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sprechender fisch in new york geschlachtet
oder...
warum die bürgerliche presse so doof ist
Ami
du Peuple und Bild
Die
Rede ist hier nicht von Marats revolutionärem Blatt Ami du
Peuple, sondern von einem experimentellen Zeitungsprojekt,
gestartet 1928 in Paris, für das der populäre und links
klingende Name aus der Zeit der großen Revolution entwendet
wurde. Eine Besonderheit des Blattes: Es kostete nur 10 Centimes und
war erklärtermaßen nicht auf Profit ausgelegt, sondern
getragen von einer selbstlosen Herausgeberschaft, der es um Presse-
und Meinungsfreiheit, Unparteilichkeit und ein erschwingliches
Massenblatt ging.
Die
damalige französische Presselandschaft zeichnete sich durch eine
enorme Vielfalt aus - die meisten Zeitungen waren allerdings durchaus
parteilich, den verschiedenen Fraktionen der Bourgeoisie, dem
katholischen Klerus, den Royalisten, Kommunisten, Anarchisten usw.
recht eindeutig zuzuordnen. Nicht so der Ami du Peuple:
Neben den üblichen crime & sports-Sparten brachte er einen
populistisch und patriotisch ausgerichteten Politikteil, Leitartikel
gegen das Großkapital, gegen die schlimmsten Auswüchse von
kapitalistischer Wirtschaft und Politik. Welche politische Richtung
stand wohl hinter dem Blatt? Sein Eigentümer war der Besitzer
von unter anderem Le Figaro, kein kleiner Fisch im
Pressegeschäft und Herausgeber von Zeitungen, gegen die der Ami
du Peuple anzutreten vorgab.
Dieses
Vorgehen kommt jedem bekannt vor, der Springers Bildzeitung kennt.
Massenauflage und erschwinglicher Preis, Nationalismus in geordneten
Bahnen, Forderungen nach weniger Steuern, ehrlicheren Politikern,
fairem Kapitalismus, voyeuristische Berichte über das
Privatleben derer da oben, die auch ihre Probleme haben,
Sentimentalität und Menschelei sowie obskure Lügengeschichten
machen dieses Druckerzeugnis aus. Fast identische Blätter gibt
es überall in der kapitalistischen Welt.
Ihr
Ziel ist es, zu integrieren, wo es unsere Absicht ist, zu
polarisieren. Wo unsere Parteinahme erklärt ist, versteckt sich
ihre Parteinahme für das System hinter bürgerlicher
Unparteilichkeit. Ihr Ziel ist es, im Interesse des
kapitalistischen Systems zu erziehen und zu lenken. Das kann
bedeuten, dass Sündenböcke aufgebaut werden, kann aber auch
heißen, dass Kampagnen gegen Nazis geführt werden, wenn
deren Aktionen den Ruf Deutschlands gefährden. Eine Kampagne,
die von der Springerpresse seit Jahrzehnten geführt wird, ist
beispielsweise die gegen offenen Antisemitismus - motiviert freilich
nicht durch Antifaschismus, sondern durch das Ziel der festen
Westbindung Deutschlands. Ein Ziel, das der größere Teil
des deutschen Kapitals in den Jahrzehnten nach dem Krieg geteilt hat.
Doch
auch die mächtigsten Blätter sind keine ideologiespuckenden
Maschinen. Sie werden von IdeologieträgerInnen gemacht
(HerausgeberInnen, Redaktion) und müssen, bewußt und
unbewußt, Rücksicht nehmen auf die Ressentiments und
Bedürfnisse nicht nur der AnzeigenkundInnen, sondern auch der
LeserInnen.
Allerdings
sind Letztere in diesem Spiel (solange sie es mitspielen) der
schwächere Part.
Linke
Presse
Was
wäre zu halten von einer alternativen, einer linken Bildzeitung?
Ein solches Projekt hat es bereits gegeben, es nannte sich taz.
Auf die ekelhafte Geschichte dieser Zeitung werden wir hier nicht
eingehen. Es genügt festzustellen, dass sie mit ein paar linken
Positionen gestartet ist, diese nach und nach über Bord geworfen
hat und seit 1998 als inoffizielles Regierungsblatt bezeichnet werden
kann.
Warum
kann der Anspruch, eine linke Bild herauszugeben, nicht
erfüllt werden? Nicht die vielen technischen und
wirtschaftlichen Gründe interessieren uns hier, auch nicht die
politischen Einwände gegen ein solches Projekt, sondern dieser
eine Umstand: Die großen bürgerlichen Blätter sind
konsensstiftend und konsenserhaltend. Sie verdecken die
gesellschaftlichen Widersprüche oder behandeln ihre Oberfläche.
Aufgabe der linken Medien ist es, diesen Konsens in Frage zu stellen
und polarisierend zu wirken. Zu polarisieren, um falsche Gegensätze
zu erzeugen ist der Job der rechten Presse. Im Gegensatz dazu
polarisieren wir, um die tatsächlich vorhandenen
Interessensgegensätze (um es kurz zu sagen: zwischen
Unterdrückten und UnterdrückerInnen) aufzuzeigen und um die
Unterdrückten zu bewegen, für sich und ihresgleichen Partei
zu ergreifen.
Alle
Versuche, die bürgerlichen Medien zu unterwandern und für
revolutionäre Politik nutzbar zu machen sind so gründlich
gescheitert, dass wir diesen Ansatz hier nicht diskutieren müssen.
Die Widersprüche zwischen den bürgerlichen Sendern und
Zeitungen müssen wir zwar nutzen, der Versuch, so dauerhaft
Erfolge zu erzielen, ist aber ebenso hoffnungslos - denn diese
Widersprüche schrumpfen mit der zunehmenden Monopolisierung der
Medien. In Nürnberg beispielsweise haben wir ein Blatt für
die CSU - AnhängerInnenschaft, die Nürnberger
Zeitung und eine Zeitung, die strikt auf SPD-Linie liegt, die
Nürnberger Nachrichten. Beide stammen aus dem selben
Haus: ein Beispiel aus dem Kleinen.
Den
Widerspruch zwischen selbstgestellten Ansprüchen der
bürgerlichen Presse (Objektivität, Unparteilichkeit, usw.)
und ihrer Praxis freilich müssen wir immer wieder bloßlegen;
er rührt an grundlegende Widersprüche der kapitalistischen
Gesellschaft. Selbstverständlich brauchen wir aber nicht
ernsthaft empört zu sein, wenn die Zeitung mal wieder lügt,
wenn größere Demos mit Meldungen über
Verkehrsstauungen und Umsatzeinbußen des Einzelhandels medial
erledigt werden, wenn die Fernsehsender unverblümt Propaganda
fürs Kapital machen - die bürgerlichen Medien werden damit
nur ihrer Aufgabe gerecht. Bloß hinnehmen braucht die Linke
solche Machenschaften freilich nicht. Ein jüngeres Beispiel der
Gegenwehr ist das Verteilen von 40.000 Flugblättern durch die
organisierte autonomie im Dezember 03. Diese Reaktion auf den Versuch
der bürgerlichen Parteien und der gesamten lokalen Presse, den
Naziaufmarsch durch Nürnberg am 6. Dezember und die beachtlichen
Gegenaktivitäten von AntifaschistInnen totzuschweigen, ist ein
erfreulicher Anfang. Etwas weiter geht es im Baskenland: Dort
beklagen sich einige der schmierigsten Journalisten, deren Arbeit in
der linken Öffentlichkeit thematisiert wurde, dass sie kaum noch
das Haus verlassen können ohne beschimpft und bespuckt zu
werden.
Bewußter
und geplanter Umgang mit der Presse der Herrschenden ist eine feine
Sache, verzetteln brauchen wir uns hier aber nicht, denn die Lösung
liegt woanders. Sie liegt im Ausbau unserer Gegenöffentlichkeit.
Zeitungen,
Flugblätter, Websites sind eine Seite der Herstellung von
Öffentlichkeit von unten. Die andere, bisher vernachlässigte
Seite: Den Menschen um uns herum, im Stadtteil, im Betrieb usw. die
Möglichkeit geben, sich zu äußern und miteinander ins
Gespräch zu kommen. Vom offenen Mikrophon über
community-websites bis hin zum barrio-TV: Es ist auch unsere Aufgabe,
die weitgehend zerschlagenen Stätten öffentlichen
Meinungsaustauschs zu ersetzen.
Ein
Nebeneffekt der Stärkung unserer eigenen (medialen) Strukturen:
es wird den bürgerlichen Medien immer schwerer fallen z.B.
unliebsame Aktionen zu ignorieren.
2004
hat gerade erst begonnen. Wir denken, dieses Jahr bringt uns jede
Menge solche Aktionen und eine hoffentlich erfolgreiche Vermittlung.
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