Audiencia Publica Popular - 3. Session 5.12.2002 Bogota, Kolumbien
Die Audiencia Publica Popular (APP) ist Teil der "Campaña
contra la impunidad, Colombia clama Justicia" - "Kampagne
gegen die Straflosigkeit, Kolumbien fordert Gerechtigkeit".
Die APP wird seit mehr als 18 Monaten von der Lebensmittelgewerkschaft
SINALTRAINAL vorbereitet und richtet sich gegen die Politik transnationaler
Konzerne in Kolumbien. Im Einklang mit der herrschenden Politik
des kolumbianischen Staates und untertstuetzt von paramilitaerischen
Gruppen setzen diese systematisch ihre Interessen mit menschenverachtenden
Mitteln durch. Die Audiencia zeigt auf, dass sie verantwortlich
sind fuer Repression, Vertreibungen und Morde, so wie fuer die permanenten,
sich fortsetzenden Verletzungen der Menschenrechte und die Nichtachtung
der sozialen und wirtschaftlichen Rechte ihrer ArbeiterInnen und
ihrer Familien. Der Protest und das oeffentliche Anklagen dieser
Politik richtet sich dabei in erster Linie gegen den Coca Cola Konzern,
der Organisierung und Widerstand seiner Angestellten mit allen Mitteln
zu unterbinden sucht. Vor allem gewerkschaftliche Organisierung
wird von Coca Cola systematisch bekaempft. Der Konzern ist durch
seine Politik verantwortlich fuer Morddrohungen, Vertreibungen und
massive Einschuechterung, fuer die Morde an acht Gewerkschaftern
aus der Fuerungsebene von SINALTRAINAL und vieler weiterer Mordversuche
an Gewerkschaftsmitgliedern. Mehr als 48 ihrer Gewerkschaftsmitglieder
mussten in den letzten 10 Jahren in andere Regionen fliehen und
2 mussten ganz ausser Landes ins Exil gehen. Mit der Audiencia wird
versucht diese Zustaende offenzulegen und anzuklagen. Es geht darum,
die Ohnmacht und Sprachlosigkeit zu ueberwinden, die Straflosigkeit
die der kolumbianische Staat den Moerdern an den AktivistInnen der
sozialen Bewegungen garantiert, die Repressionsmittel die eingesetzt
werden und den Terror den er foerdert, international zur Sprache
zu bringen und Raeume zu oeffnen, in denen eine Artikulation der
Zustaende moeglich wird. In diesem Zusammenhang wurde am 22.7. 2002
die erste Sitzung der APP in Atlanta in den USA durchgefuehrt, wo
der Coca Cola Konzern seinen Hauptsitz hat. Die zweite Sitzung fand
am 10.Oktober in Bruessel im Europaeischen Parlament statt und war
aufgrund der grossen Beteiligung ein eindeutiger Erfolg. Die dritte
und vorerst letzte Sitzung fand am 5.12. in Bogota statt und wurde
durch die grosse Unterstuetzung internationaler wie auch kolumbianischer
Organisationen mitgetragen.
¿Porque nos asesina, si somos la esperanza de América
Latina?
War einer der meistskandiertesten Sprueche auf einer 200 Leute
zaehlenden Kundgebung vor der Coca Cola Fabrik in Fontibon, Bogota,
mit der der Tag der Audiencia begann. Die Delegierten, Teile der
Gewerkschaftsbasis und VertreterInnen internationaler Organisationen
versammelten sich um 10.45 Uhr bei gutem Wetter und bester Stimmung
vor der Fabrik um mit Transpis, Sprechchoeren und Redebeitraegen
die Zustaende in den Fabriken anzuprangern. Darueber hinaus wurden
ebenfalls die ALCA ( Area de libre Comercio de Amerika - amerikanische
Freihandelszone), die neuen Reformen der Uribe Regierung und die
Rolle der transnationalen Unternehmen thematisiert. Anschliessend
zog der Buskonvoi direkt zur amerikanischen Botschaft. Waehrend
die DemonstrantInnen vor der Fabrik noch relativ ungestoert ihrem
Protest Ausdruck verleihen konnten, wurden sie nun von einem Aufgebot
verschiedener Sicherheitskraefte empfangen. Davon unberuehrt wurden
weiterhin Parolen skandiert und Flugblaetter an die Umstehenden
verteilt. Nachdem die "Ordnungskraefte" mit Pferden und
Raeumpanzer den Weg zur calle 26 blockierten schlug der inzwischen
auf 250 Leute angewachsene Demonstrationszug spontan die andere
Richtung ein. Doch auch ueber einen anderen Weg das Botschaftsgelaende
zu erreichen um vor den Haupteingang zu gelangen wurde erneut durch
das Polizeiaufgebot verhindert. Schliesslich gelang es nach Verhandlungen
zwischen SINALTRAINAL Praesident Luis Javier Correa mit einem Vertreter
der nordamerikanischen Botschaft die Route fortzusetzen. Vorbei
an meterhohen Sichereitszaeunen und staunenden Pasanten zog die
Demo auf die 26. calle, wo sie teilweise von Hupkonzerten begleitet,
der Botschaft keine Ruhe goennte. Klatschend, singend und mit deutlich
positiver und kaempferischer Stimmung zogen schliesslich die DemonstrantInnen
zu ihren Bussen zurueck.
¡Contra la impunidad SINALTRAINAL clama justicia!
War neben anderen Mottos auf Transpis im 500 Sitzplaetze zaehlenden
Konferenzsaales der fuer die APP gewaehlt wurde zu lesen. Eroeffnet
wurde die Konferenz von Domingo Tovar, dem Zustaendigen fuer Menschenrechte
im Fuehrungsgremium des CUT (Gewerkschaftsdachverband) und Luis
Javier Correa. Anschliessend folgten Solidaritaetsbekundungen verschiedenster
nationaler wie auch internationaler Organisationen. So sprach z.B.
der erst kuerzlich gewaehlte Praesident des CUT, verschiedene Vertreter
von Campesino und Desplazado (Vertriebene) Organisationen, RepraesentantInnen
vom "Foro Politico y social", dem colectivo de abogados
(Anwaltskollektiv), wie auch von Indigenaorganisationen. International
waren Delegationen aus Mexiko, Argentinien, Kuba, Italien, Belgien,
Spanien, Baskenland, Deutschland, England und den USA vertreten.
Die deutliche Solidaritaet, die durch die starke Praesenz kolumbianischer
wie internationaler Organisationen vermittelt wurde, stellen fuer
SINALTRAINAL und alle sozialen Organisationen des Landes ein wichtiges
Zeichen dar. Dieses vor allem in einer Situation, in der der Praesident
AlvaroUribe Velez an der Legalisierung der Paramilitaers arbeitet
und mit Hilfe des Plan Colombia, so wie der ALCA eine weitere Eskalation
und militaerische Loesung der sozialen Konflikte des Landes vorantreibt.
Bereits in den ersten drei Montaten seiner Amtszeit kam es zu Verteibungen
von 150.000 Menschen; doppelt so viele wie im entsprechenden Zeitraum
der Pastrana Regierung. Besonders hervorzuheben ist die Teilnahme
des Europaparlamentsabgeordneten und Deligierten fuer die Suedamerikanischen
Laender Pedro Marset, sowie die des belgischen Europaparlaments-Berater
Paul Emile Dupret. Mit Grussworten von Gustavo Petro Urrego, Abgeordneter
der kolumbianischen Kammer, und Gerardo Jumi Tapias, Senator, waren
auch zwei Opositionelle der Einladung gefolgt. Weniger erfreut ueber
die Einladung waren wohl Vertreter des Coca Cola Konzerns, denn
diese glaenzten, wie auch in Atlanta und Bruessel, mit Abwesenheit.
Die Mehrheit der 600 TeilnehmerInnen bildeten trotz allem die Deligierten
von Sinaltrainal, die sich aus dem ganzen Land zusammengefunden
hatten und auch immer wieder waehrend der Konferenz auf die Morde
an ihren Compañeros mit Sprechchoeren aufmerksam machten.
Insgesamt dauerte die Konfernz ueber fuenf Stunden an. So wurde
zunaechst ueber die Coca Cola Politik in anderen Staaten referiert.
Coca Cola wurde hierbei beschuldigt auch in Guatemala, Venezuela,
Indien, Pakistan, Israel, und den Philipinen die eigenen Interessen
mit Mord, Gewalt, Korruption und einer Nichtachtung gewerkschaftlicher
Rechte durchzusetzen. Die Politik des Coca Cola Konzerns speziell
in Kolumbien wurde umfassend dargestellt, gravierende Menschenrechtsverletzungen
durch Coca Cola an Mitgliedern SINALTRAINALs wurden durch ausfuehrliche
Beispiele und Augenzeugenberichte erlaeutert. Die Audiencia, die
bis in den spaeten Abend andauerte, begnuegte sich nicht nur damit
die Verbrechen der Multis zu benennen und Solidaritaetsformeln auszutauschen
sondern stellte darueber hinaus konkrete und sehr radikale Forderungen
auf. Der 27 Punkte umfassende Forderungskatalog verlangt eine materielle,
in erster Linie jedoch politische Entschaedingung der Opfer, ihrer
Familien und der betroffenen Organisationen. Die "Reparacion
integral de las Victimas" richtet sich nicht nur an den Coca
Cola Konzern, sondern in diesem Zusammenhang auch an die politische
Verantwortung der kolumbianischen Regierung.
|