Das Selbsverständnis von FelS
Nicht nur in der BRD findet seit einiger Zeit ein
massiver Umbau des Sozial- und Wirtschaftssystems statt. Mittlerweile
ist die BRD eines der letzten Länder Ost- und Westeuropas,
in dem diese Umstrukturierung zugunsten der Reichen und auf Kosten
der Armen durchgezogen wird. Seitdem 1990 die Annektion der DDR
ohne großen Widerstand der dortigen Bevölkerung durchgesetzt
wurde, verläuft der Prozeß von Sozialabbau und repressiver
Sicherheitspolitik nach innen noch schneller und zeigt in der BRD
folgende Schwerpunkte:
1. Die völlige Flexibilisierung der Arbeitszeit
nach den Profitinteressen des Kapitals (Überstunden oder Kurzarbeit,
Wochenendarbeit, Abschiebung in den Vorruhestand etc.)
2. Kürzungen der Sozialleistungen (Arbeitslosenhilfe,
Verschärfungen in der Sozialhilfe verbunden mit rassistischer
Hetze)
3. Erhöhung der privaten Zuzahlung für Kultur,
Erziehung und Gesundheit
4. Schließung von sozialen Einrichtungen (Jugendzentren,
Kürzungen im Schul- und Unibereich, Streichung von Planstellen,
Etatkürzungen bis totale Streichung von Fördergeldern,
z.B. Privatisierung von Schwimmbädern)
5. Massenentlassungen und rasanter Anstieg der Arbeitslosigkeit,
die mit einer "Entwertung" und "Entqualifizierung" von Arbeitskraft
einhergeht
6. Preiserhöhungen im allgemeinen aber vor allem
bei öffentlichen Dienstleistungen (öffentliche Transportmittel,
Telekommunikation etc) bei gleichzeitig sinkenden Reallöhnen
etc...
Außerdem gibt es in den neuen Bundesländern
eine etwa doppelt so hohe Arbeitslosenquote wie im Westen, die Löhne
und Renten sind bei ebensohohen Lebenshaltungskosten noch immer
bedeutend niedriger, noch immer werden Häuser, Grundstücke
und Ländereien an ehemalige Besitzer aus dem Westen rückübereignet
und die Situation der Frauen (besonders Alleinerziehender) hat sich
in den letzten Jahren am meisten verschlechtert. Unter ihnen sind
die Arbeitslosigkeit und die Quote von SozialhilfeempfängerInnen
am höchsten.
Während der größte Teil der Bevölkerung
noch 1990 die Vereinigung , die man juristisch betrachtet durchaus
als Annektion bezeichnen kann, in der Hoffnung unterstützte
zu den Gewinnern des neuen Gesellschaftsystems zu gehören,
ist dieser Glauben einer weitgehenden Zurückhaltung und Enttäuschung
gewichen. Die Chance eines dritten Weges außerhalb von Kapitalismus
und Realsozialismus war bereits 1990 vorbei, die Menschen haben
sich gedankenlos den kapitalistischen Strukturen untergeordnet,
- eine Lösung für die gegenwärtigen Probleme muß
also neu erarbeitet und anders durchge-setzt werden.
Was die radikale undogmatische Linke anbelangt, so
war sie in der ersten Hälfte der 80ger Jahre noch in vielen
sozialen Auseinandersetzungen aktiv. Seitdem setzte sich aber mehr
und mehr die Position durch, daß solche Auseinandersetzungen
"reformistisch" seien. Die meisten Linksradikalen hatten so mit
dem Alltag der "Normalbevölkerung" nur noch wenig gemeinsam.
Seit 1996 beschäftigen sich je-doch auch Linksradikale wieder
verstärkt mit sozialen Kämpfen, obwohl es zunächst
keinen Zusam-menhang zwischen linksradikalen Inhalten und vielen
der stattfindenden Proteste und Streiks gab.
Die Situation der Linken in Deutschland seit dem
Mauerfall
In den 80ger Jahren hatte die linksradikale undogmatische
Bewegung in der BRD eine relativ große Präsenz, entwickelte
Kämpfe in verschiedenen Bereichen und brachte sich stark in
gesellschaftliche Konflikte ein (gegen Atomkraft, Hausbesetzungen,
gegen NATO und Militarismus, gegen verschiedene staatliche Großprojekte...).
Sie konnte zu verschiedenen Anlässen mehrere Zehntausend Personen
zu Demonstrationen mobilisieren und war sowohl gesellschaftlich
wie auch medial wahrnehmbar.
Bereits seit der erfolgreichen Mobilisierung gegen
den IWF 1987 (eine Woche lang Aktionen und eine Großdemonstration
mit 50.000 Personen) zeichnete sich jedoch ein langsames Abflauen
der Bewegung ab. Der Mauerfall in Berlin 1989 verstärkte die
Krise der linksradikalen undogmatischen Bewegung, obwohl sie den
Realsozialismus nie als Bezugspunkt gewählt hatte.
Da sich aber die meisten gesellschaftlichen Bedingungen
radikal verändert hatten, konnte auch der bis dato bewährte
Politikansatz keinen Erfolg mehr bringen.
Die undogmatische linksradikale Bewegung ist in der
BRD in den 80gern ...
... ist eine stark subkulturelle Jugendbewegung gewesen,
die sich "außerhalb der Gesellschaft" verortete. Das war solange
eine Provokation dem System gegenüber, wie in der BRD das integrative
sozialdemokratische Modell vorherrschend war. Seit jedoch Mitte/Ende
der 80ger Jahre auch in Deutschland zunehmend eine neoliberale Politik
verfolgt wird, die selbst größere Gruppen aus der Gesellschaft
ausschließt, stellt diese Selbstmarginalisierung nicht einmal
mehr eine Provokation dar und fügt sich prima in das System
ein.
Nach dem Mauerfall und der Angliederung der DDR hat
der aggressive deutsche Nationalismus stark zugenommen und zu einem
Aufschwung faschistischer und rassistischer Aktionen geführt.
Anfang/Mitte der 90ger wurden 1.500 faschistische und rassistische
Delikte jährlich gezählt, die Anzahl der antisemitischen
Anschläge hat in den letzten 5 Jahren um 50% zugenommen. Seit
1990 haben über 150 faschistische bzw. rassistische Morde stattgefunden
und mittlerweile gibt es mehr als 65.000 organisierte Rechtsextreme
in Deutschland.
Gleichzeitig wurden Ausländergesetze und Asylrecht
so weit verschärft, daß das Asylrecht faktisch abgeschafft
worden ist und Deutschland die internationalen Verträge nicht
mehr befolgt. Die Verschärfung der Gesetzgebung wurde von den
rechtskonservativen Regierungsparteien CDU/CSU und ihrem Koalitionspartner
FDP ("Liberale"), aber auch von den Sozialdemokraten (SPD) unterstützt.
In den ersten Jahren unternahm die offizielle Seite, insbesondere
Polizei und Politiker usw. so gut wie nichts gegen den Rassismus,
die Organisierung von Rechtsextremen und faschistische Propaganda.
Im Schatten ihrer Mobilisierung konnte die Regierung problemlos
die restriktiven Ausländergesetze verabschieden.
Erst nach massivem Druck aus dem Ausland begann die
deutsche Politik stärker gegen faschistische Strukturen vorzugehen.
Das war im Jahr 1994. Verbote einiger Nazi-Gruppen wurden jedoch
von der Regierung/Polizei meist Wochen vorher angekündigt,
so daß diese die Möglichkeit hatten Geld, Unterlagen
etc. wegzuschaffen und neue Strukturen aufzubauen.
Nur eine breite Antifaschistische Bewegung, die sich
den Nazis und Rassisten entschlossen und auch mit Gewalt entgegenstellte,
konnte letztendlich verhindern, daß diese heute die Straßen
dominieren. So sind heute offene faschistische Aktionen auf wenige
Städte und Regionen beschränkt, viele Nzis haben sich
auf eher klandestine und terroristische Aktionen zurückgezogen.
Die Situation ist damit vielleicht unmittelbar körperlich und
psychisch weniger bedrohlich, da es auch wieder Regionen gibt, in
denen Linke dominieren, das heißt aber nicht, daß sie
weniger gefährlich ist. In den letzten 2 Jahren hat sich die
organisierte rechtsextreme Szene umorganisiert. Es gibt Zeitungen,
die versuchen Spaltungen innerhalb der Strukturen zu überwinden,
indem sie als Kommunikationsforen fungieren und so unterschiedlich
sich die Szene auch zusammensetzt, ist es ihr Hauptschwerpunkt rassistische
und faschistische Ideen stärker in der Bevölkerung zu
verankern und z.B. Jugendszenen in ihre Richtung zu bringen. Zu
ihrer Propaganda gehören dabei neben Zeitungen und Zeitschriften
auch Musik, Computerspiele und Comics.
Heute stehen wir als Linke vor der Situation, daß
ein Großteil der Bevölkerung offen ist für rassistische
und ausgrenzende Gedanken und auch Jugendliche mit ihrer rassistischen
Haltung, als Teil einer weitverbreiteten rechtsextremen Subkultur,
wieder offensiv und gewalttätig gegen Flüchtlinge und
ausländische Leute vorgehen. Zunehmend sind davon auch Obdachlose
und behinderte Leute betroffen.
Auch der staatliche Rassismus hat seit den Gesetzesänderungen
keineswegs abgenommen, eher das Gegenteil ist der Fall. Besonders
bedenklich ist die Straffreiheit, die deutsche Polizisten faktisch
genießen, wenn sie Flüchtlinge oder Einwanderer schlagen
oder foltern. Amnesty International hat in den letzten Jahren eine
bedrohliche Zunahme von Folter und Mißhandlungen von MigrantInnen
durch die deutsche Polizei festgestellt.
Es könne bereits nicht mehr von "Einzelfällen"
geredet werden. Insgesamt ist ein reaktionär-faschistoides
Gedankengut und Geschichtsbild in Deutschland mittlerweile gesellschaftsfähig.
Als Beispiel läßt sich das Berliner Denkmal "Neue Wache"
nennen, das ursprünglich ein Denkmal für die Opfer des
Faschismus war. Nun ist es ein Denkmal für die "Opfer von Krieg
und Gewaltherrschaft"; damit werden die Täter ebenfalls zu
Opfern gemacht. Kränze für Wehrmachtssoldaten liegen neben
denen für ehemalige KZ-Häftlinge - das ist deutsche Geschichte.
Die autoritären Tendenzen des deutschen Staates
drücken sich auch in vermehrten Übergriffen der Polizei
und Justiz gegen Medien und JournalistInnen aus. In den letzten
Jahren sind mehrmals Redaktionen von Tageszeitungen durchsucht worden,
meist weil sie, was in vielen Ländern der Welt normal ist,
Erklärungen von bewaffneten Organisationen abgedruckt hatten.
Massive Behinderung der journalistischen Arbeit, verbunden
mit Drohungen oder körperlicher Gewalt, z.T. Körperverletzung
(z.B. Steißbeinbruch bei einer Fotografin in Hamburg) sind
keine Seltenheit. Die Fachgruppe Journalismus der IG Medien zählte
allein für das Jahr '94 etwa 20 solcher oder ähnlicher
Fälle und stellte eine steigende Tendenz fest. So wurde z.B.
der Fotograf Oliver Neß vor etwa 2 Jahren in Hamburg von der
Polizei bewußt und absichtlich schwer verletzt (Mehrfachbrüche).
1996 wurde die linke Zeitschrift "radikal" kriminalisiert und mehrere
Personen wurden wegen Herstellung und Vertrieb der "radikal" inhaftiert.
Sie warten nun auf den Prozeß. 1997 wurde das linksradikale
Berliner Wochenmagazin "Interim" kriminalisiert und über 10
Hausdurchsuchungen fanden statt.
Wie aber ist unsere eigene Situation als linksradikale
Gruppe in der BRD?
Die Gruppe Fels ist aus der in der Berliner Szene-Zeitschrift
"Interim" im Sommer/Herbst 1991 geführten Debatte um die Autonome
Bewegung und deren Politikverständnis entstanden. Dabei ging
es zwar in dieser Debatte in weiten Teilen um eine Kritik an den
Autonomen, jedoch war auch für einen großen Teil derer,
die diese Kritik äußerten, klar, daß es nicht um
einen frustrierten Abschied von linksradikaler Politik ging.
Zum besseren Verständnis sollen an dieser Stelle
einige Punkte unserer Kritik genannt werden, um danach auch unser
eigenes Politikverständnis etwas deutlicher zu machen.
- Bei den Autonomen entstanden durch die Ablehnung
jeglicher Organisationsstrukturen informelle Hierarchien, die demokratische
Entscheidungen unmöglich machten. Entscheidungen wurden nicht
auf Vollversammlungen oder offenen Treffen getroffen, sondern in
den informellen Szene- Strukturen. Somit ist auch nicht nur ihr
Zustandekommen undemokratisch (da kein Einfluß darauf genommen
werden kann), sondern sie sind im Nachhinein auch kaum noch zu kritisieren
oder zu stoppen.
- Die Kommunikationsstrukturen der Autonomen sind
ebenfalls meist informell (also über bestimmte Kneipen, Parties,
die vom entsprechenden Kreis besucht werden) und sind damit nur
offen für "Eingeweihte" mit entsprechenden Gewohnheiten und
genügend Zeit. Menschen mit zeitraubenden/anstrengenden Jobs
können ebensowenig teilhaben, wie zum Beispiel Menschen mit
Kindern. Auch das bezeichnen wir als undemokratisch.
- Die meisten politischen Strukturen und Diskussionen
der Autonomen sind unverbindlich. Damit läßt sich keine
gemeinsame und kontinuierliche Politik der radikalen Linken aufbauen.
Da es auch kein Forum für eine verbindliche Diskussion gibt,
bleibt Kritik völlig folgenlos - dies ist zum einen hinderlich
für eine Weiterentwicklung und Verbesserung linksradikaler
Politik und zum anderen absolut unbefriedigend für den/die
EinzelneN. Fehler werden damit ständig wiederholt.
- Theorie ist nicht mehr das Beschreiben gesellschaftlicher
Verhältnisse und daraus folgender Interventionsmöglichkeiten,
sondern bloße Beschreibung der Machenschaften des Feindes.
Wer die Praxis schon beschlossen hat, also nicht mehr strategisch
diskutieren kann, dem bleiben nur noch die technischen Details.
- Die autonome Bewegung nimmt den Feind nur in dessen
Offensiven wahr. Das Ansetzen an dessen stärkstem Punkt führt
allerdings nur höchst selten zu Erfolgen. Selbst wo diese erzielt
wurden, wurden sie eher desinteressiert wahrgenommen und nach außen
nicht entsprechend als Erfolge der eigenen Politik dargestellt.
- Die autonome Bewegung ist geschichtslos. Das Wissen
um die Geschichte und die Erfahrungen linker Kämpfe und Bewegungen
wird nicht als grundsätzliche Voraussetzung für Politik
begriffen. Daher existiert kein "kollektives Gedächtnis", alle
fangen immer wieder am Nullpunkt an. Es bleibt nur die Möglichkeit
Erfahrungen zu verdrängen oder das Lernen aus ihnen individuell
einzufordern.
- Das Konzept von der Ein-Punkt- Bewegung (ausgehend
vom Ansetzen an einem gesellschaftli-chen Konflikt - z.B. Atomkraft)
zur kontinuierlichen Poltik im gesamtgesellschaftlichen Rahmen zu
kommen, ist gescheitert. Kampagnen sollten Resultat strategischer
Diskussionen sein und nicht deren Ersatz. Eine politische Bewegung
muß sich eine gesamtgesellschaftliche Analyse erarbeiten -
und dazu in permanentem öffentlichen Austausch (soweit es die
Repression erlaubt) sowohl untereinander als auch mit anderen gesellschaftlichen
Gruppen stehen. Aus dieser Analyse heraus muß sie den jeweiligen
Bedingungen gemäß die Mittel bestimmen und ihre Schwerpunkte
setzen.
- Die Autonomen sind eher ein subkulturelles Ghetto
als eine politische Bewegung, ihre Fixierung auf sich selbst verhindert,
daß andere Menschen, die nicht so leben, aber potentiell linksradikale,
revolutionäre Politik machen würden, Teil einer linksradikalen
Bewegung werden.
- Dadurch, daß viele Gruppen nicht (z.B. über
eine Adresse) ansprechbar sind, selten offen auftreten und kaum
Ergebnisse ihrer Diskussionen und Ziele ihrer Politik niederschreiben,
ist autonome Politik nach außen kaum vermittelbar (in diesem
Punkt hat es allerdings besonders bei vielen Antifa-Gruppen eine
Veränderung gegeben).
Es entstand die Notwendigkeit ein neues politisches
Projekt nach unseren Vorstellungen "außerhalb" der Autonomen
aufzubauen und uns an andere Menschen - außerhalb der Szene
- zu richten und so entstand auf der Grundlage der Kritik an den
Autonomen Ende 1991 die Gruppe FelS. Die genannte Kritik macht somit
auch schon einen Teil unserer politischen Orientierung deutlich.
Klar war von Anfang an, daß die Gruppe eine
umfassende Theorie und Praxis anstreben und nicht auf Teilbereichsarbeit
beschränkt sein sollte. Zunächst haben wir uns stark mit
Theoriearbeit beschäftigt und Seminare organisiert.
Thematisch waren damals zum Beispiel die Auseinandersetzung
mit verschiedenen organisatorisch- politischen Erfahrungen in der
BRD, aber auch in anderen Ländern von Wichtigkeit. Wir reflektierten
die Bedeutung von Kultur und (Befreiungs-)pädagogik, setzten
uns kritisch mit verschiedenen Formen des "Realexistierenden Sozialismus"
- besonders der DDR - auseinander und machten erste eigene praktische
Erfahrungen in Diskussionen und der Zusammenarbeit mit verschiedenen
Gruppen aus dem Bundesgebiet...
Mittlerweile existiert FelS seit sechs Jahren, arbeitet
in mehreren Arbeitsgruppen an ver-schiedenen Themen und Projekten
(Antifaschismus/Antirassismus, Internationale Solidarität,
Sozial-AG), gibt die Zeitschrift ARRANCA! heraus, organisiert einen
Stadtteilladen in Berlin-Friedrichshain (einem der ärmsten
Stadtteile Berlins) und beteiligt sich immer wieder an verschiedenen
regionalen/lokalen und bundesweiten Bündnissen.
Als Praxis haben wir von Anfang an den sozialen Bereich
als zentral angesehen und versucht in diesem Feld eine praktische
Intervention zu organisieren, was aus unterschiedlichen Gründen
scheiterte. 1992 entstand die Zeitschrift "ARRANCA!" Sie kommt alle
3-4 Monate heraus und hat immer ein Schwerpunktthema, das wir als
wichtig im Rahmen einer Neukonstituierung der Linken erachten. Die
vergangenen Schwerpunkte waren zu Organisation, Lernprozessen, Medien,
Militanz, Resümee der Linken, Realsozialismus, Sexualität/Geschlecht,
Neoliberalismus, Umstrukturierung/ Stadtplanung. Die ARRANCA! ist
mittlerweile mit einer Auflage von 3.500 die meistverkaufteste linksradikale
Zeitschrift in Deutschland (darüberhinaus wird sie in der Schweiz,
in Österreich, in Holland und Luxemburg verkauft).
FelS hat dann - nach 1992 - eine politische Praxis
im Bereich Antifaschismus aufgebaut und zwei Ansätze zu einer
bundesweiten Organisierung mitunterstützt. Zu einem - Initiative
Linke Organisierung - war von uns über die ARRANCA eingeladen
worden. Letztendlich scheiterte er, da viele Gruppen keine Neuorganisierung
der Linken anstrebten, sondern alte Konzepte und Strategien neu
aufwärmten. Danach haben wir unsere Organisierungsarbeit zunächst
auf die AA/BO (Antifaschistische Aktion / Bundesweite Organisation)
konzentriert. Aus der AA/BO traten wir jedoch 1995 wieder aus, da
die angestrebte Öffnung der anderen Gruppen über den Bereich
Antifaschismus hinaus ausblieb und sich zudem pragmatische Strömungen
durchsetzten, die kein Interesse an inhaltlichen Diskussionen hatten,
sondern vorwiegend auf die Quantität von Aktionen schielten.
Auch erschien uns eine Zusammenarbeit mit einigen Gruppen aus der
AA/BO, die stalinistische Positionen vertraten, unmöglich.
1994 unterstützten wir stark eine Kampagne für
die Freiheit von neun AntifaschistInnen und die Aufhebung der Haftbefehle
gegen 4 weitere, die des Mordes beschuldigt wurden, da sie an einem
Angriff auf ein Faschistentreffen beteiligt gewesen sein sollen.
Dabei kam ein Funktionär einer Nazi-Partei zu Tode. Von der
staatlichen Verfolgung war auch eine Genossin unserer Organisation
betroffen. Nach 1,5 Jahren wurde der Haftbefehl gegen sie aufgehoben
und wir freuen uns, sie wieder bei uns zu haben.
Zu diesem Zeitpunkt ('95) bestand FelS aus den Arbeitsgruppen
ARRANCA! und Antifaschismus. Die AG Antifaschismus dehnte ihre Arbeit
auf den Bereich Antirassismus aus und Ende des Jahres 1995 entstand
die Arbeitsgruppe "Internationale Solidarität" - die Euch diesen
Brief schreibt. Eine der ersten Aktionen war die Unterstützung
einer Kampagne für Benjamin Ramos Vega, einen katalanischen
Gefangen, der in Berlin inhaftiert war und dem vorgeworfen wurde,
die baskische Befreiungsbewegung ETA unterstützt zu haben.
Letztes Jahr ('96) schließlich entstand die
Sozial-AG, die sich mit Aktionen gegen Sozialkürzungen und
den Thematiken Arbeit, Arbeitslosigkeit, Grundsicherung, europäische
Einigung etc. beschäftigt.
Sie hat sich 1996 am Berliner Bündnis gegen Sozialkürzungen
und Ausgrenzung beteiligt und Demonstrationen und Aktionen mitorganisiert.
Auf dem Höhepunkt der Bewegung nahmen bis zu 30 000 Personen
an den Demonstrationen teil. Leider gelang der Sprung aus den Einzelinteressen
eine bewußte Bewegung zu bilden nicht und das Bündnis
zerfiel wieder.
Weiter hat sich FelS an verschiedenen Koordinationen
und Bündnissen zu anderen Themen beteiligt, bzw. an internationalen
Treffen und Austauschen teilgenommen (vor allem im Baskenland und
in Italien). Wir haben uns auch aktiv am Zapatistenkongreß
beteiligt.
Letztes Jahr haben wir uns dafür entschieden
zukünftig mehr Kraft in eine soziale und politische Verankerung
in einem der Ostberliner Stadtteile zu investieren. Daher haben
wir Anfang 1997 einen Stadtteilladen in Berlin-Friedrichshain eröffnet,
der als Ausgangspunkt für verschiedene soziale, politische
und kulturelle Aktivitäten gedacht ist.. Es finden regelmäßig
verschieden Veranstaltungen und Diskussionen, Filmvorführungen,
Parties und Sozial- sowie Totalverweigererberatung statt.
In Form dieses Stadtteilladens ist es unser Ziel,
uns politisch und sozial zu verankern bzw. linke Politik und Alltagskultur
wahrnehmbarer für die Bevölkerung zu machen. Mit Hilfe
des Ladens und der Infrastruktur, die er uns bietet - d.h. über
Veranstaltungen, Filme, Dia-Serien und Ausstellungen und über
Veröffentlichung von Texten und Interviews in unserer Zeitschrift
ARRANCA! - bemühen wir uns unser Projekt umzusetzen.
Die verschiedenen Arbeitsgruppen von FelS versuchen
ausgehend von ihrem Thema eine eigene Praxis im Stadtteil aufzubauen,
die Arbeitsgruppen treffen sich wöchentlich, es besteht aber
gleichzeitig noch ein Gesamtplenum aller an den Arbeitsgruppen beteiligten
Personen. Wir halten an diesem Konzept fest, da wir davon ausgehen,
daß es nur möglich ist, eine gesellschaftliche Alternative
zu entwerfen, wenn verschiedene Bereiche zusammenkommen. Im Plenum
werden zentrale und strategische Diskussionen geführt und entsprechende
Entscheidungen getroffen, wobei die AG- Einschätzungen natürlich
maßgeblich sind. Was wir bei FelS im kleinen versuchen, hat
sich z.B. beim Wechseln von Praxisfeldern als sinnvoll erwiesen.
Andere Gruppen wären daran meist zerbrochen.
Aktuell arbeitet FelS neben der konkreten Arbeit im
Laden und im Stadtteil an folgenden Themen:
- Kampagne gegen faschistische Verlage (Antifa/Antira-AG)
- EU, Euro, soziale Situation im Stadtteil (Sozial-AG)
- Solidaritätsarbeit zu Benjamin Ramos Vega und Baskenland;
knüpfen von internationalen Kontakten - mit Euch? (AG Internationale
Solidarität)
- Ausgabe zu Umstrukturierung/Stadtplanung; gemeinsame Ausgabe der
ARRANCA! mit einer italienischen Zeitschrift (ARRANCA-AG)
Die Gruppe besteht im Moment aus ca. 40 Personen,
etwa gleichviel Frauen und Männer, im Alter von 19 bis 35 Jahren,
darunter Studenten, Arbeitslose, Werktätige.
Doch warum schreiben wir Euch das alles, was wollen
wir also von Euch?
Zu allererst haben wir ein Interesse daran mit Euch
in einen Austausch über Eure eigene Praxis als Linke in eurem
eigenen Land, über Eure Sicht der gesellschaftlichen Verhältnisse
und Eure Einschätzung für Perspektiven linker Politik
zu treten.
In den letzten Monaten haben wir bei uns im Stadtteilladen
bereits Filme alternativer oder linker Regisseure zu verschiedenen
Themen aus anderen Ländern gezeigt, hatten Besuch aus Mexico
und haben uns mit vielen Leuten unterhalten, die länderspezifisch
arbeiten (z.B. in der Soli-Arbeit).
Das alles geschah jedoch immer recht unsystematisch
und ohne genauer Bescheid zu wissen über die politische Situation
in den entsprechenden Ländern und ohne mit Linken oder linken
Bewegungen in einem tieferen Austausch zu stehen.
Der einzige kontinuierliche Austausch, den wir momentan
haben, ist zu italienischen Linken und Medien sowie zu baskischen
Linken.
An diesem Punkt würden wir aber gerne mehr in
die Breite gehen und unsere Kontakte ausbauen. So streben wir praktisch
gesehen an, Informationen die wir bekommen in Diskussionen, Dia-Vorträgen,
Filmen, Ausstellungen oder Zeitungsartikeln zu verarbeiten, bzw.
uns sogar gegenseitig mal zu besuchen.
Solltet Ihr nach dem Lesen dieser Seiten Interesse
bekommen haben, dann meldet Euch mit Euren Idee dazu bei uns, oder
antwortet einfach auf folgende Fragen.
Auch für Euer Infomaterial und Hinweise zu weiteren
Kontakten zu anderen Linken wären wir sehr dankbar.
FelS
c/o Schwarze Risse
Gneisenaustr. 2a
10961 Berlin
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