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JANUAR 2004


Nürnberg im Zeichen des antifaschistischen Kampfes




Eine antifaschistische Demonstration, ein staatlich garantierter Nazi Aufmarsch - durchgesetzt gegen wütenden antifaschistischen Widerstand und eine von oben angeordnete Zensurmaßnahme, die von der gesamten lokalen bürgerlichen Medienlandschaft konsequent umgesetzt wurde: Das sind die Zutaten für folgenden Bericht aus der ehemaligen Stadt der Reichsparteitage.

Knapp 500 hauptsächlich der autonomen und radikalen Linken zuzurechnende, AntifaschistInnen beteiligten sich am 6.12.2003 an einer Demonstration gegen Faschismus und seine Ursachen. Im Anschluß stellten sie sich in der Nürnberger Südstadt einem, von der Stadtverwaltung und bürgerlichen Parteien nicht nur ignorant geduldeten, sondern erneut mit tatkräftiger Unterstützung von Polizeikräften bedachten, Naziaufmarsch entgegen. Von all dem sollten jene, die ihre Informationen einzig aus der staatstragenden, lokalen, bürgerlichen Medienlandschaft beziehen nichts erfahren. Nach Absprache zwischen Rathausparteien und Medienbossen wurde eine komplette Zensur verhängt.

Vor den Ereignissen

Doch beginnen wir am Anfang und das heißt in diesem Fall im Vorfeld der Ereignisse bei der Konstituierung des antifaschistischen Bündnisses. Überraschend fanden sich hier neben Angehörigen der radikalen Linken, autonomen Antifas und AntifaschistInnen verschiedener linker Gruppen und Initiativen auch Vertreter der sozialdemokratisch/grünen Regierungsparteien ein. Trotz grundsätzlicher Ablehnung eines Bündnisses mit diesen klar als Gegner aller emanzipatorischen Kräfte bekannten Organisationen, erklärten sich die konsequent links stehenden Teile des Bündnisses bereit, technische Absprachen zu treffen. Zwei inhaltlich unterschiedlich ausgerichtete Demozüge sollten organisiert werden, die beide zeitgleich am Auftaktplatz der Nazis enden sollten.

Als Eintrittskarte in diese rein technischen Bündnisabsprachen, sollten die Sozialdemokraten sich jedoch zumindest von dem Polizeieinsatz gegen die antifaschistische Demonstration angesichts der Nazi-Kundgebung am Reichsparteitagsgelände im September 2003 distanzieren. Gefordert wurde eine öffentliche Verurteilung der Polizeiübergriffe durch welche neben zahlreichen anderen Teilnehmenden eine ältere Antifaschistin so schwer verletzt wurde, dass sie eine längere ärztliche Behandlung benötigte.

Dieses Anliegen wiesen die Vertreter der herrschenden Ordnung selbstgerecht und ohne inhaltliche Begründung zurück und verliesen gefolgt von Teilen des bürgerlichen Spektrums das Bündnis.

Die im antifaschistischen Bündnis organisierten Gruppen und Organisationen entschieden sich nun zu einer Demonstration aufzurufen und im Anschluß direkt zum Ort des Geschehens, zum Auftaktplatz der Nazis zu mobilisieren. Inhaltlich fiel der Bündnisaufruf entsprechend der Beteiligung vorwiegend der radikalen Linken zuzurechnender Organisationen ziemlich deutlich aus und nannte die Dinge beim Namen. Unterschrieben haben dennoch neben organisierter autonomie (oa), autonomer Jugendantifa (aja), dem SchülerInnenbündnis (SchüBü), der DKP und zahlreichen weiteren Gruppen und Organisationen auch die Falken.

Ignorieren meint Zensieren

Nicht mal mehr für eigene Protestaktivitäten weit ab vom Geschehen reichte es nun. Die bürgerlichen Parteien hatten beschlossen, den von Seiten der Grünen bereits auf dem Bündnistreffen geäußerten Vorschlag die Nazis durch „aktives Ignorieren“ zu bestrafen, in die Tat umzusetzen. Dass sie damit all jene, die mit ihnen aktiv werden wollten, vor den Kopf stießen, schien ihnen kein Problem zu sein und so wurde versucht die neue Linie, den Nazis die Straßen gänzlich zu überlassen, umzusetzen. Vertreter aus Parteien und Polizei luden zu diesem Zweck zahlreiche Jugendgruppen und Organisationen zu einem Treffen mit dem Ziel der Spaltung ins Rathaus. Dort wurde versucht die Geladenen auf jenes magische „aktive Ignorieren“ einzuschwören. Ohne Erfolg, auch hier bekamen sie als Voraussetzung für weitere Gespräche die Forderung, sich öffentlich vom Polizeieinsatz gegen die AntifaschistInnen im September zu distanzieren. Das Treffen platzte und in der Folge kristallisierte sich heraus, was die, deren Justiz und verbeamtete Prügeltruppen jeden Nazi-Aufmarsch erst ermöglichen, unter „aktivem Ignorieren“ noch so alles verstehen. In Absprache mit den Bossen von Nürnberger Nachrichten, NZ, AZ und anderen lokalen Mediengrößen wurde beschlossen, das ganze einfach unter den Tisch zu kehren. Wo kein Bericht ist findet auch nix statt, dachten sich die Organisatoren jener ignoranten Zensurmaßnahme und irrten sich.

Demonstration gegen Faschismus und seine Ursachen

Trotz der, einzig von der antifaschistischen Mobilisierung durchbrochenen, Zensurmaßnahme um den aktuellen Naziaufmarsch, fanden sich, nachdem sie die üblichen schikanösen Polizeikontrollen durchlaufen hatten ca. 500 DemonstrantInnen am Samstag um 10 Uhr auf dem Auftaktplatz ein.

Die antifaschistische Demonstration zog schließlich nach einer längeren Auftaktkundgebung mit zahlreichen Redebeiträgen vom Rathenauplatz über den Ring zum Rosa-Luxemburg-Platz. Der Weg vorbei am „Nürnberger Ausländeramt“, wo ein Redebeitrag zum Thema staatlicher Rassismus gehalten werden sollte, wurde von der Stadt verboten. Nach kurzen Reibereien und Rangeleien in Folge gezielter Polizeiprovokationen bei der Abschlußkundgebung, erstritten die teilnehmenden DemonstrantInnen ein geschlossenes Abrücken Richtung Auftaktplatz der FaschistInnen. Unterwegs schwoll der Zug schließlich wieder zu einem Demonstrationszug mit lautstarken antifaschistischen Parolen an. Am von Polizeieinheiten großräumig abgesperrten Nelson-Mandela-Platz angekommen, wo die Nazi Kungebung geschmackvollerweise beginnen sollte, begann das Warten auf die von der VGN und Polizei sicher zu ihrer Auftaktkundgebung gebrachten Nazis.

Ignorieren heißt den Nazi-Aufmarsch garantieren

Etwa 2000 paramilitärisch ausgestattete Angehörige der Polizei und ihrer Sondereinheiten garantierten den 60 Nazis schließlich einen Aufmarsch durch die Südstadt. Dieser verwandelte sich durch das beherzte Eingreifen von mehreren hundert AntifaschistInnen, sowie dem desorganisierten Auftritt der verbeamteten Nazibeschützer, allerdings für die aufgebotenen nationalen Marschierer in ein mittleres Desaster. Immer wieder mußte dem stockenden Umzug der sogenannten freien Kameradschaften die Straße durch die Polizei freigeräumt werden, ZuschauerInnen fühlten sich an einen Castor-Transport erinnert. Einige Eier wurden auf einen antifaschistischen Weg gebracht und fanden ihr Ziel auf dem Lautsprecherwagen und in der Marschordnung der verängstigten „Herrenmenschen“, selbst in den Naziumzug drangen AntifaschistInnen ein und machten sich mit Schlägen und Tritten am Lautsprecherwagen der verwirrten Hetzer zu schaffen. Durch lautstarke Antifa-Parolen und zahlreiche am Rand mitgetragene Antifa- Transparente war der Naziumzugug zeitweise von außen nicht mehr als solcher erkenntlich.

Die immer wieder gerufene Parole „Ohne Spitzel wärt ihr nur zwei Mann“ beantworteten die Nazis bei einer Zwischenkundgebung mit Wutgeheul aus ihrem Lautsprecherwagen. Es handle sich bei ihnen nicht um die NPD meinten sie und wollten damit andeuten, sowas gäbe es nur bei ihren Kameraden dort. Lächerlich, als wüßten sie nicht selbst, dass es keinen Ort in diesem Land gibt, an dem fünf Nazi-Kader zusammenkommen - unter denen sich nicht zwei vom Staat bezahlte und angeleitete Kameraden finden.

Nach Stunden endete der Umzug wie er begonnen hatte am Nelson-Mandela-Platz im Pfeifkonzert hinter Polizeiabsperrgittern.

Vom Ende einer Zensurmaßnahme

Von all dem war in der Nürnberger Presse nix zu lesen, in den privaten Sendern, mit Ausnahme von Radio Z, nix zu hören und zu sehen. Die Zensur hielt, trotz der in der Südstadt in allen Bevölkerungsschichten vorhandenen Empörung. Etwa 40.000 Flugblätter der organisierten autonomie, in denen der Sachverhalt geschildert wurde und in denen die AutorInnen die beispiellose Zensurmaßnahme offenlegten, wurden bereits zwei Tage nach den Ereignissen von oa-Mitgliedern und zahlreichen UnterstützerInnen an Nürnberger Haushalte verteilt. In einer Stadt wie Nürnberg sollte angesichts dieser in den letzten Jahren wohl einmaligen Flugblattauflage das Komplott aus bürgerlichen Parteien und Medien begreifen, dass ihre Zensurmaßnahmen in Zukunft nicht mehr so einfach funktionieren werden.

Antifaschismus kann erfolgreich sein

Dies gilt auch, wenn von Seiten der herrschenden Klasse so einiges aufgeboten wird, um dies zu verhindern. Den Nazis wurde wieder einmal ein Aufmarsch versaut und erfolgreich war die antifaschistische Aktion diesmal auch in anderer Hinsicht, wurde doch einmal mehr unter Beweis gestellt, dass es gut ist auf die eigene Kraft zu vertrauen.

Und wenn wir beim nächsten Mal in der Mobilisierung und Organisation der Praxis noch etwas besser in die Gänge kommen, klappt`s ja vielleicht auch mit der Nachbarin zusammen einen Naziaufmarsch zu verhindern.

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