Wer ist Alvaro Uribe?
Aus den gestrigen Wahlen in Kolumbien ist der rechtsradikale Kandidat
Alvaro Uribe Vélez als eindeutiger Sieger hervorgegangen.
Uribe, der von den Paramilitärs und von großen Teilen
der liberalen und konservativen Politeliten unterstützt wurde
erhielt 53 Prozent der Stimmen. Der Kandidat der Liberalen Partei
Horacio Serpa kam auf etwas über 30 Prozent, der linke Gewerkschafter
Lucho Garzón auf 6,2 Prozent. Ein zweiter Wahlgang ist nicht
mehr nötig, da Uribe schon die notwendige absolute Mehrheit
erhalten hat. Anzumerken ist allerdings, dass erneut nur 10 von
ca. 23 Millionen wahlberechtigten KolumbianerInnen ihre Stimme abgaben
und dass die Todesschwadrone in vielen Regionen die Bevölkerung
zur Stimmabgabe für Uribe zwangen. Mit dem Siegeszug des Ex-Gouverneurs
von Antioquia erreicht eine Entwicklung ihren Höhepunkt, die
von Menschenrechtsorganisationen schon seit längerem besorgt
beobachtet wird: die Etablierung eines ultra-rechten politischen
Projekts. Die von einer Allianz aus Viehzüchtern, Unternehmern,
Militärs und Drogenhändlern getragenen Paramilitärs
bemühen sich bereits seit einigen Jahren sehr erfolgreich,
die kolumbianischen Institutionen zu durchdringen. Nach Angaben
des Paramilitär-Kommandanten Salvatore Mancuso konnten die
verdeckt angetretenen Kandidaten der Ultra-Rechten bei den Kongresswahlen
im März ein Drittel der Sitze in Senat und Abgeordnetenhaus
erobern. Zwar können die unter dem euphemistischen Namen "Vereinigte
Bauernselbstverteidigungen" (AUC) agierenden Paramilitärs
seit jeher auf Unterstützung aus dem Staatsapparat zählen,
doch mit den letzten Wahlerfolgen wird diese verdeckte Kooperation
zunehmend zur offiziellen Politik. Dementsprechend hat Uribe - der
sich gleichzeitig für eine US-Intervention im Land ausspricht
-angekündigt, nach seiner Wahl eine Million Kolumbianer in
zivilmilitärische Verbände zu integrieren. Uribes Parteinahme
für die illegale Rechte ist nicht weiter verwunderlich, wenn
man seine Biografie kennt. Der Ex-Gouverneur, der - wie die Newsweek
im März schrieb - "eher wie ein Mathematiklehrer als wie
ein ideologischer Hardliner" aussieht, stammt aus einem jener
Großgrundbesitzer-Clans, die den schmutzigen Krieg auf dem
Land Anfang der 80er Jahre mit initiierten. Bereits 1982 wurden
gewerkschaftlich organisierte Landarbeiter auf Uribes Finca La Mundial
zu Opfern von Mordanschlägen. Kurze Zeit später übergab
die Familie ihre Finca Guacharacas der XIV. Armeebrigade, die das
Gelände wiederum an die Paramilitärs abtrat. Ende 1988
diente dieser Stützpunkt als Ausgangspunkt für ein Massaker
an 20 Bauern in der Nähe der Kleinstadt Remedios. Vor diesem
Hintergrund stellt sich auch die Tatsache, dass Alvaro Uribes Vater
Alberto von der Guerilla ermordet wurde, etwas anders dar als in
der Version des Kandidaten. Darüber hinaus hat Uribe Vélez,
der sich im Wahlkampf als Saubermann gegen die Korruption anpreist,
offensichtlich auch enge Verbindungen zur Drogenmafia. Vater Alberto
war ein Freund des Drogenbarons Fabio Ochoa und konnte, so das Standardwerk
über den Drogenhandel "Los Jinetes de Cocaína",
nur durch die Intervention eines befreundeten Regierungsbeamten
vor der Auslieferung in die USA gerettet werden. Sohn Alvaro selbst
soll seinen Job als Leiter der Zivilluftfahrtbehörde 1980-82
genützt haben, um Drogenhändlern die benötigten Fluglizenzen
zu verschaffen. Als Bürgermeister von Medellín förderte
Uribe in Zusammenarbeit mit Drogen-Capo Pablo Escobar 1982-83 ein
"soziales Wohnungsbauprogramm", mit dem die Kokainmafia
ihre politische Akzeptanz in der Stadt zu erhöhen versuchte.
Ende der 80er Jahre dann gehörte Uribe (ebenso wie Paramilitärkommandant
Carlos Castano) zu jenen Männern im Umkreis des Medellín-Kartells,
die sich rechtzeitig vom Drogenbaron Pablo Escobar absetzten, als
dieser dem Staatsapparat den Krieg erklärte. Doch die Verbindungen
zur Kokainmafia kappte Uribe nicht. Nach Angaben der DEA importierte
Pedro Juan Moreno, während Uribes Amtszeit in der Regionalregierung
von Antioquia rechte Hand des Gouverneurs, 1997 und 98 50 Tonnen
zur Kokainproduktion notwendiger Chemikalien illegal nach Kolumbien.
Und auffällig ist auch, dass der wegen Drogenhandels zu 5 Jahren
verurteilte Ex-Mitarbeiter Uribes in der Luftfahrtbehörde,
Cesar Villegas, Anfang dieses Jahres im Gefängnis ermordet
wurde. In der kolumbianischen Öffentlichkeit sind solche Details
nicht zu lesen. Nur wenige Journalisten wagen darauf hinzuweisen,
dass Uribe als Gouverneur von Antioquia mit den Sicherheitskooperativen
CONVIVIR den Paramilitarismus bereits einmal legalisierte und damit
zur systematischen Ausbreitung der Terrorkommandos in Nordwestkolumbien
beitrug. Die Tatsache, dass die Menschenrechtsorganisation ASFADDES
den Ex-Gouverneur der Mittäterschaft am Mord an 2 Studenten
1995 in Medellín bezichtigt, blieb in den kolumbianischen
Medien sogar völlig unerwähnt. So erklärt sich Uribes
Erfolg bei den Fragen auch mit der mehr oder weniger offenen Unterstützung
der 2 oder 3 großen Medienkonzerne.
Trotz dieses düsteren Panoramas glauben kolumbianische Gewerkschafter,
dass die Wahlkampfkonjunktur auch ihr Gutes hatte. Vor dem Hintergrund,
dass die Ultra-Rechte die Pfründe von Teilen der traditionellen
Polit-Eliten in Frage stellt und in verschiedenen Regionen dazu
übergegangen ist, Kandidaten der Liberalen Partei zu bedrohen,
hat deren Kandidat Horacio Serpa zum ersten Mal das Problem des
Paramilitarismus auf die politische Tagesordnung gesetzt. Nebulös
erklärte Serpa, dass "die Paramilitärs einen eigenen
Kandidaten" hätten und sich dieser zu erkennen geben solle.
Serpas Haltung ist einigermaßen amüsant, wenn man weiß,
dass er es selbst war, der als Innenminister Mitte der 90er Jahre
die Ausrüstung der von Uribe gegründeten CONVIVIR-Milizen
mit Gewehren autorisierte. Nichtsdestotrotz trägt sie dazu
bei, das größte Tabu der kolumbianischen Politik zu durchbrechen:
die Tatsache, dass sich die Oberschicht seit 1982 nur deswegen an
der Macht hält, weil sie einen erbarmungslosen Vernichtungskrieg
gegen jede Art von Opposition führt.
Die verhaltenen Proteste der Liberalen werden sicher keine politische
Wende nach sich ziehen. Die hinter den Kulissen agierende US-Regierung
befürwortet die militärische Option Uribes klar und scheint
mit dessen Drogenverbindungen kein Problem zu haben. Doch durch
die Debatte um den schmutzigen Krieg hat die Linkskandidatur des
Erdölgewerkschafters Lucho Garzón unerwartet Aufwind
erhalten. Garzón habe davon profitiert, dass er als einziger
Kandidat eine klare Position zu den Todesschwadronen vertritt, meint
der Bogotaner Gewerkschafter Pacho Castelo. Mit nun etwas über
6 Prozent ist Garzon ein bisschen hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Aber darum ist es dem als "Demokratischer Pol - Soziale und
politische Front" angetretenen Bündnis auch gar nicht
unbedingt gegangen. Ziel der Allianz aus Gewerkschaftslinken, Sozialdemokraten
und Indígenas sei vielmehr gewesen, so Castelo, dafür
zu sorgen, dass "eine andere Stimme in der Öffentlichkeit
zu hören ist und der Rechtstrend in den Städten gestoppt
wird". Tatsächlich ist erschreckend, wie stark sich die
von der Ultra-Rechten als Geisel genommene kolumbianische Gesellschaft
mit ihren Geiselnehmern zu identifizieren beginnt.
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