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14.2.2000
Aktuelle Situation in Mexiko
Die Situation bleibt nach der polizeilichen Räumung der
Unam am 6.2. weiter widersprüchlich. Einerseits bleibt die
Situation der Inhaftierten weiter besorgniserregend, andererseits
konnte der Consejo General de Huelga (CGH) während der letzten
Woche einige Erfolge erzielen:
- Dem CGH ist es gelungen, sich zu rekonstituieren: Das heißt
es finden wieder Versammlungen des CGH statt. Zur Zeit auf dem
Gelände der UAM (Universidad Autónoma Metropolitana)
- eine breite Kampagne für die Freilassung der Gefangenen
wurdein Gang gesetzt. Letzten Mittwoch fand eine der größten
Demos der letzten Jahren in Mexiko statt. Zwischen 100.000 und
150.000 Menschen demonstrierten quer durch die Innenstadt, um
den CGH zu unterstützen. Die Demo war ein großer Erfolg.
- Intellektuelle, die noch 4.2 einen offen Brief unterschrieben
hatten, in dem sie die Streikenden eine "intolerante Minderheit"
nannten und den CGH aufforderten, die besetzten Gebäude der
Unam "sofort zurückzugeben", sind jetzt über die Räumung
empört. Elena Poniatowska sagte am 10.2. im Fernsehen: "Ich
fühle mich beschämt". Auch Carlos Monsivais äußerte
sich ähnlich.
Von den insgesamt 998 Gefangenen der Streikbewegung, die nach
der Räumung des Campus durch über 2000 Militärpolizisten
im Morgengrauen des 6. Februar im Gefängnis saßen,
wurden inzwischen 656 wieder freigelassen. 342 befinden sich allerdings
immer noch hinter Gittern.
Was über die Situation der Gefangenen bekannt wird, ist
äußerst besorgniserregend. Eltern von Verhafteten berichten
Journalisten von Folter. Leticia Espinosa de los Monteros Andrade
erzählt, was sie von ihrem 18-jährigen Sohn Lev Hadz
Venegas Espinosa weiß, der im Reclusorio Norte inhaftiert
ist, und den sie kurz besuchen durfte:
"Sie haben versucht, ihm einen Fingernagel mit einer Pinzette
aus dem Finger zu ziehen. Sie haben ihn nackt ausgezogen und an
den Handgelenken aufgehängt. Er hat mir erzählt, dass
sie ihm auf die Hoden schlugen und damit gedroht haben, ihn zu
vergewaltigen."
Die Mutter erzählt, dass sie den Fall der regierungsoffiziellen
Comisión de Derechos Humanos del Distrito Federal (CDHDF)
vortrug, die darauf nicht reagierte. Deshalb hat sie sich an Reporter
der Wochenzeitschrift proceso gewandt, die den Fall veröffentlichten.
Eine Gruppe von Eltern, die anonym bleiben möchte, erzählte
den Reportern von proceso folgendes über ihre verhafteten
Kinder:
"Bevor sie zum Reclusorio Norte und Consejo Tutelar para Menores
(Jugendhaftanstalt) kamen, haben sie ihnen, nachdem sie geschlagen
wurden, Drogen in das Essen gemischt, damit sie einschliefen.
Die Mädchen wurden gezwungen sich nackt auszuziehen, dann
wurde ihr After untersucht. Sie wurden in eiskaltem Wasser gebadet
und als sie schliefen gewalttätig wieder aufgeweckt. Ihnen
wurde außerdem gedroht, dass sie nach Almoyola und in das
Campo Militar número Uno gebracht würden, dass sie
vergewaltigt und sogar getötet würden." (Almoyola ist
ein Knast, in dem viele politische Gefangene sitzen. Campo Militar
número Uno ist eine Kaserne, die als Folterzentrum bekannt
ist.)
In einem Bericht von unabhängigen Medizinern, welche die
letzte Woche freigelassen Streikenden untersuchten, heißt
es: "Es ist sehr auffällig, dass von den 44 Frauen, die untersucht
wurden, 21 Quetschungen oder Schürfungen an verschiedenen
Teilen des Körpers aufweisen, die von Schlagobjekten herrühren."
Die Jugendlichen würden Syndrome von "posttraumatischen Stress"
zeigen, hießt es in dem Bericht weiter.
In einem Bericht, welcher der Liga para la Defensa de los Derechos
Humanos vorliegt, heißt es über die Erzählung
der freigelassenen Jugendlichen: "Sie sagen, dass sie an den Haaren
gezogen wurden, geschlagen wurden, einige wurde ins Gesicht geschlagen.
Wenn sie stolperten oder hinfielen, wurden sie getreten. Die PFP-Agenten
(Militärpolizei) sagten ihnen: Huren ... Auf
gehts ihr hjias de la chingada ... Ihr seid Dreck,
Arschlöcher, Idioten ... se las va a llevar la chingada...
wir werden Euch vergewaltigen' Als sie in den Bus verfrachtet
wurden, griffen sie einigen an die Brüste"
Heute (Montag, 14. Februar 2000) soll um 10 Uhr Ortszeit (17
Uhr GMT) in San Angel eine Demo des CGH losgehen, um die Unam
erneut zu besetzten.
Am 19. Februar soll eine mexikoweite Versammlung von Vertretern
unterschiedlicher Universitäten und Bildungsinstitutionen
stattfinden, um über einen nationalen Streik im Bildungswesen
zu beraten, den der CGH anstrebt.
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