Vortrag zu Frauen im NS
Wenn heute von den Verbrechen, die im Nationalsozialismus
begangen wurden, gesprochen wird, werden meist nur Männer in
den Mittelpunkt der Verurteilung gerückt. Frauen hingegen entlässt
man aus ihrer Verantwortung, da sie nur im angeblich unpolitischen
Privaten agiert hätten. Aber nicht nur dass, Frauen werden
als Opfer des Nationalsozialismus begriffen, die egal ob arisch,
jüdisch, oder sonst wie alle unter diesem System gelitten hätten.
Diese Gleichstellung von Täterinnen und Opfern gilt es auf’s
schärfste zu verurteilen.
Warum es meiner Meinung nach so schwer ist, Frauen als Täterinnen
zu begreifen, hat mehrere Gründe:
1. Sicherlich war das NS-Regime ein strikt patriarchales System,
wo arische Frauen zwar gleichwertig waren, jedoch geringe politische
Macht hatten. Dies bedeutet aber auf keinen Fall, dass Frauen nicht
das System unterstützt und mitaufgebaut hätten, denn der
Nationalsozialismus war keine diabolische Diktatur von oben, wo
alle ArierInnen zum Mitmachen gezwungen werden mussten. Es waren
ganz normale BürgerInnen, die absolut einverstanden waren,
dass JüdInnen keine Geschäfte führen durften und
Menschen die von der nationalsozialistischen Norm abwichen weggesperrt
und später ermordet wurden. Frauen wie Männer waren nicht
nur einverstanden, sondern etablierten erst dieses barbarische System.
2. Ein weiterer Grund, der die Sicht auf die Täterschaft von
Frauen versperrt, ist die angebliche Friedfertigkeit und Fürsorglichkeit
von Frauen. Dass dies aber keine angeborenen Eigenschaften von Frauen
sind, zeigt der Nationalsozialismus besonders drastisch. Denn jegliches
Mitgefühl endete an den Grenzen der Volksgemeinschaft. So konnte
jede noch so fürsorgliche und liebevolle Mutter, Schwester
und Ehefrau gleichzeitig eine unglaublich brutale und gefühlskaltes
Folterin und Mörderin von allen Menschen, die nicht in die
Kategorien arisch, Mann, Frau und gesund fielen, sein.
Ein Beispiel dafür ist die KZ-Oberaufseherin Johanna Langefeld,
die deutsche politische Häftlinge verschonte, jüdischen
Häftlingen gegenüber jedoch kein Mitleid empfand und sie
z.T. tagelang ohne Wasser und Essen ließ.
3. Ein dritter Grund ist der androzentrische Blick auf Gesellschaft,
der weibliche Handlungsfelder übersieht. Hausarbeit, Erziehung,
Pflegetätigkeiten etc. werden als harmlos und unpolitisch gedacht,
dabei war gerade das NS-System dadurch gekennzeichnet, dass das
Private politisch war. So dass es keine Handlungen gab, die das
System nicht gestützt und ermöglicht hätten.
4. Die Täterschaft von Frauen zu erkennen bedeutet, den Blick
auf die Lebenswelt des NS zu richten und nicht bei der Betrachtung
und Schuldzuweisung an hervorstechenden Personen wie Hitler, Himmler
Göring stehen zu bleiben. Der Nationalsozialismus war ein alle
Lebensbereiche umfassendes System, an dessen Stabilisierung Frauen
genauso wie Männer beteiligt waren.
Im Folgenden will ich verschiedene Wirkungsfelder
von Frauen im NS aufzeigen.
Als größtes Wirkungsfeld von
Frauen ist der Alltag zu werten. Die nationalsozialistische Geschlechterideologie
vertrat einen absoluten Biologismus. Frauen waren von Natur aus
sorgende Mütter und Hausfrauen. Dies ging mit einer Heroisierung
und Aufwertung dieser Aufgaben einher. Die Rolle der Frauen wurde
nicht als Privatangelegenheiten aufgefasst, sondern als ein Akt
des Politischen. Die Hauswirtschaft wurde als Teil der Volkswirtschaft
begriffen und gerne richteten sich die Frauen danach was dem eigenen
„Volk“ angeblich nütze: Sie kauften nicht mehr
bei jüdischen HändlerInnen ein, heirateten keine Juden,
pflegten keinen Umgang mit ihnen, sie schickten ihre zahlreichen
Kinder zur HJ oder zum BDM, lasen ihnen antisemitische Kinderbücher
vor, kochten am Sonntag Eintopf, feierten die nationalsozialistischen
Feste usw. Es gab also keine Privatsphäre, in die sich zurückgezogen
werden konnte und die unpolitisch gewesen wäre, wie es so gerne
heute behauptet wird. Gerade in ihrer Rolle als Mutter und Hausfrau
hatten deutsche Frauen die wichtige Aufgabe, die Kinder zu erziehen
und so die nationalsozialistische Ideologie zu verbreiten und zu
vertiefen. Als Ehefrauen waren sie dafür verantwortlich ihre
mordenden Ehemänner zu unterstützen und den nötigen
emotionalen Rückhalt zu gewähren.
Außerdem zählen zu diesem Feld auch die so genannten
„Profitlerinnen“. Damit werden Frauen bezeichnet, die
sich auf verschiedene Weise bereichert haben, z.B. an Möbeln
und Wertgegenständen aus Wohnungen, deren BewohnerInnen geflohen
sind oder in Konzentrationslager deportiert wurden und die sie entweder
für sich behielten oder weiterverkauften. Das es sich hierbei
nicht um eine kleine Gruppe von Frauen handelte zeigt, die Untersuchung
von Frank Bajohr, der allein in Hamburg die Zahl der Käuferinnen
auf 100 000 schätzt, die sich an dem geraubten Eigentum der
JüdInnen aus ganz Europa bereicherten. Plötzlich trugen
auch ärmere Arierinnen Pelze, teure Kleider und Schmuck, wohnten
in größeren Wohnungen mit teureren, exklusiven Möbeln.
Das besonders Verwerfliche darin ist, dass das mit dem Verkauf erwirtschaftete
Geld die Ermordung der JüdInnen finanzierte.
Frauenrechtlerinnen und Frauenorganisationen
Auch wenn es den Frauen nicht gestattet war leitende politische
Positionen einzunehmen, gab es doch einige Frauenrechtlerinnen,
die sich für eine nationalsozialistische Frauenpolitik einsetzten.
Am prominentesten ist die „Reichsfrauenführerin“
Gertrud Scholz-Klink, weitere völkisch, nationale Frauenrechtlerinnen
waren Elisabeth Zander, Guida Diehl, Lydia Gottschewski und Paula
Silber. Sie alle setzten sich für die Gleichwertigkeit von
„arischen“ Frauen ein, ohne ihnen mehr Rechte zusprechen
zu wollen. Die Frauenfrage wurde nicht gelöst, sondern die
Stellung der Frau neu interpretiert und heroisiert, somit wurden
die Frauen indem ihre „Mütterlichkeit“ und ihr
„Dienst am Volk“ gefeiert wurden, aus dem bürgerlichen
Schattendasein geholt. Die Hausarbeit und die Rolle der Frau für
die Gesellschaft wurden aufgewertet, dies zeigt sich in der organisierten
Ausbildung von Müttern und ihrer quasi soldatische Ehrung durch
das Mutterkreuz. Diese Aufwertung ging mit einer radikalen Abwertung
aller nichtarischen Frauen einher. Auch auf anderen Ebenen waren
die Auffassungen der Frauen antisemitisch, so gaben sie an, dass
die Juden das Patriarchat erfunden und einem ursprünglich matriarchalen
Germanien aufoktroyiert hätten. Zum anderen bestimmten sie
die Emanzipationsbewegung der Frauen in den 20ern als jüdisch
und sahen darin eine gefährliche Zerstörung der natürlichen
Mutterrolle. Die Frauenverbände hatten auch kein Problem damit,
Nichtarierinnen auszuschließen. Eine weitere relativ große
Gruppe von Täterinnen waren die SS-Ehefrauen, insgesamt waren
es von 1931-45 240 000 Frauen. Sie waren „Profitlerinnen“,
besonders diejenigen, die mit einem SS-Mann verheiratet waren, der
in einem Konzentrationslager arbeitete. Die Haussklaven waren KZ-Häftlinge
und oft stockten die Ehefrauen ihre eigene Vorratskammer mit Lebensmitteln
aus dem Lager auf, oder ihr Mann brachte Schmuck, Möbel und
andere Wertgegenstände von den Deportierten mit. Die Frauen
fanden nichts Schlimmes dabei, dass ihre Ehemänner Menschen
fabrikmäßig ermordeten. Sie waren Komplizinnen und Zuschauerinnen,
bekamen Fotos und Erzählungen vom Morden nach Hause geschickt,
lebten direkt neben den KZs oder kamen zumindest auf Besuch. Teilweise
übernahmen die Frauen Hilfsarbeiten für die Männer.
Z.B. untersuchte Frau Menneke ehrenamtlich die Gewebeproben im Zusammenhang
mit dem Euthanasieprogramm. Eine andere Frau meldete ihrem Mann,
dass einige der Haussklaven unsauber gearbeitet hätten, worauf
dieser die Personen erschoss.
Unter den SS-Ehefrauen wurden auch welche zu aktiven Mörderinnen,
ein berühmter Fall ist Elisabeth Willhaus, die Frau des Lagerkommandanten
des KZ Lemberg, die von ihrem Balkon aus Häftlinge im angrenzenden
Lager erschoss. Auch die vierjährige Tochter findet am Erschießen
von jüdischen Kindern gefallen und ruft „Papa, noch einmal,
noch einmal!“.
Frauenberufe
Frauen konnten sogar Mitglieder der SS werden. Die Frauen wurden
zu Funkerinnen, Stabshelferinnen, Mechanikerinnen und Krankenhelferinnen
ausgebildet und in den annektierten Gebieten eingesetzt, wo sie
z.B. die Fernsprech-, Fernschreib- und Funkanlagen der Waffen-SS
bedienten. Gegen Kriegsende gab es ca. 10 000 Frauen im weiblichen
SS-Korps.
Viele Täterinnengruppen finden sich in den Bereichen der „natur-
und artgemäßen“ Frauenberufe. So gab es eine Reihe
von „Schreibtischtäterinnen“, z.B. Angestellte
in der Verwaltung, die an der Erfassung jüdischer MieterInnen
und anschließenden „Arisierungen“ von Wohnungen
und Häusern beteiligt waren. Hier stellten sie die Verbindung
zwischen der antisemitischen und rassistischen Ideologie und der
Praxis her.
Gerade auch in der „Frauendomäne“, den so genannten
sozialen Berufen, wurde diese Verbindung hergestellt. Als Angestellte
verschiedener Ämter wie dem Sozial- und Fürsorgeamt waren
viele Frauen daran beteiligt, die nationalsozialistische Gesundheits-
und Sozialpolitik und die entsprechenden Verordnungen umzusetzen,
z.B. das „Gesetz zur Verhinderung erbkranken Nachwuchses“.
Sie sammelten Daten und untersuchten Fälle mit dem Zweck, die
Antragstellenden in „rassisch wertvoll“, d.h. unterstützungswürdige,
und „minderwertig“ einzuteilen und weitergehende Maßnahmen
einzuleiten. Für die zweite Kategorie bedeutete dies oft die
Einweisung in so genannte „Bewahranstalten“ oder „Heil-
und Pflegeanstalten“, die für die Betroffenen mindestens
Zwangssterilisation und Entmündigung oder auch Ermordung zur
Folge hatten. In diesen Anstalten gab es wiederum viel weibliches
Pflegepersonal und Ärztinnen, die an den Tötungen, durch
systematisches Verhungernlassen oder Giftinjektionen, beteiligt
waren. Es ist davon auszugehen, dass so mindestens 200 000 Menschen
ermordet wurden.
Für Jugendliche, die als „asozial“,
also als angeblich schädlich fürs Volk und verwahrlost,
kategorisiert wurden, gab es so genannte „Jugendschutzlager“,
für Jungs in Moringen, für Mädchen in der Uckermark
in direkter Nähe zum FrauenKZ Ravensbrück. Diese Einrichtungen
galten als Erziehungsheime, auch nach ´45, obwohl ihre Ähnlichkeit
mit einem KZ evident war. Im MädchenKZ Uckermark arbeiteten
neben den SS-Aufseherinnen, ca. 80 „Erzieherinnen“,
die sich sehr brutal den Gefangenen gegenüber verhielten.
In den Frauenkonzentrationslagern, also vor allem in Ravensbrück
und Bergen-Belsen, arbeiteten auch KZ-Aufseherinnen . Sie waren
Mitglieder des SS-Gefolges, einer der SS angegliederten Frauen-Organisation.
Die Frauen trugen graue Uniformen mit Reichsadler, allerdings ohne
Totenkopf, waren z.T. kaserniert und bekamen eine ähnliche
Besoldung. Ich werde jetzt noch mal besonders auf KZ-Aufseherinnen
eingehen.
In den Frauenkonzentrationslagern gab es eine klare Geschlechtertrennung.
Die äußere Bewachung wurde von männlichen SS-Leuten,
die innere von weiblichen ausgeübt, d.h. die direkte Herrschaft
über die Inhaftierten hatten Frauen, und vielleicht muss man
das in dieser Runde nicht noch extra betonen, aber sie standen an
Brutalität und Sadismus männlichen KZ-Aufsehern in nichts
nach.
Schluss
Nur sehr wenige Frauen wurden nach 45 angeklagt und noch viel weniger
sind je verurteilt worden. Galten doch Überlebende der Shoa
als nicht glaubwürdig, und schöne Frauen als nicht fähig
zu solchen brutalen Akten. Einige konnten mit ihrem geraubten Vermögen
ein schönes, ungestörtes Leben verbringen -- ohne jemals
ihre Schuld eingestehen zu müssen, wie z.B. Scholz-Klink und
Lina Heydrich in ihren späteren Veröffentlichungen deutlich
machen.
Frauen wird einfach nicht zugetraut unmenschlich zu handeln. Ihre
Verbrechen werden ignoriert, damit das Bild der guten und fürsorglichen
Frau und Mutter und der Mythos der aus den Trümmern durch unschuldige
Frauenhände wiederaufgebauten Republik nicht zusammenfällt.
Aber auch wenn Frauen weniger politische Mitbestimmung und Verantwortung
hatten, müssen ihre Taten in Relation zu ihren Handlungsmöglichkeiten
bewertet werden und deshalb sind sie genauso schuldig wie die Männer.
Frauen waren genauso wie Männer von der nationalsozialistischen
Ideologie überzeugt und erachteten Menschen, die nicht ihren
Kriterien eines normalen arischen Menschen entsprachen, als wertlos.
An den Frauen wird auch deutlich, dass es nicht unbedingt einen
Zwang von Oben geben musste, um grausam zu handeln. Gerade die SS-Ehefrauen
quälten, schlugen und mordeten ohne, dass es irgendjemand von
ihnen verlangt hätte.
Dass Empathie noch heute an Konzepte wie Volksdeutsche gekoppelt
sind, zeigt sich nicht nur an der Aufregung, wenn irgendwo auf Welt
neben unzähligen anderen Menschen auch drei Deutsche sterben,
sondern auch an dem heutigen Opfermythos der Deutschen im NS, wo
der im Bombenkrieg getöteten angeblich unschuldigen Zivilbevölkerung,
weitaus mehr Mitleid entgegengebracht wird als den Millionen ermordeten
JüdInnen, Russen, Polen etc.
|