Sieben Morde bei Coca Cola
(Interview von Tommy Ramm 07.12.2001)
Luis Javier Correa, Präsident der kolumbianischen Lebensmittelgewerkschaft
Sinaltrainal wirft dem CocaCola-Konzern trotz eingereichter Klage
weiter Menschenrechtsverletzungen vor.
"Siempre Coca Cola - Immer Coca Cola" lautet der internationale
Werbespruch des Konzerns, dem die Gewerkschafter von Sinaltrainal
nichts entgegen zu setzen haben. Denn immer wiederkam es in den
letzten Jahren zu verschiedenen Übergriffen gegengewerkschaftlich
organisierte Firmenarbeiter. Die Methodenreichen von Drohungen,
Verschleppungen und Folter bis hin zu Mord. Sieben Gewerkschafter
wurden in den letzten 13 Jahren bei Coca Cola in Kolumbien getötet,
viele mussten fliehen. Vor einem halben Jahr reichte die Gewerkschaft
Sinaltrainal, die zum größten Lebensmittelsyndikat im
zersplitterten kolumbianischen Gewerkschaftslabyrinth zählt,
mit Unterstützung US-amerikanischer Verbände eine Zivilklage
gegen den Konzern in Florida ein. (Vgl. "Coke did nothing")
Damit wollen sie eine moralische und ökonomische Entschädigung
für die Opfer erstreiten und auf die Situation der Gewerkschaften
in Kolumbien hinweisen. Denn bei Coca Cola arbeiten von 10570 Beschäftigten
nur noch 2593 in Festanstellung. Der Rest besteht aus Zeitarbeitern.
Ähnliche Bedingungen herrschen bei Nestlé und anderen
Betrieben, in deren Betrieben es ebenfalls zu Morden kam. Allein
dieses Jahr starben im Land bereits 128 Gewerkschafter durch Mord.
Als Resultat dieser Bedrohung beträgt die Organisationsrate
unterkolumbianischen Angestellten nur noch 3,2 Prozent. Derweil
hat der Coca Cola-Konzern, der in Kolumbien über den Firmennamen
Panamco vertreten ist, aus den Gewerkschaftsbemühungen gelernt:
nämlich nichts. Auf telefonische Nachfrage nach dem Interview
stritt die Firma jegliche Verantwortung für Morde ab. Von der
US-Botschaft, die sich nach der Klageeinreichung aktiv zeigte, verweigerte
man Aussagen zu dem Fall während der laufenden Klage. Die Repressionen
aber gehen weiter, wie der Präsident der kolumbianischen Lebensmittelgewerkschaft
Sinaltrainal in einem Interview mit telepolis berichtet.
Der Coca Cola Konzern hat in Kolumbien jährlich ein Handelsvolumen
von etwa einer halben Milliarde US-Dollar. Schlecht geht es ihm
offenbar nicht. Warum begann der Konzern einen massiven Konflikt
mit ihrer Gewerkschaft?
Correa: Alles begann etwa Mitte der achtziger Jahre, als man
bei der Beschäftigungsform verstärkt auf Zeitverträge
und Anstellungen von Subunternehmern überging. Arbeitsverträge
wurden zuvor direkt mit Arbeitern geschlossen, später wurden
allerdings zur Kosteneinsparung eben diese Vertragsmethoden eingeführt,
welche die Rechte der Beschäftigten beschneiden sollten. Ab
1986 setzten Repressionen gegen Arbeiter ein, besonders gegen gewerkschaftlich
organisierte, die sich dieser Form widersetzten.
Wann gab es die ersten Toten?
Correa: 1986 fand der erste Mord in einer Firma von Nestlé
statt, die ähnliche Betriebspolitik wie Panamco betreibt. Seitdem
wurden 14 Gewerkschafter getötet, sieben allein bei Panamco.
Drei wurden während der Verhandlungen zu den neuen Tarifabschlüssen
umgebracht. Am 28. November 1996 beispielsweise gab es die Verhandlungspflicht
in der Abfüllanlage von Carepa für einen neuen Tarifvertrag,
der spätestens am 5. Dezember verhandelt werden musste. Die
einzige Antwort aber von Panamco war an diesem Tag der Mord an einem
unserer Gewerkschafter. An der Toreinfahrt wurde er mit einer Kugel
in den Kopf erschossen. Wenige Stunden danach wurden alle Arbeiter
gezwungen sich am Nachmittag zu versammeln und unverzüglich
aus der Gewerkschaft auszutreten.
Wie haben sie als Gewerkschaft auf diese Fälle reagiert?
Correa: Am 12. Dezember, also eine Woche nach dem Mord in Carepa,
informierten wir Panamco, die US-Botschaft sowie den kolumbianischen
Präsidenten über die Vorfälle. Doch niemand reagierte
darauf.
Also gab es eine stillschweigende Duldung der Vorfälle?
Trat die Justiz nicht auf den Plan?
Correa: Doch. Aber in gegenteiliger Form. Mehrere Gewerkschafter
wurden, wie schon Monate zuvor, unter unerklärlichen Begründungen
festgenommen. Der gravierendste Fall fand am 6. März 1996 in
Bucaramanga statt, wo Panamco seit Anfang der neunziger Jahre immer
wieder Gerüchte gestreut hat, dass die Gewerkschaft von der
Guerilla durchsetzt sei. Fünf von uns wurden per Haftbefehl
unter dem Verdacht des Terrorismus fest genommen. Drei blieben 84
Tage ohne Beweise in Untersuchungshaft, weil sie angeblich Subversive
gewesen sein sollen. Falschaussagen der Firma sollten die Gewerkschafter
belasten. José Alfredo Aponte, Chef der Betriebssicherheit
in Bucaramanga, trat für die Firmenleitung als Denunziant auf
und belastete zunächst gegen Unbekannt. Als ihn später
dann die Staatsanwaltschaft nach Namen und Klagebestätigung
fragte, gab er die Namen von den fünf Gewerkschaftern an. Als
später aber die ganze Inszenierung als Propaganda aufflog,
wurde Aponte zunächst nach Bogotá, dann zu einer Abfüllfirma
nach Cali versetzt. Dort fiel er auf, als er eines Tages mit einem
Revolver auf einige Arbeiter schoss. Das einzige was passierte,
war dessen Kündigung. Die Justiz interessierte sich nicht für
diesen Fall.
Man sagt, es sei in Kolumbien sicherer, zur Guerilla zu gehen
als Gewerkschafter zu sein und für soziale Veränderungen
zu kämpfen. Was für Folgen hatten die Morde und Beschuldigungen
auf die Gewerkschaft?
Correa: Das Ergebnis ist selbstverständlich verheerend:
Nach den Beschuldigungen versammelte der Panamco-Vorstand die Arbeiter,
erklärte die Vorfälle aus ihrer Sicht und legte den betroffenen
Leuten nahe, aus der Gewerkschaft auszutreten. Denn alle Angehörigen
von Sinaltrainal wären nun des Terrorismus verdächtig.
35 von 130 Arbeitern traten an diesem Tag aus Sinaltrainal in Bucaramanga
aus. Ähnlich wurde und wird in anderen Abfüllbetrieben
gehandelt. Wir haben in den letzten sechs Jahren über die Hälfte
unserer Mitglieder verloren. Von 5400 auf 2500. Und dass Kolumbien
auf Grund dieser Verhältnisse die meisten Gewerkschaftsopfer
weltweit zu beklagen hat, weiß man mittlerweile über
die Landesgrenzen hinaus. Dieses Jahr sind es bereits 128 Ermordete.
Coca Cola rühmt sich ja bisher damit, an die irregulären
Kriegparteien keine "Kriegssteuer" zu zahlen. Die Morde
werden aber den Paramilitärs angelastet. Was bedeutet das?
Correa: Das bedeutet, dass es nicht mehr stimmt. Am 15.8.1998
traf sich ja laut einem Artikel der Zeitschrift Cambio ein Vertreter
von Panamco mit dem damaligen "Para"-Chef Carlos Castaño.
Danach soll es durch eine Kommission von Panamco weiter zu regelmäßigen
Kontakten mit den Paras' gekommen sein, was ein Verbindungsaufbau
vermuten lässt. Später kam es zu Veröffentlichungen
innerhalb verschiedener Abfüller von Coca Cola durch die Paras',
auf denen sie ankündigten, nun gegen die Gewerkschaft zu kämpfen.
In Carepa, wo bereits zwei Gewerkschafter ermordet wurden, bewegen
sich die Paramilitärs seit 1997 frei auf dem Betriebsgelände.
Niemals hat die Firma diese Vorfälle angezeigt. Im Gegenteil:
Zeugenaussagen belasten den Firmenleiter Mario Mosquera im Zuge
unserer Untersuchungen zumindest der Mitwisserschaft. Bei einer
Feier 1996 mit viel Alkohol verkündete er lauthals, dass er
mit Hilfe der Paras' der Gewerkschaft ein Ende setzen wird.
Zwei Tage vor dem Mord an Isidro Gil am 5. Dezember trat Mosquera
von seinem Posten zurück und ging nach Bogotá. Er hatte
gewusst, was geplant war.
Am 20. Juli haben sie in Florida Klage gegen den Konzern eingelegt
und berufen sich auf den Alien Tort Claims Act von 1789, der Zivilklagen
durch Ausländer erlaubt. Ein Fall gegen ein Unternehmen gab
es allerdings noch nicht, sodass ein Erfolg nicht vorprogrammiert
ist. Was erwarten sie?
Correa: Wir wollen, dass der Konzern auf die Menschenrechtsverletzungen
in Kolumbien reagiert. Was erwarten eine klare Bekenntnis von Coca
Cola zu den Ereignissen, die sie geduldet oder mitverantwortet haben,
als auch eine Änderung der Beschäftigungspolitik, die
dazu geführt hat, dass es zu Konflikten gekommen ist. Wir wollen,
dass die Politik der Subunternehmen beendet wird, die die Arbeitsrechte
beschneiden. Die Mehrheit der Coca Cola-Arbeiter werden nur noch
zeitlich beschäftigt. Damit entledigt sich Panamco einerseits
arbeitsrechtlichen Verantwortungen, und verhindert andererseits,
dass sich die Beschäftigten gewerkschaftlich organisieren können.
Das sind unsere Ziele, die wir nicht nur durch die Klage erreichen
wollen.
Gab es kein außergerichtliches Bestreben Coca Colas, den
Konflikt beizulegen?
Correa: Was die Firma nach der Klage in Florida ausschließlich
getan hat, waren Bestrebungen, das Image bei den Arbeitern und Kunden
aufzubessern. Aktiv ist seit der Klage allerdings die US-Botschaft
geworden. Zuvor haben wir in Schreiben immer wieder auf die Situation
bei Coca Cola hingewiesen und auf ein Treffen gedrängt, aber
es gab keine Reaktionen. Erst nach der Klageeinreichung in Florida
fragte die Botschaft für einen schnellstmöglichen Termin
für eine Unterredung nach. Im September kam dann ein Mitarbeiter
der Botschaft in unser Büro und drückte seine Bedenken
wegen der Klage aus. Kurz danach besuchte er eine Abfüllanlage
des Coca Cola-Konzerns und sprach mit den Arbeitern. Es soll Unterredungen
mit Panamco hier in Bogotá gegeben haben, aber bis jetzt
wissen wir nicht, worüber verhandelt wurde. Es scheint aber
seitens der US-Botschaft Nervosität zu geben, was zeigt, dass
innerhalb der kolumbianischen Coca Cola-Politik etwas nicht stimmt.
Auch wenn nichts von den Gesprächen bekannt ist: Lässt
sich eine Änderung innerhalb der Betriebe auf Grund des Drucks
erkennen?
Correa: Die Reaktion der Firma war die genannte massive Imagekampagne.
Werbung wurde verstärkt geschaltet und in den Betrieben für
die Unterstützung der Firma geworben. Es gab Anweisungen an
die Betriebsleiter, die Sozialpolitik zu ändern und so die
Arbeiter für sich zu gewinnen. Eine makabre Methode war das
Einsammeln von Unterschriften jedes Einzelnen, die so ihre Unterstützung
unter einen Aufruf setzen sollten, das die Unschuld der Firma bekräftigen
sollte. Das war ein Befehl aus der Zentrale in Bogotá. In
einigen Betrieben wurden zudem die Arbeiter einzeln in die Büros
gerufen, um ein weißes Blatt zu unterschreiben. Niemand wusste,
wofür die Unterschrift geeignet sein soll und was später
auf dem Blatt stehen wird.
Gab es nach dem Einreichen der Klage in Florida weitere Fälle
von Übergriffen?
Correa: In Medellin wurden Arbeiter von Panamco bei einer Straßensperre
mit ihrem Firmenwagen aufgehalten. Die "Paras" sagten
nach zwei Stunden, das Problem wäre nicht mit der Firma sondern
mit dem Syndikat und dieses hätte sich mit ihnen in Verbindung
zu setzen, um das Problem zu lösen. Ein weiterer Fall fand
in Barrancabermeja statt: Dem Gewerkschaftsvertreter Juan Carlos
Galvis wurde im September mehrfach gedroht, dass die "Paras"
seine Frau entführen werden, wenn er nicht seine Gewerkschaftstätigkeit
bei Panamco einstelle. Weitere Fälle von Drohungen gab es in
Bucaramanga. Auf dem Anrufbeantworter in meinem Haus war kürzlich
eine Drohung gespeichert. Nach dem Text hörte man eine Kettensäge,
die angeworfen wurde. Ziemlich unmissverständlich, oder?
(Quelle: "Coke
did nothing"- Sieben Morde bei Coca Cola)
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