehandlung von Frauen und Männer war somit beschlossene Sache und keine Ideal- oder Zielvorstellung. Nach klassischer DDR-Manier existierte ab sofort nicht mehr, was es nicht geben sollte. Was genau unter Gleichberechtigung zu verstehen sei, ist hier allerdings nicht definiert worden.
Neben diesen klassischen feministischen Forderungen, Gleichberechtigung und gleicher Lohn, waren auch andere in der DDR weitgehend erfüllt, beispielsweise wurde gerechter Zugang der Geschlechter zu Arbeit und Bildung ermöglicht (7).
Auffallend ist die Staatsposition zu Verhütung und Abbruch von Schwangerschaften. Trotz des ständigen Mangels an Arbeitskräften und dem Streben nach der Familiennorm mit zwei bis drei Kindern war die Pille ab 1965 verfügbar. Im gleichen Jahr wurde die Erleichterung des Schwangerschaftsabbruchs beschlossen. 1972 wurde dieser mit dem „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ (8) für die ersten drei Schwangerschaftsmonate vollständig legalisiert und die Pille für alle versicherten Frauen ab 16 Jahren frei gegeben. Beides war in der DDR kostenlos. Diese liberale Regelung war unter anderem eine Reaktion auf die westliche Frauenbewegung, einen ähnlichen Skandal wie die „Wir haben abgetrieben“ Kampagne von 1971 wollte die DDR-Führung unbedingt verhindern. Zugleich konnte, im Jargon des Kalten Krieges, die historische Überlegenheit des Sozialismus demonstriert werden.
Die weitgehende Gleichberechtigung führte allerdings nicht zu einer gesellschaftlichen Gleichstellung von Frauen und Männern (von einer Aufhebung von Geschlechtern an sich gar nicht zu reden). Patriarchale, heteronormative Strukturen (9) und ein tendenzielles Ungleichgewicht zu Ungunsten von Frauen lässt sich auch in der DDR in allen Lebensbereichen konstatieren. Klassische Rollenvorstellungen und –muster werden zwar angekratzt aber weder aufgehoben noch grundsätzlich in Frage gestellt.

Recht auf Arbeit...
Ich habe viele Ideen, vielleicht ein Kernkraftwerk, das ist was Neues und hat Zukunft. In einer Kleinstadt kann man sich nicht so entfalten. Da muß man schon ein Mann sein, um was vom Leben zu haben.
Susanne T., 16, Schülerin

Wie bereits beschrieben war der Emanzipationsbegriff in der DDR stark bzw. ausschließlich an die Einbindung von Frauen in die Arbeitswelt gekoppelt. Es entstanden Förderprogramme für die berufliche Weiterbildung und Qualifikation von Frauen, der Zugang zu typischen „Männerberufen“ wurde unterstützt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sollte durch sozialpolitische Maßnahmen gewährleistet werden. In diesem Sinne konnte Erich Honecker 1971 mit gutem Gewissen verkünden, die Frauenfrage sei gelöst. Über 90 % aller Frauen hatten entweder einen eigenen Beruf oder waren in der Ausbildung und hatten ein eigenes Einkommen.
Die Fördermaßnahmen galten indes fast nur in den Bereichen von Ausbildung und Produktion. In leitenden Positionen blieben Frauen weiterhin unterrepräsentiert, bezeichnenderweise gab es auch im Politbüro der SED nie eine Frau. Die Lohnarbeit mit Haus-, Familien- und Erziehungsarbeit zu verbinden, blieb ebenfalls weiterhin Aufgabe der Frauen. Nach der Arbeit im Betrieb folgte nun zu Hause die „2. Schicht“, die im Durchschnitt 38,4 Wochenstunden betrug (10). Staatlicherseits wurde versucht, die Frauen in diesem Bereich zu entlasten. Große Teile des Reproduktionsbereiches wurden kollektiviert und subventioniert, es wurde in Kinderkrippen- und Kindergartenplätze investiert, ein stark subventionierter Dienstleistungssektor entwickelte sich, und eine Reihe anderer sozialpolitischer Vergünstigungen für Mütter (Mütterberatung, Mütterjahr, Haushaltstage) wurden umgesetzt.
Der „Befreiung vom Joch der Hausarbeit“ (11) lagen in der DDR ambivalente Motive zugrunde. Neben dem tatsächlichen Gleichberechtigungsgedanken gab es eine schlichte bevölkerungspolitische Notwendigkeit, zum anderen behielt sich der Staat so auch einen Einfluss auf die Sozialisation der Menschen von frühester Kindheit an vor. Und alle sozialpolitischen Maßnahmen gingen weiterhin von traditionellen Geschlechterbildern aus, es gab keinerlei Bestrebungen, Männer in Frauenberufe zu integrieren oder sie den Familienpflichten näher zu bringen (12).

...ist Pflicht zur Arbeit.
Was heißt Überlegenheit? Ich führe ja nicht gerade ein feines Leben durch meine sogenannte Überlegenheit. Ich bade doch alles alleine aus, Elternbeirat, Gewerkschaft, betreue die Alten im Haus, erledige die Wege zu den Ämtern. Es ist nicht die Arbeit, die einen schafft, es ist die Verantwortung , die man alleine tragen muß.
Rosi S., 34, Sekretärin, verheiratet, ein Kind

Frauen wie Männer konnten und mussten in der DDR einer Lohnarbeit nachgehen. Sowohl moralische (dein täglicher Beitrag zum Sozialismus), ökonomische (die Höhe der Löhne ließ das „einE-ErnährerIn-Familienmodell“ kaum zu), als auch rechtliche Bedingungen verpflichteten jedeN EinzelneN zur Vollzeitarbeit. In der Verfassung heißt es: „Das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit bilden eine Einheit“, Arbeitslosigkeit gab es nicht, wer nicht arbeiten wollte, galt als „asozial“ und war subtilen oder unverhohlenen Repressionen ausgesetzt. So wurde jeder Bürgerin ein Arbeitsplatz gleichermaßen garantiert und aufgezwungen.
Dennoch war die berufliche Arbeit ein wichtiger Bestandteil der Selbstdefinition und des Selbstbewusstseins von Frauen in der DDR. Arbeiten zu gehen bedeutete Gemeinschaft in Kollektiven, soziale Integration und Anerkennung durch Arbeitsleistung und relative ökonomische Unabhängigkeit. Und damit änderte sich auch das Rollenverständnis bis zu einem gewissen Grad.
Aber eben nur bis zu einem gewissen Grad, die staatliche und gesellschaftliche Norm war immer noch „Heiraten und Kinderkriegen“, auch wenn Scheidungen unkompliziert waren und alleinstehende Mütter staatliche Unterhaltszahlungen erhielten. Für Ehepaare gab es umfangreiche Unterstützungen, z.B. bekamen sie leichter eine Wohnung und ihnen stand ein Ehekredit zu, der „abgekindert“ werden konnte.
Ein unabhängiges Leben ohne Mann war für Frauen in der DDR nicht vorgesehen. Und dennoch möglich.

Frauengruppen in der DDR
Ich möchte es ja auch nicht so wie gewisse Frauenrechtlerinnen machen, die wie die Wilden schießen, weil man es ihnen erlaubt hat; die über ihre Männer schimpfen, weil sie ihnen den Abwasch nicht abnehmen oder die Scheißwindeln von den Kindern. Sie rennen Amok, die kommen nie zu einer Verständigung mit ihrem Mann.
Rosi S., 34, Sekretärin, verheiratet, ein Kind

Die Gleichberechtigung wurde in der DDR alleinig durch die Regierung umgesetzt, eine gesellschaftliche Auseinandersetzung über den tatsächlichen Stand der Emanzipation wurde als Kritik am System gewertet und deshalb nicht geduldet. Die DDR-Diktatur erlaubte keine nichtstaatlichen Frauengruppen und westliche feministische Literatur war nur schwer zugänglich. Nicht einmal eine kritische Diskussion über Erziehungsmethoden und Inhalte ließ die Regierung zu. Ab Mitte der 60er gab es zwar vereinzelt soziologische Frauenforschung, jedoch wurden die kritischen Ergebnisse nicht veröffentlicht (13). Somit konnte es keine gesellschaftlichen Auseinandersetzungen über die geschlechtlichen Zuschreibungen und Rollen geben.
Alleine die evangelische Kirche bot einen halböffentlichen Raum, in dem sich Gruppen treffen konnten und gesellschaftskritisches Denken offen und unzensiert möglich war. Hier begannen sich seit Ende der 70er Jahre oppositionelle Gruppen zu gründen, darunter befanden sich auch Frauengruppen, die anfänglich hauptsächlich die Rolle der Frau in der Kirche kritisierten. Feministische Theologie wurde ein Schwerpunktthema der DDR-Frauengruppen. Ab Anfang der 80er Jahre bildeten sich immer mehr nichtkonfessionelle Frauengruppen, welche die Kirche lediglich als oppositionellen Raum nutzten. Unter ihnen waren die Gruppen „Frauen für den Frieden“, die sich in mehreren ostdeutschen Städten mit Friedensthemen beschäftigten. Als 1985 das neue Wehrdienstgesetz beschlossen war, welches die Einbeziehung von Frauen in den aktiven Wehrdienst im Verteidigungsfall vorsah, gab es erstmals öffentlichen Protest von den „Frauen für den Frieden“ Berlin, der durch Verhaftungen unterbunden wurde.
Mit den Friedensfrauen entstanden weitere Gruppen in vielen ostdeutschen Städten, die – auch durch die neue westdeutsche Frauenbewegung inspiriert – die staatliche Frauenpolitik kritisch hinterfragten. Mitglieder dieser feministischen und lesbischen Gruppen setzten sich aktiv mit der Rolle der Frau in der DDR-Gesellschaft und dem dort vertretenen Gleichberechtigungsverständnis auseinander. Sie kritisierten die Doppelbelastung, ungleiche Bezahlung und insgesamt die androzentrische Gesellschaft. Weitere Themen waren Erziehung, Menschenrechte und Gewalt gegen Frauen. Lesbische Frauen kritisierten die Diskriminierung von Homosexuellen und schlossen sich zu Gruppen zusammen (14).
Die Aktionsformen der Frauengruppen waren durch das politische System stark eingeschränkt, so blieben ihnen beispielweise nur die Möglichkeit von Eingaben- und Unterschriftenaktionen und Gottesdiensten (15). Möglichkeiten der Vernetzung bot der Rahmen der Kirche durch Kirchentage, Frauentreffen und kleine selbst veröffentlichte Zeitschriften („Lila Band“, „Das Netz“ (ab 1988) und „frau anders“ (ab 1989)).
Die Mitgliedschaft in den oppositionellen Frauengruppen bedeutete immer ein Ausgesetztsein von Repressionen. In jeder Gruppe war mindestens ein inoffizielles Mitglied der Stasi. Die Auswirkungen gingen von Ermahnungen durch den Vorgesetzten, über die Verwehrung von Ausbildungs- und Studienplätzen bis zu Verhaftungen (16).
Insgesamt kann man sagen, dass diese kleinen, privaten Gruppen nur eine geringe Wirkung auf die Bevölkerung entfalteten. Zahlen zu den in Frauengruppen engagierten Frauen sind schwer zu schätzen. Es sollen in den 80er Jahren insgesamt 100 Frauengruppen entstanden sein. Anwesende bei überregionalen Frauentreffen waren 1984 60, 1989 waren es schon 300 Frauen (17).
In der Öffentlichkeit war es am ehesten noch KünstlerInnen und MusikerInnen möglich, eine Kritik an Rollenzuweisungen zu formulieren. Doch auch hier wurden Darstellungen zensiert, die nicht dem sozialistischen Frauenbild entsprachen, Spielfilme mit progressiven Frauenrollen wurden verboten oder konnten gar nicht erst realisiert werden (18), es wurden Berufsverbote erteilt und oft blieb den AkteurInnen nur der Spielraum der Untergrund-Kultur. So entstand 1984 in Erfurt die (dezidiert feministische) Künstlerinnengruppe Exterra XX (19). Die Künstlerinnen experimentierten mit Performance, Tanz, Musik, und Super-8-Film und entwickelten daraus eine künstlerische Praxis, die als Gegenentwurf zur Staatskunstdoktrin des sozialistischen Realismus stand (20).
Die wohl wesentlichste Rolle in der Vermittlung feministischer Inhalte kam den SchriftstellerInnen zu (21). Sie thematisieren in ihren Texten sowohl praktische Probleme von Frauen im alltäglichen Leben als auch theoretische Fragen zu Geschlechterdifferenz und Rollenbildern. Um ihre Texte durch die Zensur zu bekommen, konnten die AutorInnen ihre Anliegen oft nur in verhüllter oder indirekter Form verarbeiten. Daraus entwickelte sich zwischen AutorInnen und LeserInnen ein komplexes und eigenwilliges Codier- und Decodierverfahren der Texte.
Erst in der Wendezeit entstand die Möglichkeit sich zu organisieren und die Frauengruppen gründeten Frauenbibliotheken, -kulturzentren und Frauenhäuser. Die Zahl der Gruppen nahm 1989 stark zu. Im Dezember 1989 gründeten neue und alte Frauengruppen, Wissenschaftlerinnen und auch SED Frauen die Partei: „Unabhängige Frauenverband“ (UFV), deren Ziel die Interessenvertretung von Frauen am „Zentralen Runden Tisch“ (22) war. Innerhalb kurzer Zeit hatte sich dieses Ziel erfüllt und sogar eine Ministerin wurde in die Modrow-Regierung gesandt. Bei den ersten freien Volkskammerwahlen der DDR trat der UFV gemeinsam mit den GRÜNEN an, erhielt aber kein Mandat (23) .

ENDE NEU?
Aber ich weiß nicht, was das ist, eine emanzipierte Frau. (...) Vielleicht ist das Emanzipation, daß Dinge, die früher zu Katastrophen geführt haben, heute kein Problem mehr sind. Daß eine Frau sagen kann: Wenn du nicht mitmachst, dann mach ich es alleine. Obwohl das nicht einfach ist.
Erika D., 41, Dramaturgie- Assistentin, geschieden, zwei Kinder

Wie ist das Geschlechterverhältnis in der DDR aus feministischer Sicht also einzuordnen? Von Emanzipation, einer Befreiung aus Abhängigkeiten und von Hierarchien, lässt sich schwer sprechen innerhalb eines gesellschaftlichen Systems, das Kritik bestraft und unterdrückt, in dem Rechte ge- und verwehrt werden, mit Zwang verbunden sind, und nur von Angepassten in Anspruch genommen werden können.
Und dennoch. Es lassen sich Aussagen über die Gleichstellung von Frauen und Männern treffen. Die fünfziger Jahre in der DDR bedeuteten für Frauen nicht die »drei K« wie im Westen, sondern den Sozialismus in wirtschaftlich relevanten Zweigen (z.B. Bau, Elektroindustrie, Maschinenbau) aufzubauen. Ja, aber. Gesellschaftliche Teilhabe definierte sich über Teilnahme am Arbeitsmarkt – das garantierte Frauen wie Männern zwar Lohnarbeit, aber dem Staat Zugriff und Regulation. Frauen wurden lediglich als lohnarbeitende Mütter gedacht, die kinderlose, alleinstehende Frau kam in der staatlichen Ideologie nicht oder kaum vor. Das führte zu einer Politik, die alternative Lebensmodelle nicht vorsah, aber tatsächlich Kinder und Arbeit miteinander vereinbaren ließ. Andererseits wurde die Verantwortung von Frauen für reproduktive Arbeiten nicht in Frage gestellt. Hausarbeit, die nicht kollektiviert war, war Aufgabe der (Ehe-)Frau. Geschlechtliche Zuschreibungen und ungleiche Gehaltsverhältnisse existierten auch in der DDR. Ähnlich wie im Westen hatten Frauen ein subjektives Gleichheitsverständnis, das einer objektiven Analyse kaum standhält. Und dennoch. Das weit verbreitete Gleichheitsverständnis wirkte sich auch auf die Beziehungen zwischen Männern und Frauen aus. Das hohe Ansehen der Lohnarbeit im Sozialismus führte zu einer »Werterfahrung« von Frauen, einem Selbstbewusstsein, das über den Arbeitsplatz hinausreichte. Und dennoch kaum dazuführte, dass Frauen mehr Rechte in anderen gesellschaftlichen Bereichen forderten. Man kann also von einer arbeitsorientierten, staatlich erwünschten Emanzipation sprechen ohne explizite Kritik des Patriarchats (24). Das sozialistische Ideal der gemeinsam kämpfenden Geschlechter existierte alleinig an der Arbeitsfront. Trotz einiger im frauenpolitischen Sinne fortschrittlicher Ansätze, die die rückschrittlichen jedoch nicht vergessen machen, kann man in der DDR von einem sozialistischen Patriarchat sprechen.
Mit dem Ende der DDR brach dann das sozialistische Adjektiv weg.


1.) Wir werden im Folgenden beinahe ausschließlich von der Situation von Frauen in der DDR sprechen, dabei bleiben andere repressive Elemente des Staates und der Gesellschaft zum Teil unbeleuchtet.
2.) Nun wurde die DDR sicherlich weder Bebel, noch Zetkin gerecht, aber in den Diskussionen um die Frauenfrage sind beide wichtige Bezugspunkte gewesen.
3.) Alle Zitate aus: Wander, Maxie: “Guten Morgen, du Schöne” Frauen in der DDR: Protokolle. Darmstadt & Neuwied 1978.
4.) Stephan, Helga/Wiedemann, Eberhard: Lohnstruktur und Lohndifferenzierung in der DDR. In: IAB Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung 4/1990, 556f. (http://doku.iab.de/mittab/1990/1990_4_MittAB_Stephan_Wiedemann.pdf)
5.) Aktuell bei etwa 22 %. Im Vergleichszeitraum lag der durchschnittliche Abstand der Verdienste in der Bundesrepublik bei 30 %, war also etwa doppelt so hoch. Gender Datenreport des BMFSFJ: http://www.bmfsfj.de/Publikationen/genderreport/3-Erwerbseinkommen-von-frauen-und-maennern/3-3-entwicklung-und-verteilung-der-erwerbseinkommen-in-deutschland,seite=2.html.
6.) Art. 7.2. DDR Verfassung.
7.) Deutlich wird der quantitative Erfolg dieser Bestrebungen beispielsweise anhand der Studierendenzahlen: Ähnlich wie in der BRD waren in der DDR Mitte der 60er Jahre nur ein Viertel der Studierenden Frauen. Bereits bis Mitte der 70er hatte sich ihr Anteil auf 48 % erhöht. Während der 80er blieb er konstant bei 50 %, in der BRD lag er in den 80ern bei etwa 38 %. BMBF: Frauen im Studium. Langzeitstudie 1983 – 2004.Bonn, Berlin 2005. http://www.bmbf.de/pub/frauen_im_studium_1983-2004.pdf. Eine kritische Einordnung der Situation von Studentinnen: Mertens, Lothar: Studentinnen in der DDR. Erst gefördert – dann vom Staat vernachlässigt. In: Hochschule Ost 1996, H.3, S. 102–113.
8.) Bei der Abstimmung in der Volkskammer gab es erstmalig Gegenstimmen bei der Verabschiedung eines Gesetzes.
9.) Zur Erklärung der beiden Begriffe siehe auch unser Text: Im Verhältnis. Eine Begriffsdiskussion zu heteronormativer Matrix und Patriarchat. In: Phase2.32, S.12–15.
10.) Schröter, Ursula/Ullrich, Renate: Patriarchat im Sozialismus? Nachträgliche Entdeckungen in Forschungsergebnissen aus der DDR. Berlin 2004, S. 77.
11.) Lenin, W.I.: Werke. Bd 32, S. 309.
12.) 1988 meinten 81 % der Männer und 90 % der Frauen dass für das Zubereiten der Mahlzeiten die Frauen zuständig sind. Die Wohnung putzen ist stets oder überwiegend Sache der Frauen, sagten 78 % der Männer und 84 % der Frauen. (Schröter, Ursula/Ullrich, Renate: Patriarchat im Sozialismus? Nachträgliche Entdeckungen in Forschungsergebnissen aus der DDR. Berlin 2004.)
13.) Im Jahr 1964 beschloss der Ministerrat der DDR, ein – interdisziplinär angelegtes – wissenschaftliches Gremium zur Analyse der Lage der Frauen in der DDR zu gründen.
14.) Kenawi, Samirah: Frauengruppen in der DDR der 80er Jahre. Eine Dokumentation. Berlin 1995.
15.) Miethe, Ingrid: Frauenbewegung in Ostdeutschland - Angekommen in gesamtdeutschen Verhältnissen? In:
Beiträge zur feministischen Theorie & Praxis, Nr.54, Berlin 2000.
16.) Kenawi, Samirah: Frauengruppen in der DDR der 80er Jahre. Eine Dokumentation. Berlin 1995.
17.) Kenawi, Samirah: Frauengruppen in der DDR der 80er Jahre. Eine Dokumentation. Berlin 1995.
18.) z.B. „Karla“, Regie: Herrmann Zschoche; „Das Kaninchen bin ich“, Regie: Kurt Maetzig, beide von 1965.
19.) Gründerinnen: Monika Andres, Monique Förster, Gabriele Göbel, Ina Heyner, Verena Kyselka, Ingrid Plöttner, Gabriele Stötzer, Harriet Wollert.
20.) Ausstellung "und jetzt", 26.11. bis 20.12 2009 im Künstlerhaus Bethanien, Arbeiten von Künstlerinnen der autonomen Kunstszene in der DDR.
21.) z.B. Irmtraud Morgner, Brigitte Reimann, Monika Maron, Maxie Wander, Hedda Zinner, Christa Wolf, Sarah Kirsch, Helga Schubert, Helga Königsdorf, Elke Erb.
22.) Dabei handelte es sich um ein zwischen Dezember 1989 und März 1990 tagendes Gremium von Regierungs- und OppositionsvertreterInnen, die beratend auf die derzeitige Modrow-Regierung Einfluss nahm und u.a. an der Vorbereitung einer neuen Verfassung und der ersten freien Wahlen beteiligt war. Er wollte explizit keine parlamentarischen Funktionen übernehmen, sondern verstand sich als Bestandteil der öffentlichen Kontrolle.
23.) Hampele Ulrich, Anne: Der Unabhängige Frauenverband. Ein frauenpolitisches Experiment im deutschen Vereinigungsprozess. Berlin 2000.
24.) Schenk, Christina; Schindler, Christiane: Frauenbewegung in Ostdeutschland - Innenansichten, in: Meleck-Lewy, Eva; Penrose, Virginia: Gefährtinnen der Macht. Politische Partizipation von Frauen im vereinigten Deutschland. Eine Zwischenbilanz. Berlin, 1995.

AFBL Antifaschistischer Frauenblock Leipzig, Oktober 2009

 

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