Sexismus - vom Allgemeinen zum Besonderen.
Eine Annäherung
Alles Teil des Systems
Durch Humanismus und Aufklärung, sowie durch die Emanzipationsbewegung,
die Einführung der Menschenrechte und den postmodernen Individualismus
hat sich zwar einiges an der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen
Position von Frauen geändert, das Geschlechterverhältnis
bleibt aber trotz Verschiebungen nach wie vor ein hierarchisches.
Gesellschaftliche Veränderungen haben zu formellen Gleichbehandlungen
z.B. bei Zugangsmöglichkeiten zu Bildung und Politik geführt.
Durch das Wahlrecht bekamen Frauen die Möglichkeit, in der
Sphäre der gesellschaftlichen Öffentlichkeit zu wirken.
So wurden einzelne Forderungen der diversen Frauenbewegungskämpfe
erfüllt, konnten aber in das kapitalistische, patriarchale
System integriert werden. Die patriarchale Gesellschaft existiert
aufgrund von Macht- und Hierarchiestrukturen, die mit der kapitalistischen
Wirtschafts- und Lebensform verflochten sind. Das Patriarchat ist
nicht nur ein Erscheinungsbild des Kapitalismus, aber dieser nutzt
die Geschlechtertrennung. Ein Merkmal des patriarchalen Kapitalismus
ist die Trennung von Produktions- und Reproduktionssphäre.
Diese ist beispielsweise wichtig, um die Arbeit im Reproduktionsbereich
unbezahlt, bzw. nur über die Lohnarbeit des Mannes indirekt
vergütet, zu gewährleisten. In den letzten Jahren haben
immer wieder Verschiebungen innerhalb der traditionellen Geschlechterrollen
stattgefunden. Vermeintlich fortschrittliche Ansätze, die nicht
auf die Abschaffung des Ganzen abzielten und somit nicht radikal
waren, konnten in das flexible System eingebunden werden und waren
begleitet von konservativen Gegen- bzw. Backlash-Bewegungen. Diese
Transformationen führten weder zur Auflösung der Geschlechter
noch zu einer Angleichung an die männliche Norm.
Die geschlechtshierarchischen Machtverhältnisse äußern
sich vielfältig in den verschiedensten Bereichen. Weitgehend
stehen Frauen zum Beispiel inzwischen alle Berufszweige offen, aber
sie sind immer noch die Hauptverantwortlichen für den Reproduktionsbereich,
bei der Karriereplanung hindert sie nach wie vor die vielbeschworene
Doppelbelastung.
Bis heute wird innerhalb dieser Gesellschaft in "typisch männliche"
und "typisch weibliche" Tätigkeiten unterschieden.
Diese Unterteilung stellt gleichzeitig eine Wertung dar, die sich
bis in den Alltag hinein zieht. So sind "typisch männliche"
Tätigkeiten oder Berufe angesehener, sie gelten meist als produktiv,
führend und planend und sind auch heute noch oft besser bezahlt,
als die den Frauen zugeordneten Berufe.
Frauen sind hingegen vermehrt im Dienstleistungssektor oder im sozialen
Bereich tätig. Ihnen wird Einfühlungsvermögen, Fürsorglichkeit
und eine vermittelnde Funktion zugesprochen. Geht man von einer
Hierarchie der Berufsgruppen und gleichzeitig von einer Hierarchie
der Geschlechterrollen aus, folgt daraus, dass eine Frau, welche
in eine "männliche Domäne" vordringt und somit
mehr oder weniger ein Rollenstereotyp durchbricht, mit unterschiedlichen
Problemen zu kämpfen hat. Zum Beispiel einer Hierarchie, in
der Frauen untergeordnet sind, dem Klischee der Unfähigkeit
und dem "natürlich fehlenden Grundwissen" und der
kritischeren Beurteilung ihrer Arbeit.
Oftmals werden ihnen Teile ihrer "Weiblichkeit" abgesprochen.
So wird Frauen in Führungspositionen vorgeworfen, sich männlicher
Handlungsweisen bedient zu haben. Durchsetzungsvermögen, Machtstreben
und dominantes Auftreten werden als männlich kategorisiert.
Die Geschlechteraufteilung wird damit permanent manifestiert und
nicht durchbrochen.
Ergreifen Männer andererseits "typisch weibliche"
Berufe wird ihnen gerne ihre "Männlichkeit" abgesprochen
(z.B. Weichei-Waschlappen-Vorwurf). Gesellschaftlich ist dies eigentlich
ein hierarchischer Abstieg/Machtverlust, aber in den speziellen
Bereichen wird ihre Tätigkeit von den Mitarbeiterinnen als
besonders positiv und lobenswert angesehen. Es werden ihnen eher
Fehler zugestanden, weil sie mit diesem Bereich "nicht vertraut"
sind.
Von anderen Männern hingegen werden sie oft belächelt.
Ähnliche Mechanismen wirken im Freizeitbereich. "Versagt"
zum Beispiel ein Mann - mal ganz platt: kann er nicht Fußball
spielen -, so wird dies mit fehlendem Talent oder individuellem
Nichtkönnen begründet. "Versagen" Frauen hingegen,
so ist dies oft genug die Bestätigung für das Versagen
eines ganzen Geschlechts. Dies äußert sich dann in Sätzen
wie: "Hab ich es doch gewusst - Frauen können so etwas
nicht." oder: "Frauen sind für so etwas einfach nicht
geschaffen". Dass diese Denkweise allerdings auf eine geschlechtsspezifische,
männerzentrierte Sozialisation zurückzuführen ist,
wird dabei nicht beachtet.
Individuelle oder sozialisationsbedingte Unterschiede werden so
übergangen, dass eine allgemein gültige Aussage über
Geschlechter möglich wird.
Die Trennung in Reproduktions- und Produktionsspäre erlangt
auch eine zentrale Bedeutung in der Familienpolitik. Die heterosexuelle
Kleinfamilie ist die gesellschaftliche Keimzelle, um das Geschlechterverhältnis
aufrechtzuerhalten, traditionelle Werte weiterzugeben und um Kinder
perfekt für die Gesellschaft zu sozialisieren. Weiterhin nutzt
das kapitalistische, patriarchale System die traditionelle Rollenzuschreibung
besonders in den Medien und dienstleistungsorientierten Wirtschaftszweigen.
Hier werden "weibliche" Körper und Fähigkeiten
verwertet.
Sexistischer Normalzustand
Das hierarchische Geschlechterverhältnis findet auch seinen
Ausdruck im sexistischen Alltag, der von strukturellen und individuellen
Bedrohungen und Einschränkungen geprägt ist. Diese umfassen
eine große Bandbreite, wie sexistische Sprüche, ungewollte
Berührungen oder anmaßende Erpressungsversuche. Schon
die Möglichkeit einer Vergewaltigung und damit verbundene Ängste
begrenzen Frauen in ihren Möglichkeiten.
Dieser Position steht die gesellschaftlich vorgeprägte relative
Machtposition von Männern gegenüber. Diese Hierarchie
wird von Frauen und Männern ständig reproduziert. Sie
aufzubrechen, bedeutet einen kräftezehrenden und radikalen
Kampf.
Geschlechtsspezifische Hierarchie- und Machtkonstellationen wirken
sich auch auf Sexualität und Körperempfinden aus. Eine
"natürliche" Sexualität existiert nicht, Lustempfinden
und Wünsche sind vergesellschaftet. Allgemein wird jedoch ein
anderes Bild vermittelt, Sexualität wird individualisiert,
als rein privat angesehen und zusätzlich mit Tabus belegt.
Dem geschlechtshierarchischen System ist ein ungutes Körpergefühl
von Frauen immanent, das diese jedoch ebenfalls als persönliches
Problem begreifen sollen. Diese Verwundbarkeit wird benutzt, um
sexualisierte Gewalt auszuüben, die unter anderem in Vergewaltigungen
ihren Ausdruck finden kann. Bei einer Vergewaltigung versucht der
Täter, zu kontrollieren, zu beherrschen und zu erniedrigen.
Der Täter ist für sein individuelles Handeln verantwortlich.
Zusätzlich ist eine Vergewaltigung in einen gesellschaftlichen
Kontext eingebunden. Um die Möglichkeiten von sexualisierter
Gewalt als Machtausübung und Erniedrigung abzuschaffen, müssen
patriarchale Verhältnisse aufgelöst werden.
Szene - nur Teil des Ganzen
Klar ist, dass die sogenannte Szene nicht außerhalb der Gesellschaft
steht. Nur aufgrund ihrer emanzipatorischen Ansprüche werden
Linke nicht zu besseren Menschen. In einem linken Umfeld, zum Beispiel
innerhalb einer (sub-)kulturellen Szene, deren Leute als weitestgehend
politisiert bezeichnet werden, fehlt oftmals das Bewusstsein für
antisexistische Themen. Ein antisexistisches Selbstverständnis
gehört zwar in linken Projekten inzwischen beinahe zum Standard,
wird jedoch kaum mit Inhalten gefüllt. So kommt es nicht selten
vor, dass bei Konzerten jeglicher Musikrichtungen sexistische Ansagen
oder Texte zu hören sind. Wird dies überhaupt thematisiert,
ist die Reaktion oft Unverständnis: die Band sei doch gut,
man dürfe das alles nicht zu ernst nehmen, schließlich
sei es ja nur ein Lied und alles nur eine Interpretationsfrage etc.
Ein irgendwie politischer Anspruch scheint, sich im sozialen Bereich
häufig gar nicht fortzusetzen. Sexistische Sprüche am
Tresen, Rumgepose in der Disse oder Antatschen im Gedränge
sind auch in linken Läden an der Tagesordnung. Abgetan wird
dieses Verhalten beispielsweise damit, dass der Verantwortliche
jedoch ansonsten ein guter Antifaschist oder Kumpel ist. Von Paarbeziehungen
wollen wir gar nicht erst anfangen, diesem Bereich sollte mal ein
eigener Text gewidmet werden.
Auch in Gruppenstrukturen ist Sexismus ein niemals endendes Thema.
Trotz des vielen Geschriebenen und Gesagten sind kaum Fortschritte
erzielt worden. Im Gegensatz zu anderen Themen verlaufen Diskussionen
über Sexismus, so sie überhaupt geführt werden, oft
sehr aufgeheizt und kommen über strukturelle Standards (z.B.
quotierte Redeliste, paritätisch besetzte Podien) selten hinaus.
Außerdem scheint es, als müssten seit Jahren immer wieder
dieselben Diskussionen geführt werden. Hier kann zum Beispiel
das ewig leidige Redeverhalten genannt werden.
Wenn es dann zu strukturellen Maßnahmen gekommen sein sollte,
stellen solche Veränderungen immer nur einen Schritt auf dem
Weg zur Abschaffung von Sexismus dar. Weder sexistische noch sozialisationsbedingte
Verhaltensweisen werden damit in Frage gestellt oder aufgelöst.
So ändert sich zum Beispiel das generelle Dominanzverhalten
eines Mannes auch durch quotierte Redelisten nicht. Gerade außerhalb
von Gruppenstrukturen ist ein reflektierteres Verhalten nicht zu
bemerken. Allerdings werden von Frauen die geschaffenen Möglichkeiten
oft nicht ausgeschöpft, denn die Angst, zu versagen, das Unbehagen
vor der zu übernehmenden Verantwortung wird nicht abgebaut.
Diese Ängste können nur überwunden werden, wenn sie
aktiv angegangen werden und sich nicht auf einem Status Quo ausgeruht
wird.
Frauen in der linken Szene gehen ständig zugunsten einer vermeintlich
allgemeinen Politik Kompromisse in Bezug auf die Thematisierung
sexistischer Verhältnisse und Verhaltensweisen ein. Oft genug
verzichten sie auf diese Diskussionen, obwohl sie ihnen wichtig
sind, um mit der Arbeit innerhalb der Gruppe voranzukommen oder
weil sie negative Reaktionen befürchten. Diese müssen
sich nicht in Form von Dissing anderer Leute äußern,
ein bloßes Augenrollen oder andere Anzeichen von genervt Sein
reichen unter Umständen aus, um Frauen die Motivation für
die Diskussion zu nehmen. Diese Anzeichen vermitteln Frauen, dass
es kein Interesse an einer Auseinandersetzung gibt. Das Thema Sexismus
wird nicht nur belächelt, sondern auch gerne übergangen
oder immer wieder verschoben. So gehen Frauen innere Kompromisse
für die aktuelle Politik ein, um es nicht ständig "eskalieren
zu lassen". Wenn Gruppen gesellschaftlichen Sexismus und eigenes
sexistisches Verhalten ignorieren, wird sich nichts ändern.
"Definitionsrecht"
Sexualisierte Gewalt ist immer Ausdruck der bestehenden Machtverhältnisse
zwischen Männern und Frauen und somit Ausdruck der patriarchalen
Gesellschaft, in der wir leben. Gerade sexualisierte Übergriffe
(im schlimmsten Fall Vergewaltigung) werden von Frauen individuell
erfahren. Eine Definition kann dieser subjektiven Wahrnehmung niemals
gerecht werden.
Statt einer Definition ist es sinnvoll, Diskussionen anzuregen,
die mit bestehenden Mythen brechen und eine Auseinandersetzung mit
sexualisierter Gewalt ermöglichen. Das häufig assoziierte
Bild von Vergewaltigung beschreibt den Täter als bösen,
fremden, abnormen Mann, der in dunklen Ecken Frauen auflauert. Frauen
wird dadurch suggeriert, zu bestimmten Zeiten bestimmte Orte zu
meiden. Ein weiterer Mythos ist die Mitschuld der Frauen. Ihnen
wird z.B. vorgeworfen, sich aufreizend gekleidet, dem Mann "falsche
Versprechungen" gemacht, sich nicht genügend gewehrt und
damit die Vergewaltigung provoziert zu haben. Somit werden Frauen
als potenzielle Mittäterinnen diffamiert.
Diskussionen sollen einerseits mit bestehenden Klischees brechen,
andererseits Vergewaltigung nicht als isoliertes Phänomen,
sondern gesellschaftlich kontextuiert thematisieren.
Eine wirkliche Definition von Vergewaltigung kann lediglich physische
Übergriffe umschreiben und die Details dieser klar formulieren.
Häufig werden diese Übergriffe auf Penetration reduziert,
obwohl Vergewaltigungen weit mehr umfassen können. Eine Auseinandersetzung
mit den psychischen Folgen, sei es durch die Vergewaltigung an sich
oder die Reaktion der Gesellschaft, kann eine Definition nicht leisten.
Bei der Thematisierung von sexualisierter Gewalt werden patriarchale
Unterdrückungsmechanismen vollkommen ausgeblendet. Zu oft werden
Vergewaltigungen in Diskussionen damit begründet, dass der
Täter mit seiner Sexualität, seinem Trieb nicht umgehen
kann. Gesellschaftliche Zusammenhänge und deren Ursachen, welche
sich in gewaltsamer Unterdrückung manifestieren, bleiben unbeachtet.
Das Definitionsrecht der Frau dient dazu, Glaubwürdigkeit von
Frauen zu untermauern. Es bedeutet, dass, wenn eine Frau sagt, sie
wurde vergewaltigt, dies von allen anerkannt wird. Durch dieses
Recht wird es Frauen leichter gemacht, eine Vergewaltigung zu veröffentlichen.
In der Regel ist es so, dass bei Bekanntgabe einer Vergewaltigung
das eigene Umfeld misstrauisch hinterfragt, der Gewaltakt bagatellisiert
wird, vergewaltigte Frauen von der Justiz schikaniert werden und
das allgemeine Interesse auf eine voyeuristische Typisierung der
Frauen abzielt. Dies führt unter anderem dazu, dass Frauen
sexualisierte Übergriffe nicht öffentlich machen. Dadurch
können sexualisierte Gewalttaten von der Gesellschaft verschwiegen,
zumindest aber verharmlost werden.
Die generelle Anerkennung des Definitionsrechts dient dem Schutz
der Frauen in der patriarchalen Gesellschaft. Das Definitionsrecht
schafft Frauen eine Basis, die ein selbstbewussteres Handeln, ohne
zugeschriebene Schuld, ermöglicht.
Solange hierarchische Geschlechterverhältnisse bestehen und
Frauen mit Repressionen rechnen müssen, wenn sie eine Vergewaltigung
bekannt machen, ist das Definitionsrecht ein notwendiges Vehikel,
die Rahmenbedingungen zu schaffen, um diese publik zu machen.
Umgang bei Bekanntgabe einer Vergewaltigung
Eine Anerkennung des Definitionsrechts ist nicht ausreichend, wenn
sich keine Gedanken über die Folgen gemacht werden. Sie dient
erst einmal dazu - wie bereits genannt - dass Frauen geglaubt wird
und sie nicht der Mittäterschaft bezichtigt werden. Bei einer
Auseinandersetzung über Folgen und Sanktionen, muss der Wille
der Frau im Mittelpunkt stehen. Das heißt auch, dass Frauen
keine Verhaltensweisen vorgegeben oder Entscheidungen eingeredet
werden. Auch wenn eine Frau nicht möchte, dass die Vergewaltigung
über einen bestimmten Personenkreis hinaus veröffentlicht
wird, oder sie den Vergewaltiger nicht anzeigen möchte, muss
dies akzeptiert werden. Was andere nicht aus der Verantwortung entlässt,
Sanktionen und Umgangsformen zu diskutieren.
Linke/linksradikale gemischtgeschlechtliche Gruppen
müssen sich mehr mit dieser Thematik befassen. Patriarchale
Strukturen werden, wie erwähnt, hier genauso reproduziert.
Gesellschaftlich anerzogene Verhaltensweisen sind immanent. Ein
linker Ansatz muss Geschlechterverhältnisse thematisieren,
um Hierarchien abzubauen. Sexismus und sexualisierte Gewalt sollen
nicht als abstrakte, ausgelagerte Gebilde abgehandelt, sondern immer
als allgegenwärtiges Problem betrachtet werden. Dies fordert
auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität, der
selbst reproduzierten Geschlechterrolle, dem eigenen Leben. Eine
solche Diskussion darf nicht erst als Reaktion auf konkrete Vorfälle
sexualisierter Gewalt stattfinden. Dann blockieren emotionale Verquickungen,
z.B. durch freundschaftliche Verbindungen, eine kritische Auseinandersetzung.
Gruppen, die sich mit sexualisierter Gewalt auseinandersetzen, dürfen
nicht nur eine Vergewaltigungsdiskussion führen, sondern müssen
sich mit sexistischen Gruppenstrukturen, individuellen sexistischen
Verhaltensweisen, patriarchalen Gesellschaftsnormen auseinandersetzen.
Nicht ausreichend ist ein Lippenbekenntnis zum Definitionsrecht,
das dieses zur Floskel verkommen lässt.
"Missbrauch" des Definitionsrechts
Da wir das Definitionsrecht der Frau anerkennen, halten wir es für
völlig überflüssig, über einen sogenannten "Missbrauch"
des Definitionsrechts zu diskutieren. Erfahrungsgemäß
werden jedoch viele Diskussionen von dieser - falschen - Argumentation
bestimmt, gerade dann, wenn es sich um einen Vergewaltiger aus der
Szene handelt. Daher sehen wir uns gezwungen, diese Thematik zu
behandeln.
Grundsätzlich ergibt sich für uns eine Zweideutigkeit
mit der Begrifflichkeit. "Missbrauch" assoziiert bei der
Thematik Vergewaltigung vorrangig sexualisierte Gewalt gegen Minderjährige.
Wobei auch hier der Begriff völlig inkorrekt ist, da es einen
"Gebrauch" von Kindern und Jugendlichen nicht gibt. Ebenso
unpassend ist es, von einem "falschen Gebrauch", bzw.
"Missbrauch" des Definitionsrechts zu sprechen. Da das
Definitionsrecht sonst zur bloßen Farce wird, weil Frauen
wieder in ihren Möglichkeiten beschnitten, die Gewalterfahrung
von Frauen in Frage gestellt, Opfer diffamiert und die Täter
zu den eigentlichen Opfern stilisiert werden. Die öffentliche
Thematisierung sexualisierter Gewalt wird durch die Argumentation
mit dem sogenannten "Missbrauch" eingeschränkt und
die bestehenden Hierarchien durch die den Frauen zugesprochene Unmündigkeit
aufrecht erhalten.
Ein weiterer Aspekt, der diesen Vorwurf hinfällig werden lässt,
ist die Tatsache, dass bei Bekanntgabe einer Vergewaltigung erst
einmal hinterfragt, diskutiert, der Täter verharmlost und der
Frau im schlimmsten Fall eine Teilschuld angedichtet wird. Einige
typische Argumentationen sind beispielsweise: dass man nicht dabei
gewesen ist und sich somit kein Urteil erlauben könne, ob es
wirklich eine Vergewaltigung war; dass die Frau nicht hätte
mitgehen dürfen; dass der Täter ein guter Antifaschist
ist und man sich das gar nicht vorstellen könne.
Frauen sind ständig mit Sexismus und mit sexualisierten psychischen
und physischen Übergriffen konfrontiert. Nach Veröffentlichung
einer Vergewaltigung in der Szene sind Frauen diejenigen, die sozial
isoliert werden und mit negativen Konsequenzen zu rechnen haben.
Frauen sind verantwortungsvoll handelnde Individuen. Sie behaupten
sicherlich nicht mal eben so aus Spaß am Dissen, vergewaltigt
worden zu sein!
Eine allgemeine Anerkennung des Definitonsrechts ist
für uns nicht das Nonplusultra. Es ist nicht das Ziel, sondern
ein notwendiges Mittel auf dem Weg. Wenn alle Diskussionen auf einer
feministischen Grundlage geführt werden könnten und das
Präfix radikal auch im feministischen Kontext positiv konnotiert
wäre, dann wäre vorstellbar, dass das Definitionsrecht
für Frauen hinfällig würde.
== Antifaschistischer Frauenblock
Leipzig [AFBL] ==
[Phase2:02/2001 ]
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