Der Antifaschistische Frauenblock
Leipzig (AFBL) lädt zur Disko anlässlich der Erfüllung des 5-Jahresplanes.
Expect NINE, Selecta Snize and others
Wie alles anfing, lässt sich nicht mehr so genau
sagen. Es war auch nicht einfach da: soviel steht fest.
Aber es gibt da so einige Geschichten, die immer wieder gerne erzählt
werden. Eine davon gebe ich mal zum besten, denn folgendes soll sich
zugetragen haben:
Auf einem der großen Bündnistreffen zum 1. Mai 1997 des Bündnis gegen
Rechts (BgR) soll eine Frau sinngemäß gesagt haben: „und wenn
klar wäre, dass sich auf einer Demonstration die Männer schützend
vor die Frauen stellen würden, dann würden sich auch mehr Frauen auf
Demonstrationen bewegen“. Dieser Ausspruch wurde nicht nur größtenteils
ignoriert. In einer Ecke wurde kräftig gelacht und Späßchen über dieses
seltsame Frauenbild gemacht: als kurze Zeit später die obligatorische
Anwesenheitsliste die Runde machte, wurde aus dem Gelächter ein Name:
Antifaschistischer Frauenblock Leipzig (soviel vielleicht zu der ersten
urkundlichen Erwähnung), kurz AFBL.
So oder ähnlich kann der Anfang erzählt werden, andere Gründungsmythen
sind und bleiben natürlich erlaubt.
Festzuhalten bleibt aber: ein Spaß zu Anfang, aus dem sich nicht zwangsläufig
ein Projekt mit mittlerweile fünfjähriger Existenz hätte entwickeln
müssen.
Dass es dies doch wurde, hat im Nachhinein besehen mehrere Ursachen.
Einige sollen im folgenden beschrieben werden:
Die ersten gemeinsamen Aktionen des noch losen Gefüges AFBL hatten
vielfältige Folgen: einer der wichtigsten (und auch einfachsten!)
ist die Entdeckung, dass es etwas anderes ist, ausschließlich mit
Frauen Aktionen zu planen und auszuführen: der gemeinsame Spaßfaktor
ist ein anderer, ebenso die Erfahrung, dass die Rolle der Schweigenden
und Zurückhaltendenden nicht mehr ausreicht, sondern selbst Initiative
ergriffen werden muss und wird. Und dies in Bereichen, in denen bislang
maßgeblich das andere Geschlecht vorherrschend war.
Natürlich ergibt sich dabei eine Eigendynamik: die gemeinsame Zeit,
die verbracht wird, die Diskussionen, die daraus entstehen, bilden
in kurzer Zeit das heraus, was sich gemeinhin eine Gruppe nennt.
Eine weitere entscheidende Konsequenz aus der sichtbar werdenden Gruppe
waren die auftretenden Reaktionen des bisherigen Antifa-Umfeldes.
Im Blick zurück kann wohl behauptet werden, dass sich hier etwas wiederholte,
was wohl jeder Gruppierung, die erst einmal ‘nur’ –
so undifferenziert der Begriff auch immer sein mag – Frauen
in ihrem Umfeld haben möchte, passiert. Zutage trat zuerst das Unverständnis,
dann der Spott, doch stellten sich ziemlich schnell die ersten wütendenden
und diffamierenden Reaktionen ein. Dies bereits zu einem Zeitpunkt,
an dem bei weitem noch nicht die herrschende Mackerstruktur innerhalb
der Antifa- und Antina-Strukturen als Grund für die ‘neue’
Gruppenbildung formuliert wurde.
Doch trat durch die Erfahrung der Selbständigkeit und die daraus entstehenden
Angriffe die bis dato wenig wahrgenommene Hierarchie zwischen den
Geschlechtern in schärferen Konturen deutlicher zu Tage.
Während Aktionen war die Anwesenheit des weiblichen Geschlechts weniger
wert, auf Diskussionsbeiträge wurde nicht reagiert... dieses mal aber
nicht einer einzelnen gegenüber, sondern einer, die ihre Erfahrung
gemeinsam mit anderen in der Gruppe bespricht.
Die offenen Debatten als Reaktion auf den entstandenen AFBL, die seltenst
auf den Plena, sondern eher an Kneipentischen und in den Freundschaftszusammenhängen
stattfanden, ließen sehr schnell eine Richtung erkennen, deren Auswirkung
auch ziemlich bald zu merken war. Die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses
von Frauen für Frauen und die daraus entstehende Infrastruktur wurden
von Anfang an nicht anerkannt, und die Reaktionsmuster, die darauf
folgten, waren je nach hervorbringender Person oder Gruppe tiefstes
reaktionäres Gebräu: der Vorwurf langte bis hin zum bewussten Spaltungswillen
der agierenden Frauen. Als Beispiel wurden die sogenannten sozialen
Bewegungen der 70er und 80er gebracht. Ein urschleimiger Antifeminismus
kam in der offensten Form: wenn sich Frauen zusammenschließen, hat
dies auf keinen Fall den Grund der bisherigen Struktur und Machtaufteilung,
sondern einzig und allein der niederträchtige Spaltungswille erscheint
als logische Antriebsfeder.
Doch auch anhand weniger dümmlichen Kritiken wurde deutlich, dass
bislang Themen wie patriarchales Denken, sexistisches Verhalten und
stumpfes Mackerdasein innerhalb der (Antifa-) Szene noch nicht einmal
im Ansatz als Problem gesehen wurden.
Die Diskussionen innerhalb des AFBL veränderten sich nach und nach:
das Spannungsfeld zwischen rein aktionistischer Ausrichtung und theoretischer
Grundlage trat offen zu Tage. Dass die verschiedensten Frauen aufeinander
trafen, hatte ihre Wirkung: eine Antifa ist eine Antifa, aber was
ist sie noch, und welche Art des Feminismus liegt eigentlich zugrunde?
Einige Frauen verließen den AFBL. Es war nicht immer möglich, grundsätzliche
Differenzen zum richtigen Zeitpunkt in Diskussion zu bringen. Andere
Frauen kamen hinzu. Der Konflikt um ein zukünftiges Profil aber blieb.
Und genau dies war das Spannende: die permanente Diskussion um die
eigene Ausrichtung.
Auf Grund dessen wurden in den letzten Jahren auch unterschiedliche
Themen bearbeitet. Im folgenden soll an einige Schwerpunkte erinnert
werden.
Während sich die Arbeit des AFBL bisher vorwiegend auf Antifa-Arbeit
und sexistische Strukturen innerhalb der Szene konzentrierte, gab
es zunehmend das Interesse, sich mit anderen politischen Themen zu
beschäftigen.
Da kam der Aufruf zu einer Demonstration gegen den Frauenabschiebeknast
in Neuss wie gerufen. Zum einen hatte sich in der Beschäftigung mit
Nazi-Aktivitäten gezeigt, dass für Flüchtlinge und MigrantInnen staatliche
Strukturen und staatliches Handeln mindestens ebenso diskriminierende,
ja mörderische Konsequenzen hat. Zum anderen spielte die spezifische
Situation von weiblichen Flüchtlingen und Migrantinnen in den meisten
antirassistischen Publikationen und Aktivitäten kaum eine Rolle. Darüber
hinaus wurde innerhalb der Diskussionen klar, dass die Abschiebepraxis
in Neuss in einem damals Rot-Grün regierten Bundesland stattfand;
eine Vorreiterrolle für die zu erwartende neue Bundespolitik. So rief
der AFBL (Ende 1998, Anfang 1999) eine Arbeitsgruppe ins Leben, die
mit zahlreichen Aktivitäten und Veranstaltungen das Thema in Leipzig
in die Diskussionen brachte, schließlich sogar fast zwei Busse für
die Demo füllen konnten.
Auch die Kultur/Bandpolitik des Conne Island stieß bisweilen auf reges
Interesse des AFBL. Ausgelöst durch ein Konzert der Gruppe Lokalmatadore
entbrannte eine heiße Diskussion über sexistische Texte von Bands
und das sexistische Verhalten des dazugehörigen Publikums. Daraus
entstanden weitere Diskussionen über patriarchale Strukturen innerhalb
der Szene und des Conne Island an sich. Als indirekte Folge davon
etablierte sich ein regelmäßiger Fraueneinlass.
Da es sinnvoller ist und auch mehr Spaß macht, nicht nur in einer
kleinen geschlossenen Gruppe linksradikale feministische Politik zu
betreiben, entstand im Frühjahr 2000 der Gedanke, ein Frauenkoordinierungstreffen
ins Leben zu rufen. Erfahrungen wurden ausgetauscht, politische Positionen
diskutiert und gemeinsame Aktionen geplant. Resultat aus diesen Treffen
war z.B., den ersten Block in einer Demonstration zu übernehmen. Ebenso
entstand aus dieser Idee eine Arbeitsgruppe, die sich kritisch mit
dem Text „Infantile Inquisition“ der Zeitschrift Bahamas
auseinandersetzte. Das Ergebnis wurde als Text veröffentlicht und
zusammen mit der Position des AFBL zum Papier „Neue Sachlichkeit“
der AAB auf einer Veranstaltung zur Diskussion gestellt. Die Papiere
der Bahamas und der AAB und die ihnen vorausgegangene Vergewaltigung
hatten bundesweit zu heftigen Auseinandersetzungen geführt und auch
in der Leipziger Szene für Unruhe gesorgt. Auch das AFBL hat in dieser
Zeit viele Nerven gelassen.
‘Produktiver’ war die ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe
von Frauen für Frauen zu Themen wie (Jüdische) Frauen im Widerstand
gegen des Nationalsozialismus, Rechte Frauen, Frauen in der Musik
und andere. Neben dem generellen Zweck der Reihe, Frauen und deren
politisches Potential sichtbar zu machen, wurden Themen wie Frauen
als Täterinnen (z.B. im Nationalsozialismus) und vor allem das alles
andere als homogene Bild des Feminismusbegriffs an die Oberfläche
gebracht. Begriffe wie Gender, Dichotomie der Geschlechter, Differenztheorie
wurden eingehend beleuchtet.
Neben den eigenen Schwerpunktthemen wurde sich als AFBL auch fortwährend
an den Kampagnen der Leipziger Szene beteiligt. Die Mitwirkung am
„Verstärker-Kongress“ Ende ‘99 und die Zusammenarbeit
mit dem BgR für die Demonstration „Save The Resistance –
gegen Überwachungsgesellschaft und Sicherheitswahn“ sind hier
zu nennen.
Die Beschäftigung mit dem ‘sexistischen Normalzustand’
führte Ende 2001 zur Veröffentlichung eines Textes.
Den AFBL als female Empowerment zu betrachten, ist demnach möglich,
inwieweit sich dadurch das Denken und Handeln der im AFBL aktiven
Frauen, aber auch der vielen BeobachterInnen und KritikerInnen verändert
hat, ist eine andere Geschichte. Schön wäre, wenn auch sie irgendwann
erzählt würde.
Einen fetten Glückwunsch, Lady AFBL! Allen Unkenrufen zuwider gibt
es dich! Und das soll gebührend gefeiert werden!!!!!!!!!!
Einige aktuelle & Ex-AFBLerinnen
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