Pastrana pokert
Erst in letzter Minute einigten sich der kolumbianische Präsident
und die Farc-Guerilla darauf, weiter zu verhandeln.
von Dario Azzellini
Es wird doch wieder verhandelt in Kolumbien. Noch Mitte Januar
schien es zunächst so, als werde Präsident Andres Pastrana
die Gespräche mit der Farc, der größten Guerilla
des Landes, abbrechen. Er gab ihr 48 Stunden Zeit, die seit drei
Jahren entmilitarisierte Zone von der Größe der Schweiz
zu räumen, während das Militär das Gebiet bereits
umstellte und sich auf Kämpfe vorbereitete. Nun aber haben
die Farc und die kolumbianische Regierung sich doch noch auf einen
gemeinsamen Fahrplan für weitere Gespräche einigen können.
Das Ergebnis kam durch die Vermittlung von James Lemoyne, einem
Delegierten des Uno-Generalsekretärs, zustande, dem Pastrana
lediglich 48 Stunden Zeit gegeben hatte, um die Farc zurück
an den Verhandlungstisch zu holen.
Begleitet von Lemoyne, Vertretern verschiedener Länder und
der katholischen Kirche einigten sich die Regierung und die Farc
auf einen exakten Terminplan, nach dem am 7. April ein Waffenstillstand
unterschrieben werden soll. Dafür sicherte Pastrana die Existenz
der Farc-Zone bis zum 10. April zu. Bis dahin sollen die Gespräche
an drei Tagen pro Woche weiter geführt werden. Die Regierung
sagte zum wiederholten Male zu, den Paramilitarismus zu bekämpfen,
während die Farc sich erneut verpflichtete, keine Entführungen
mehr durchzuführen - Zusagen, die von beiden Seiten während
der vergangenen Jahre nie eingehalten wurden.
Die Regierung ließ bisher keinerlei Anstrengung im Kampf
gegen die rechtsextremen Paramilitärs erkennen. Zum Jahreswechsel
reagierten die Armee und die Paramilitärs mit gemeinsamen Aktionen
auf einen vom ELN, der zweitgrößten Guerilla Kolumbiens,
verkündeten einseitigen Waffenstillstand. Daher erscheint auch
ein Waffenstillstand mit der Farc zum angestrebten Termin nicht
sehr wahrscheinlich. Doch zumindest dürfte eine drastische
Verschärfung des Krieges verhindert worden sein. Insbesondere
die in der Farc-Zone lebende Bevölkerung, die sich bereits
als Opfer von Massakern der Paramilitärs und der Armee sah,
dürfte aufatmen.
Ganz anders die extreme Rechte Kolumbiens. Der zu den Präsidentschaftswahlen
Ende Mai für die Liberale Partei antretende Kandidat Horacio
Serpa Uribe erging sich nach dem Bekanntwerden der Fortsetzung der
Gespräche in Hasstiraden, während der Generalkommandeur
der kolumbianischen Armee, General Fernando Tapias, seine Enttäuschung
kaum verbergen konnte.
Wenig erfreut über das Ergebnis dürfte auch die US-Regierung
gewesen sein, die ebenso wie das kolumbianische Militär auf
einen Abbruch der Gespräche gedrängt hatte. Die USA und
die EU hatten nach dem ursprünglichen Ultimatum Pastranas einhellig
verkündet, dieser habe alles Mögliche für den Frieden
getan; die Schuld am Scheitern liege bei der Guerilla, während
Pastrana auf die volle Unterstützung der USA und der EU zählen
könne.
Das war Pastrana sicher nicht verborgen geblieben, nahm doch Ann
Patersson, die US-Botschafterin in Kolumbien, an allen Notsitzungen
der kolumbianischen Regierung teil, während der kolumbianische
Botschafter in Washington im ständigen Kontakt mit dem US-State
Department stand. Und während der UN-Gesandte und die Farc
die Gespräche zu retten versuchten, weihten die US-Botschafterin
und der kolumbianische Präsident Militärkasernen ein und
feierten die Übergabe weiterer US-Kampfhubschrauber an die
kolumbianische Armee. 33 der insgesamt 74 im Rahmen des Plan Colombia
vorgesehenen Kampfhubschrauber wurden von den USA bereits übergeben.
Die milliardenschwere Unterstützung, Bewaffnung und Ausbildungshilfe,
die Kolumbien zukommt, sollte - so die offizielle Version bisher
- ausschließlich im Kampf gegen den Drogenanbau und -handel
genutzt werden. Von Intellektuellen über Bauernorganisationen
und Guerillas bis zu liberalen und kirchlichen Organisationen hingegen
wird der Plan Colombia als Teil der "Aufstandsbekämpfung"
kritisiert. Der Tageszeitung Washington Post zufolge überlegt
die Regierung von George W. Bush nun auch offiziell, die Nutzung
"im Kampf gegen die Subversion" zu genehmigen.
Eine bedeutende Rolle spielt auch der vor zwei Wochen von Bush
ernannte Staatssekretär für die westliche Hemisphäre
im Außenministerium, Otto Reich, ein extrem rechter Exilkubaner.
Nach Bushs Amtsantritt am 20. Januar 2001 war der Posten zunächst
unbesetzt geblieben, da der Präsident für seine Wunschkandidaten
nie genügend Stimmen im Senat erhielt. Doch nun setzte Bush
mit Hilfe eines Tricks Otto Reich an die Spitze seines Lateinamerika-Stabes.
Er berief sich auf ein Gesetz, das vorsieht, dass der Präsident
die Ernennung der Staatssekretäre auch ohne Zustimmung vornehmen
kann, wenn eine Notsituation herrscht und der Senat zudem nicht
tagt.
Unter Ronald Reagan, also zu Zeiten der direkten Unterstützung
des Contra-Krieges in Nicaragua, war Reich der Leiter einer Abteilung
des Außenministeriums, dessen Aufgabe es war, "die öffentliche
Meinung in den USA durch die Nutzung von Taktiken zu verändern,
die für gewöhnlich verwandt werden um die Bevölkerung
feindlicher Länder zu verunsichern und manipulieren".
Auch in die Iran-Contra-Affäre war Reich verwickelt. Nach Skandalen
musste die Abteilung 1987 geschlossen werden. Dass Reich jetzt wieder
eine führende Rolle in der Lateinamerika-Politik der USA einnimmt,
lässt nichts Gutes erwarten.
Dies dürfte auch für die wieder aufgenommenen Gespräche
zwischen dem ELN und der kolumbianischen Regierung gelten, die abgebrochen
wurden, nachdem sich Pastrana über Monate hinweg geweigert
hatte, bereits unterschriebene Abkommen über die Entmilitarisierung
eines Gebiets für den ELN umzusetzen. Nach einigen Monaten
kam es erneut zu einer vorsichtigen Annäherung, und im Dezember
erkannte Pastrana - eine Vorbedingung für Gespräche -
dem ELN wieder einen politischen Status zu. Anfang Januar einigten
sich beide Seiten auf eine Themenabfolge, um in den nächsten
sechs Monaten auf Kuba, in Venezuela und in anderen Ländern
Gespräche zu führen. Der ELN lehnte es ab, weiterreichende
Vereinbarungen zu schließen, da Pastranas Mandat am 7. August
ausläuft.
Vermutungen, der ELN würde nun auf eine entmilitarisierte
Zone in Kolumbien verzichten, wies der ELN-Comandante Ramiro Vargas
weit von sich: "Im Moment sind die Vorschläge nur auf
Eis gelegt, da wir davon ausgehen, dass diese Regierung weder die
Fähigkeit noch die Entscheidungsmöglichkeit oder die Zeit
für ihre Umsetzung besitzt. Wir werden uns in den nächsten
Monaten mit den verschiedenen Präsidentschaftskandidaten darüber
unterhalten."
Doch ganz leicht wird es sicher nicht, mit den Präsidentschaftskandidaten
über ihre Programmatik zu reden. So verteilte Ingrid Betancur,
die Kandidatin der "Bewegung grüner Sauerstoff" und
Tochter eines ehemaligen Ministers, zum Auftakt ihres Wahlkampfes
in den Straßen Bogotas Viagra, um - wie sie sagte - "das
Land wieder hoch zu kriegen"
(Quelle: Jungle World 30.01.02)
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