Wenn eine Verbindung harmlos sein will, soll sie sich auflösen.Interview: Stephan Peters im Gespräch über seine Zeit als Korporierter, über Auswüchse studentischen Brauchtums, den Marktfrühschoppen und eine Psychogruppentheorie. |
Das ist wohl wahr. Korporationen verstehen sich selbst als Lebensbund und so sind sie auch aufgebaut. Auf der einen Seite gibt es die sogenannte Aktivitas – also die studierenden Korporierten – und auf der anderen Seite die Alten Herren, die ihr Studium abgeschlossen haben und mit ihren Beiträgen das Verbindungsleben finanzieren. Zu diesem Lebensbundprinzip gehört zudem ein elitäres Selbstverständnis.
Ich meine, dass sich die Bundesbrüder nicht zusammenfinden, weil sie sich vielleicht mögen, sondern weil sie sich aufgrund ihres Studiums, ihrer politischen Gesinnung oder ihrer Herkunft für die wahren oder besseren Deutschen halten. Dieser elitäre Anspruch wird schon dadurch deutlich, dass du nicht einfach Mitglied werden kannst, sondern erst einmal in einer Art Probezeit als sogenannter Fux unter Beweis stellen mußt, dass Du reif genug für diesen Bund fürs Leben bist.
Du musst lernen, dich in die Verbindung einzufügen. Dazu gehört zum Beispiel, etwas über die Geschichte deiner Korporation und deines Dachverbandes zu wissen und vor allem den Comment zu beherrschen.
Das sind Verhaltensregeln, etwa die Reihenfolge, in der du Leute zu grüßen hast oder das richtige Benehmen gegenüber Frauen. In einer farbentragenden Verbindung will noch der Umgang mit der Uniform gelernt sein, zum Beispiel in welchen Momenten du die Kappe abzunehmen hast. Und dann natürlich das Brauchtum der Verbindungsstudenten mit seinen Ritualen: Du solltest schon wissen, wie du deine Ehre korrekt verteidigen kannst, wenn Du beleidigt wirst.
Zum Beispiel forderst du deinen Beleidiger zum Bierduell heraus, indem Du ihn als Bierjungen beschimpfst. Dann folgt eine Art ritueller Wettkampf, bei dem derjenige gewinnt, der schneller trinken kann. Je nach Ausgang gilt die Beleidigung als berechtigt oder nicht, auf jeden Fall ist die Ehre gerettet. Korporierte sprechen auch von Bierehre.
In der Tat, und alles in allem nicht ohne: Es bleibt ja nicht unbedingt bei einem Bier, in Marburg sind Bierjungen mit drei oder vier Bieren keine Seltenheit. Da kann man sich vorstellen, dass das kein normaler Mensch mehr aushält. Nicht umsonst gibt es in den Verbindungshäusern fest eingebaute Bierpäpste. Das sind extra zum bequemen Kotzen hergestellte vergrößerte Waschbecken mit Haltegriffen links und rechts. Na ja, wenn du dich an die Benutzung mal gewöhnt hast, stellst du die Rituale wie den Bierjungen, die gegebenenfalls Kotzen als Folgewirkung haben, auch nicht mehr in Frage. Das ist dann einfach so und gehört dazu, wenn du dazugehören willst. Ich würde sagen, es gehört zum Lernprozess, den ein Fux absolvieren muß, und stärkt letztlich die Bindung an die Gruppe.
Nein. Als Fux mußt du lernen, das Recht des Stärkeren, d.h. des älteren Bundesbruders oder des schnelleren Trinkers, zu akzeptieren. Es gibt ja nicht nur das Bierjungenritual. Das fängt schon mit dem Geschichtsunterricht durch ältere Bundesbrüder an. Unterricht ist niemals wertfrei und die vermittelte Verbindungsgeschichte ist immer etwas verschönt. Da wird schon gerne mal was weggelassen, wenn es etwa um die ideologische Unterstützung des Dritten Reichs geht. Und dann werden die gelernten Inhalte bei der Burschung in Form einer Prüfung abgefragt. Da geht es natürlich nicht darum, dass du dir zur Verbindungsgeschichte deine eigenen Gedanken machen kannst, sondern das du sie wie vermittelt wiedergeben kannst. Du mußt schon auf Linie sein. Und Mittel zur Drangsalierung gibt es genug. Ältere Bundesbrüder können dich jederzeit in die Kanne schicken, wenn der Sinn danach steht. Dann mußt du den Rest deines Bieres abschütten und dir ein neues holen – Wiederholungen nicht ausgeschlossen. Es läuft darauf hinaus, dass ältere Bundesbrüder dich zum Saufen zwingen können. Na ja, und wenn Du gelernt hast, das Recht des Stärkeren zu akzeptieren, fällt es nicht mehr schwer, auf einmal der Stärkere zu sein. In den Statuten meiner Verbindung stand früher mal, das Füxe ihrem Ausbilder – dem Fuxmajor – zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet sind. Wer unter solchen Bedingungen Fux wird und damit seine Bereitschaft zeigt, sich zum Befehlsempfänger zu degradieren, hat auch keine Probleme, Befehle auszusprechen. Um einen Vergleich zu ziehen: Welcher Berufssoldat hat Schwierigkeiten mit einer Beförderung?
Interessieren euch eher meine persönlichen oder eher allgemeine Gründe?
Dann muss ich etwas ausholen. Ich fange mal mit meinen persönlichen Gründen an. Da ist auf jeden Fall mein Elternhaus zu nennen. Mein Großvater war bis zu seinem Tod Korporierter, sowohl mein Vater als auch mein Bruder sind in einer Verbindung. Ich bin in einem katholischen Umfeld aufgewachsen – inklusive Privatschule in Trägerschaft der Kapuziner. Meine Erziehung möchte ich als konservativ-autoritär bezeichnen. Dann noch die Zeit bei der Bundeswehr, der Schritt in die katholisch-deutsche Studentenverbindung war nicht groß. Ich sage mal, ich war ausreichend vorgeprägt um mit den in Verbindungen vorherrschenden autoritär-hierarchischen Strukturen keine größeren Probleme zu haben. Dann kommen die allgemeinen Gründe hinzu. So eine Mitgliedschaft bringt erstmal viele Vorteile, bei der billigen Miete angefangen. Wenn du in ein Verbindungshaus ziehst, zahlst du ab 120 Mark Miete. Andere zahlen für ein Studizimmer vielleicht 400 bis 500 Mark. Und das ohne die in Verbindungshäusern übliche Vollpension mit den Mittagstischen und Abendveranstaltungen. Dann kommt noch weitere Infrastruktur dazu, die ein Verbindungshaus bietet, wie etwa Bibliothek oder Computerraum. Nicht zu vergessen die Vorteile, die ein elitärer Lebensbund mit sich bringt...
Verbindungen bezeichnen sich ja nicht nur als elitär, weil ihre Mitglieder schneller saufen können oder studieren bzw. studiert haben. Dazu gehört auch, dass die Alten Herren in führenden Positionen beschäftigt sind und dadurch ihren Bundesbrüdern helfen können, in ähnliche Positionen zu gelangen, d.h. kurz gesagt, Karriere zu machen. Mein Dachverband zum Beispiel – der Cartellverband katholischer deutscher Studentenverbindungen (CV) – ist traditionell ein Zubringer für die CDU/CSU. Um nur einige Namen zu nennen: Friedrich Merz, Edmund Stoiber, Jürgen Rüttgers, Matthias Wissmann. Insgesamt sind 24 von 203 Männern in der Bundestagsfraktion der Union im CV. Andere Dachverbände engagieren sich eher in der Wirtschaft, genauere Untersuchungen dazu liegen leider noch nicht vor. Auf jeden Fall zahlt sich das männerbündische Seilschaftsprinzip für die Mitglieder aus. Das fängt schon im Studium an: Ich kenne so einige Jura- oder Betriebswirtschaftslehrestudenten, die Urlaub gemacht haben und dafür eine für ihren Studienabschluss erforderliche Praktikumsbescheinigung von einem Alten Herren bekommen haben.
Was den politischen Bereich angeht, kann ich wenig dazu sagen. Es ist leider weitgehend unerforscht, wie sich korporierter Klüngel bei innerparteilichen Wahlen etwa in der CDU durchsetzt. Hier sprechen zwar die Zahlen für sich, das Wie bleibt jedoch vorerst undurchschaubar. In der Wirtschaft sieht die Sache schon anders aus, schließlich entscheiden hier oft Einzelpersonen darüber, wer den Job bekommt und wer nicht. Die Jobvermittlung geht da locker von der Hand. In der Verbindung sind ja erstmal alle per Du mit den Alten Herren. Dann sieht man sich bei Festen auf dem Haus, die Alten Herren kennen ihre jungen Bundesbrüder, wissen eventuell von ihren Talenten. Zudem kann von einer gewissen politischen Übereinstimmung ausgegangen werden. Es läuft darauf hinaus, dass letztlich beide Seiten vom Seilschaftsprinzip profitieren. Korporierte benutzen zur Rechtfertigung gerne das Argument, dass man sich in einer Familie auch gegenseitig hilft. So richtig angebracht finde ich dieses Argument gerade wegen der politischen Ausrichtung der Verbindungen nicht. Kanther hat mal in Bezug auf die Rolle der Korporationen in der Gesellschaft gesagt, sein Corps solle auch weiterhin national gesinnte Menschen in führende Positionen entsenden. Und zum Glück ist die Produktion von Nationalisten nicht das gängige Erziehungsziel in deutschen Familien.
Vom Versagen dieser Mechanismen zu sprechen ist etwas übertrieben. Das hat schon alles funktioniert – auch bei mir. Ich habe ja letztlich gut dringesteckt im Verbindungssumpf, war zweimal Fuxmajor und zweimal Sprecher meiner Verbindung. Ich denke, erste Zweifel an den Verbindungsstrukturen sind durch mein Politikstudium aufgekommen – insbesondere durch die Seminare zum Geschlechterverhältnis. Du kannst nicht durch Mitgliedschaft in einer männerbündischen Seilschaft Frauen ausgrenzen, führende Positionen mit Männern besetzen und gleichzeitig Gleichberechtigung für ein erstrebenswertes Ziel halten. Ich würde sagen, ich habe mich dann persönlich weiterentwickelt und angefangen, mir meine eigenen Gedanken zu machen. Das hat die nötige Distanz geschaffen, um zu hinterfragen, was für einen Männerscheiß – würde ich heute sagen – man da eigentlich macht. Allerdings ist von den ersten Zweifeln bis zu meinem Austritt noch einige Zeit ins Land gegangen. Zuerst habe ich versucht, in meiner Verbindung einige Dinge zu ändern.
Zum Beispiel die meiner Meinung nach grundlosen Hierarchien zwischen Füxen und Burschen und das damit verbundene unzeitgemäße, schon fast mystische Burschungsritual mit Fahnen an der Wand, Kerzenlicht, Ritterschlag und Treuegelöbnis. Für mich stand der Freundschaftsgedanke im Vordergrund und ich hatte irgendwann keine Lust mehr, meine „Freunde“ mit übertrieben ernst genommenen Prüfungen zu quälen und sie vor ihrer Burschung aus Erziehungsgründen oder bei Bedarf wie den letzten Dreck zu behandeln. Als Sprecher bzw. Senior habe ich dann angefangen, die Prüfungen locker zu nehmen, mich mit meinen McDonalds-Fritten da hingesetzt und den Leuten einfach eine Eins gegeben.
Das hat schnell zu Auseinandersetzungen geführt und meine Verbindung regelrecht in zwei Lager gespalten. Letztlich haben sich diejenigen durchgesetzt, die an den strengen Regeln und Hierarchien festhalten wollten. Dabei habe ich mich gut ins Zeug gelegt und sogar auf einer Kreuzkneipe eine Rede über die Freundschaft geschwungen. Heute denke ich, dass ich keine wirkliche Chance hatte, an den vorhandenen Hierarchien zu rütteln.
Das kann natürlich sein, aber ich denke eher, dass meine ehemaligen Bundesbrüder mehrheitlich ihre starren und unzeitgemäßen Strukturen, ihre Hierarchien und den ganzen männerbündischen Brauchtums-Mystizismus benötigen, um als Gruppe funktionieren zu können. Zumindest erkläre ich mir so, warum meine Argumente und Veränderungsvorschläge von den Meisten als Bedrohung für die Verbindung empfunden und mit entsprechendem Schwarz-Weiß-Denken abgelehnt wurden – so nach dem Motto: Bist du nicht für uns, bist du gegen uns! Auf jeden Fall habe ich in der ganzen Auseinandersetzung gemerkt, dass man mit dem Prinzip Freundschaft allein in Verbindungen nicht sonderlich weit kommt.
Mit den gewonnenen Erkenntnissen konnte ich mir eine weitere Mitgliedschaft nicht mehr vorstellen. Nun tritt man aus einem Lebensbund nicht einfach aus. Manche Leute haben mir empfohlen, meine Mitgliedschaft einfach ruhen zu lassen, mich ein bißchen rauszuziehen – aber nicht auszutreten. Das war mir allerdings nicht genug. Ich muß mich schon mit einer Gruppe identifizieren können in der ich Mitglied bin. Um mir nichts zu schulden kommen zu lassen, habe ich dann offiziell ein Austrittsgesuch geschrieben und die Gründe dargelegt, warum ich die Verbindung verlassen will. Dieses Gesuch ist vom Convent abgelehnt worden, was ich heute recht witzig finde. Es sagt – denke ich – eine Menge über das Scheuklappendenken vieler Korporierter aus, wenn sie nicht mal in der Lage sind, jemanden gehen zu lassen, der gehen will. Na ja, letztlich konnte mich keiner daran hindern, einfach wegzubleiben.
Ja, und sehr froh darüber.
Zuerst haben sie so getan, als wäre ich rausgeschmissen worden. Vermutlich um so zu tun, als wäre ich nicht gut genug für die Verbindung gewesen anstatt sich einzugestehen, dass da jemand trotz jahrelanger Mitgliedschaft einfach anderer Meinung war. Dann gab es noch jede Menge Gerüchte, etwa über meine angeblichen rechtsradikalen Umtriebe. Darüber kann ich nur noch lachen. Zwar sind extreme rechte Positionen in Verbindungen und speziell in Burschenschaften nicht unverbreitet, schlimmer als schwer katholisch-konservativ war ich jedoch nie. Im Gegenteil, heute halten mich bestimmt viele Korporierte aufgrund meines Engagements gegen Verbindungen für linksradikal. Irgendwann hat ein Convent dann meinen »Rausschmiß« in eine Entlassung umgemünzt, mir war’s zu diesem Zeitpunkt schon mehr als egal.
Ich kam mir vor, als hätte ich mich von einer langjährigen Freundin bzw. Partnerin getrennt. Zur Mitgliedschaft in einer Verbindung gehört ja ein mit dem Verbindungsleben ausgefüllter Terminkalender und ein komplettes soziales Umfeld. Das ist auf einen Schlag weggebrochen. Allerdings war ich auch erleichtert.
Ich denke, ich habe eine Menge Scheiße gebaut und viele Dinge getan, die ich heute bereue. Das hängt besonders mit dem Erziehungsanspruch in den Verbindungen zusammen, der sich in den übertrieben ernstgenommenen Prüfungen ganz gut äußert. Spätestens als Fuxmajor und Senior habe ich mich ja auch an dieser Erziehung beteiligt und damit dazu beigetragen, dass Leute sich in Hierarchien einfügen, mit denen ich heute nichts mehr anfangen kann. Ich denke, man kann da schon von Zurichtung von Menschen reden, wenn ich an die Auswüchse denke, die Brauchtumspflege kombiniert mit hierarchischem Denken damals angenommen hat. Zum Glück darf ich für mich in Anspruch nehmen, aus Fehlern lernen zu dürfen. Heute denke ich, man kann studentische Verbindungen mit Sekten vergleichen. Allerdings mag ich dieses Wort nicht, ich nenne es eher Psychogruppe oder einfach gesellschaftliche Sondererscheinung.
Ich denke, ich habe gerade ausreichend klargemacht, dass ich alles andere als ein reines Opfer bin. Täter sein und Opfer sein hängen in einer Korporation eng zusammen, du bist eigentlich immer beides, wenn du nicht gerade in der Hierarchieleiter ganz oben oder ganz unten stehst. Nein, ich möchte mich nicht darstellen, ich sehe da wirklich eine Vergleichbarkeit – zum Beispiel die Lebenssituation, aus der heraus Mitglieder rekrutiert werden. Korporationen bieten dir in der Unsicherheit des Studienanfangs eine gefestigte Umgebung, viele Vorteile und so etwas wie einen Familienersatz, andere Psychogruppen nutzen Lebenskrisen. Korporationen nehmen dir die Möglichkeit zur freien Persönlichkeitsentfaltung, statt dessen wirst du in strenge Hierarchien und eventuell zum – wie Kanther meint – national gesinnten Menschen erzogen. Das würde ich als Funktionalisierung von Mitgliedern zu Zwecken, die nicht ihre eigenen sind, bezeichnen. Auch bei diesem Phänomen stelle ich eine gewisse Vergleichbarkeit fest. Dann kommt noch das Seilschaftsprinzip mit der elitären Selbstwahrnehmung dazu. Ich denke, man kann auf viele Weisen der Überzeugung sein, den Stein der Weisen gefunden zu haben. Richtig ist es deshalb immer noch nicht. Soll ich weitermachen?
Bei – wie auch immer – gesellschaftlichen Sondererscheinungen bzw. Psychogruppen spricht man von destruktiven Kulten. Ich verstehe darunter Rituale und die damit verbundenen Mechanismen, die dich zur Akzeptanz von Werten bringen, die nicht deine eigenen sind und deine Persönlichkeitsrichtung in irgendeine Richtung lenken sollen. Ich finde, etwas derartiges kann man schon in dem zum studentischen Brauchtum gehörenden Bierjungenritual sehen. Wenn du da mitmachst, zeigst du, dass du aufgrund irgendeiner Ehrerfindung wie der Bierehre bereit bist, mehr Alkohol zu trinken als du vertragen kannst. Ich würde sagen, du übst einen Zwang gegen dich aus. Und ich denke, die gemeinsam in Verbindungen vorherrschende Bereitschaft, einen solchen Zwang gegen sich auszuüben, hat den nicht unbeabsichtigten Effekt, den Gruppenzusammenhang zu stärken und den Beteiligten eine männlich-seltsame Art von Ehrempfinden einzuimpfen. Verbunden mit Deutschtümelei und Hierarchiegläubigkeit ist dann der Weg zur nationalen Gesinnung nicht mehr so weit, um wieder mal Kanther heranzuziehen. Ich denke, die Mitgliedschaft in einer Korporation ist auf jeden Fall eine einschneidende Sache. Du kannst sicher davon ausgehen, dass das Auswirkungen auf deine Persönlichkeitsentwicklung haben wird. Wenn du Pech hast, wirst du ein militaristischer Macho in einer Führungsposition, der ansonsten auf dem Stand seiner Pubertät zurückgeblieben ist.
Es ist auf jeden Fall wichtig, zwischen den verschiedenen Verbindungen zu differenzieren. Herausheben würde ich die schlagenden Verbindungen, die mit Militarismus und Wehrhaftigkeit nochmal eine ganze Ecke krasser sind als die anderen. Dann unterscheiden sich natürlich die politischen Ausrichtungen und die Bereiche gesellschaftlicher Führungspositionen, die von den verschiedenen Seilschaften anvisiert werden. Ein Punkt, den fast alle Verbindungen gemein haben, ist das Männerbündische. Marburger Verbindungen, in denen Frauen Mitglied werden können, kannst du an einer Hand abzählen. Und darüber hinaus haben wirklich alle Verbindungen das Brauchtum gemeinsam, mit den beschriebenen Effekten und Auswüchsen. Insgesamt würde ich sagen: Wenn eine Verbindung harmlos sein will, soll sie sich auflösen.
Na ja, auf dem Papier sieht das gut aus – wirklich geändert hat sich dadurch nichts. Die Korporierten besuchen sich weiterhin untereinander, der enge Kontakt zwischen den Verbindungen bleibt bestehen, Distanzierung hin oder her. Zudem sind die meisten Korporationen nach wie vor in zwei gemeinsamen Dachverbänden organisiert, dem Convent Deutscher Akademikerverbände (CDA) und dem Convent Deutscher Korporationsverbände (CDK). Und was sollen solche lokalen Abgrenzungen, wenn man nach wie vor auf Bundesebene politisch zusammenarbeitet. Da finde ich die schlagenden Verbindungen so gesehen schon ehrlicher. Wer da Mitglied werden will, muß ein deutscher Mann sein, der Wehrdienst geleistet hat. Da weiß man, worum es geht, besser jedenfalls als die heuchlerischen Mimosen, die sich gegen Sexismus aussprechen und trotzdem weiterhin nur Männer aufnehmen. Ich halte diese Marburger Erklärung für bedeutungslos, zumindest solange sie keine Konsequenzen nach sich zieht.
Nur zu.
Das war eine nette Sache, vergleichbar mit einem Fest auf dem Verbindungshaus - nur größer, mit Eltern, Freunden und Bekannten und auf dem Marktplatz. Ich würde sagen, der Marktfrühschoppen war das jährliche Fest aller Marburger Verbindungen, also schon ein größeres Ereignis.
Das mag sein, dass der Marktfrühschoppen so bezeichnet wird. Ein wirkliches Interesse seitens der Korporierten zu irgendeiner Art von Verbrüderung gab es meiner Meinung nach jedoch nie. Dafür sind die Korporierten zu sehr darauf bedacht, etwas Besseres zu sein. Ich kann mich da beispielhaft an eine Situation mit einem Marburger Couleur-Händler erinnern. Der verkaufte in seinem Laden Artikel für Verbindungen, also Kappen, Freundschaftszipfel und anderes – also eigentlich jemand der recht viel mit Verbindungsstudenten zu tun hat. Als er dann auf einem Markfrühschoppen einem Korporierten das Du anbot, kam nur als Antwort: Zipfelmann, ich duze keine Pelzhändler. Und dann noch Gundlach von der Oberstadtgemeinde, der sich auf der Bühne einen abgekaspert hat. Den hat doch auch kaum einer der Korporierten ernstgenommen, der war halt gut für ein paar Lacher. Gesagt hat ihm das natürlich niemand. Na ja, soviel zur Verbrüderung. Ich denke, der Marktfrühschoppen war immer ein Fest der Korporationen, nicht mehr und nicht weniger. Und seit den Auseinandersetzungen von 1995 ist es nochmal schlimmer geworden, da sich die gemäßigteren Verbindungen vom Marktfrühschoppen zurückgezogen haben. Jetzt haben wir es wohl mit einem Fest der rechtsextremen Verbindungen zu tun, was sich schon an der Unterstützung durch neofaschistische Gruppen aus dem Umland zeigt.
Auf jeden Fall.
Keine Ursache.
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