Solidarität globalisieren - Schluß mit dem Terror gegen
Gewerkschafter in Kolumbien!
In den letzten Wochen und Monaten konnte man wieder vermehrt das
Vorhandensein von Gewerkschaften registrieren. Mit Streiks und Generalstreiks
setzen sie sich gegen den kontinuierlichen Lohnabbau, die Angriffe
auf das Arbeitsrecht, die Bildung, die Gesundheits- und Altersversorgung
durch Privatisierungen zur Wehr.
Dies geschieht nicht nur in Europa, sondern auch in vielen anderen
Ländern der Welt, weil die unternehmerische Globalisierung
die Arbeits- und Lebensbedingungen weltweit katastrophal verschlechtert
hat. Während wir hier in Mitteleuropa durch "ein bisschen
Zuzahlung" die ausfallenden Leistungen der Kranken- und Rentenkassen
auffangen sollen, sind unsere Mitmenschen in anderen Teilen der
Welt von der Demontage der staatlichen Leistungen und Arbeitsplätze
existentiell bedroht. Demzufolge ist ihr Kampf um ein vielfaches
radikaler. Sie haben nichts mehr zu verlieren und wehren sich mit
aller Entschiedenheit.
So zum Beispiel in Kolumbien. In diesem reichen Land leben 26 von
43 Mio. Einwohner unterhalb der Armutsgrenze. Gewerkschaftliche
Kämpfe zur Verteidigung der Löhne und Arbeitsbedingungen
werden mit brutalsten Mitteln unterdrückt. In diesem Jahr wurden
schon 90 Kolleginnen und Kollegen ermordet, in den meisten Fällen
von Paramilitärs, die mit der staatlichen Armee in gutem Einvernehmen
stehen. Oft erfolgen die Ermordungen im Zusammenhang mit Streiks
oder Aktionen der Gewerkschaften, oder um Widerstand gegen Vertreibungen
und Umweltzerstörung niederzumachen. Damit wird ein "investionsfreundliches"
Klima geschaffen. Oft kann man eine Verbindung zu multinationalen
Unternehmen, wie Coca Cola, BP, Nestlé ziehen, die anscheinend
vor nichts zurückschrecken, um eine gewerkschaftliche Organisation
in ihren Tochter- oder Subunternehmen zu unterbinden.
Ein Gruß nach Atlanta und Protest nach Kolumbien
Am 22. Juli findet am Sitz von Coca Cola in Atlanta, USA, ein Tribunal
statt, dass von Gewerkschaften wie die Steelworkers und dem Dachverband
AFL-CIO in Zusammenarbeit mit Menschenrechtsgruppen durchgeführt
wird, um auf die Machenschaften des Konzerns aufmerksam zu machen.
Wir in D und Kolleginnen und Kollegen in Argentinien, Belgien, Bolivien,
Brasilien, Ecuador, Frankreich, Italien, Paraguay, Spanien und der
Schweiz haben das Tribunal zum Anlass genommen, am 22. Juli unsere
Solidarität mit den kolumbianischen GewerkschafterInnen zu
bekunden, und vor multinationalen Konzernen und den kolumbianischen
Botschaften unseren Protest zum Ausdruck zu bringen.
Wir sind davon überzeugt, dass wir den globalen Angriffen
der Unternehmer, globalen Widerstand entgegensetzen müssen.
Wir müssen diejenigen schützen, die Arbeitnehmerinteressen
so mutig und entschieden verteidigen und einen solch hohen Preis
bezahlen. Unser Respekt und unsere Verbundenheit gilt denjenigen,
die unter solch brutalen Bedingungen nicht aufgegeben haben Gewerkschafter
zu sein. Wir fordern die Gewerkschaften im "Norden" auf,
den Druck auf Unternehmen und Regierungen zu erhöhen, damit
das Morden in Kolumbien und anderswo beendet wird.
Auszug aus einem Interview mit einem Kollegen der Gewerkschaft
SINALTRAINAL (Lebensmittelbranche)
Unter welchen Bedingungen arbeiten Gewerkschafter in Kolumbien?
In keinem Land der Welt sterben so viele Gewerkschafter eines gewaltsamen
Todes wie in Kolumbien. Fast 160 waren es im vergangenen Jahr, nahezu
4000 im Laufe des vergangenen Jahrzehnts. Auffällig ist dabei
die Zunahme der Morde während Arbeitskämpfen und Betriebskonflikten.
D. h. Gewerkschaftsführer sind meist bewaffnet, haben auf jeden
Fall bewaffnete Leibwächter und gepanzerte Fahrzeuge und auch
die Gewerkschaftszentralen sind gepanzert und mit Kameras ausgerüstet.
Darüber hinaus darf ein Gewerkschafter niemals in Routine verfallen,
das wäre sein sicherer Tod. Er darf nie zweimal hintereinander
den gleichen Weg gehen, er darf keine regelmäßigen Termine
oder Zeitabläufe haben und er muss immer sehr aufmerksam beobachten,
was um ihn herum passiert. Aber selbst das kann sie meistens nicht
vor dem Tod retten. Als z. B. Anfang Dezember vergangenen Jahres
Aury Sará Marrugo, Vorsitzender der Erdölgewerkschaft
USO in Cartagena, entführt, brutal gefoltert und ermordet wurde,
waren daran 15 bestens bewaffnete und ausgerüstete Paramilitärs
beteiligt.
Wann begann der organisierte militärische Angriff auf die
Gewerkschaften?
In den 80er Jahren. Führend daran beteiligt sind transnationale
Unternehmen wie Coca Cola. Die Methoden reichen von Drohungen, Verschleppungen
und Folter bis hin zu Mord. Bei einer Feier 1996 mit viel Alkohol
verkündete Mario Mosquera, Firmenleiter von Panamco (dem kolumbianische
Coca Cola-Abfüller), in Carepa lauthals, dass er mit Hilfe
der Paramilitärs der Gewerkschaft ein Ende setzen werde. Seitdem
sind in Carepa mehrere Gewerkschaftsaktivisten ermordet worden,
und die Paramilitärs bewegen sich ungestört auf dem Werksgelände.
Bisher blieben alle diese Verbrechen ungeahndet. Schlimmer noch.
Als Coca-Cola einmal fünf Gewerkschaftsführer des Terrorismus
anklagte, wurden sie anderthalb Jahre lang inhaftiert. Dann wurden
sie einfach freigelassen, da der Vorwurf absurd war. Aber sie bekamen
keine Entschädigung, und es wurde auch nicht erklärt,
warum sie überhaupt 18 Monate lang fest gehalten wurden.
Wie sieht den die Verwicklung des Staates in diese Verbrechen
aus?
Die Paramilitärs sind integraler Bestandteil der staatlichen
Strategie. Die Verbindungen der Armee zu den Paramilitärs sind
so eng, dass die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation Human
Rights Watch im vergangenen Jahr die Paramilitärs als die "VI.
Division der Streitkräfte" bezeichnete. Ein sehr konkretes
Beispiel: Im Dezember 2000 wurde ein Mordanschlag auf den Vorsitzenden
der Gewerkschaft der staatlichen Angestellten Wilson Borja verübt.
Er entging dem Tod nur knapp, und bei dem Feuergefecht zwischen
seinen Leibwächtern und den Attentätern wurde ein Paramilitär
erschossen. In seinem Mobiltelefon waren die Telefonnummern mehrerer
hoher Repräsentanten der Sicherheitskräfte und der Armee
gespeichert. Mittlerweile wird gegen einen Polizeikapitän und
Militärangehörige ermittelt ... Doch vermutlich wird auch
dieses Verbrechen ungestraft bleiben.
Interview: Dario Azzellini
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