Politische Erklärung "Forum Arbeitsbedingungen in Kolumbien"
Erste Sitzung der Audiencia Pública Popular "Héctor
Daniel Useche Berón" Atlanta, 20. Juli 2002
Das transnationale Unternehmen Coca-Cola ist eines der sechs grössten
Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie der Welt;
ist eines der besten Beispiele der neoliberalen Globalisierung.
Während seine Gewinne Tag für Tag wachsen, wird die Situation
seiner Arbeiter jeden Tag schwieriger. In den letzten Jahren wurden
in Kolumbien mehr als 10.000 Arbeiter von Coca-Cola entlassen und
durch Zeitvertrags-Arbeiter ersetzt. Mit Zeitverträgen, outsourcing
und der ausserbetrieblichen Untervertragnahme von Dienstleistungen
umgeht Coca-Cola die Kosten, die für die Arbeiter Stabilität
und soziale Absicherung bedeuten und erhöht gleichzeitig die
Gewinne. Das transnationale Unternehmen und seine Lizenznehmer versuchen
darüber hinaus ständig, die Arbeitsgarantien abzubauen,
die von den Arbeiter/innen erkämpft und in kollektiven Tarifverträgen
festgeschrieben wurden.
Angesichts dieser Situation haben sich die Arbeiter/innen organisiert,
um ihre Rechte zu verteidigen. Die Antwort des Unternehmens ist
Terror und Repression. In den letzten zwölf Jahren wurden sieben
Arbeiter von Coca-Cola ermordet, drei von ihnen während Tarifverhandlungen,
48 wurden vertrieben und zwei leben im Exil. Ebenso kam es zu unzähligen
ungerechtfertigten Festnahmen von Gewerkschaftsführern, die
Demonstrationen und Protestaktionen der Arbeiter/innen wurden militarisiert,
und in vielen Fällen wurden die Leibwächter der Geschäftsführer
und die Sicherheitskräfte des Unternehmens ausgenutzt, um die
Gewerkschaft anzugreifen. Die Drohungen der Paramilitärs innerhalb
der Werke und in den Munizipien sind konstant und verursachen grosse
Besorgnis unter den Arbeitern und in den Gemeinden. Es ist offensichtlich,
dass die Arbeitsrechte permanent verletzt werden. Aufgrund dieser
systematischen Agression ist die Mitgliederzahl der Lebenmittelgewerkschaft
SINALTRAINAL, die unter anderem die Arbeiter/innen von Coca-Cola
vertritt, von 5.400 auf 2.300 zurückgegangen, und die Versuche,
die Gewerkschaft auszulöschen halten an.
Die Haltung der kolumbianischen Regierung ist von völliger
Komplizenschaft mit Coca-Cola geprägt. Ein Beweis dafür
ist die totale Straflosigkeit, der sich die Verbrechen und die Übergriffe
gegen die Gewerkschaft und die Arbeiter/innen erfreuen. Deshalb
hat SINALTRAINAL vor dem Gerichtshof des Süddistriktes von
Florida (Miami), USA, eine Strafanzeige gegen Coca-Cola gestellt
und beruft sich dabei auf den Alien Torts Claims Act (ATCA), der
vom Kongress der USA 1789 verabschiedet wurde. Für diese Anzeige
hat die Gewerkschaft die Unterstützung und die Solidarität
der United Steel Workers und des Internationalen Arbeitsrechtefonds
der USA gewonnen.
Aber um das gewalttätige Vorgehen eines der weltweit grössten
Unternehmen aufzuhalten, ist eine Anklage nicht genug. Um diese
Aktion zu ergänzen, haben SINALTRAINAL und die sie begleitenden
Organisationen vom 20. bis 22. Juli 2002 in Atlanta, Georgia / USA,
die erste Sitzung der Öffentlichen Volksanhörung abgehalten,
als Ausdruck des Kampfes des kolumbianischen Volkes und der internationalen
Basisorganisationen für die Überwindung der vernichtenden
Auswirkungen des Staatsterros und der Politik der multinationalen
Unternehmen.
Deshalb stellt die Gruppe der hier vertretenen Personen und Organisationen,
die sich im Kampf für eine neue Weltordnung, basierend auf
sozialer Gerechtigkeit und internationalistischer Solidarität,
zusammengefunden haben, fest:
- Die unbegrenzte Habgier der transnationalen Unternehmen, im konkreten
Fall Coca-Cola, erzeugt Armut und Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt
in der ganzen Welt.
- Die Regierungen der abhängigen Länder, wie Kolumbien,
übernehmen keine Verantwortung für die Respektierung der
ökonomischen, sozialen, kulturellen, politischen und Arbeitsrechte,
denn sie unterstützen die Interessen der transnationalen Unternehmen.
Die Verbrechen und ihre Straflosigkeit kommen den transnationalen
Unternehmen zugute.
- Nur die internationalistische Solidarität und der vereinte
Kampf gegen die Macht der transnationalen Unternehmen können
den Druck erzeugen, der für die Aufhaltung des Terrors und
der Vernichtung der Arbeitsplätze in Ländern wie Kolumbien
nötig ist.
Deshalb haben wir beschlossen, eine Solidaritäts- und Anklagekampagne
zu starten, die die folgenden Ziele verfolgt:
- Brücken der Partnerschaft zwischen der Bevölkerung und
der Arbeiterklasse Kolumbiens und den hier vertretenen Ländern
zu bauen
- die Existenz von SINALTRAINAL und der Gewerkschaftsbewegung in
Kolumbien als sozialer Vermittler zu garantieren
- die internationale Kampagne "Gegen die Straflosigkeit, Kolumbien
fordert Gerechtigkeit" und die Entscheidungen und Aufgaben
zu unterstützen, die sich aus ihr ergeben
- die Unterdrückungspolitik von Coca-Cola zu entlarven
- sozialen und politischen Druck auf das transnationale Unternehmen
zu erzeugen, damit die Politik der Auslöschung der Gewerkschaft
und die Unsicherheit des Arbeitsmarktes aufhöre, und Druck
auf den kolumbianischen Staat, damit er die für die Ermordung
kolumbianischer Gewerkschaflter Verantwortlichen verurteile und
bestrafe
- die Bewegung des Widerstandes gegen die neoliberale Globalisierung
zu unterstützen.
Die Kampagne fordert vom transnationalen Unternehmen Coca-Cola:
- die Entlassungen von Arbeiter/innen in Kolumbien und in anderen
Ländern zu stoppen
- Arbeitsplatzstabilität und soziale Sicherheit der Arbeiter/innen
in Kolumbien und anderen Ländern zu garantieren
- das Recht auf Organisierung, auf Streik und auf Gewerkschaftsarbeit
zu respektieren
- die in den kollektiven Tarifverträgen gewonnenen Arbeitsrechte
zu respektieren
- die Verantwortung für die vollständige Wiedergutmachung
des durch den gegen die Arbeiter/innnen ausgeübten Terror Zerstörten
zu übernehmen
- auf Druckausübung und Repression gegen die Arbeiter/innen
zu verzichten.
Die Kampagne fordert vom kolumbianischen Staat:
- die Kriminalisierung des sozialen Protestes und die ungerechtfertigte
Inhaftierung von sozialen und Gewerkschaftsführern zu stoppen
- die für die Ermordung von kolumbianischen Gewerkschaftlern
Verantwortlichen zu verurteilen und zu bestrafen
- das Recht des kolumbianischen Volkes auf Organisierung und Mobilisierung
zu garantieren
- den Staatsterror zu stoppen und die paramilitärischen Söldnergruppen
aufzulösen.
Die internationale Gemeinschaft fordern wir auf, die für die
Sanktionierung der transnationalen Unternehmen, die gegen das Leben,
gegen soziale, ökonomische und kulturelle Rechte der Völker
verstoßen, notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, und sich
gleichzeitig für den Aufbau einer solidarischen Welt einzusetzen,
in der die Menschenwürde und das Leben wichtiger sind als die
Anhäufung von Kapital.
Die Kampagne ist ein Prozess des Widerstandes gegen die neoliberale
Globalisierung, ist ein Prozess der internationalistischen Solidarität,
die Alternativen zum totalitären Modell der Globalisierung
sucht, ist ein Prozess der Bewusstmachung, der Organisierung und
des Aufbaus von Widerstand.
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