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Preußen am Pazifik

Abbildung 4.1: Bismarck-Büste und Hakenkreuz-Urkunde im Büro von Liquidambar
Bismarck-Büste und Hakenkreuz-Urkunde im Büro von Liquidambar, 16.32k

»Um richtig einzuschätzen, was der Kaffee für diese Küste leisten könnte, reicht es, sich daran zu erinnern, wie Guatemala vor zwanzig Jahren war, und es sich heute anzuschauen. Unbevölkerte Regionen haben sich urplötzlich in gut kultiviertes Ackerland verwandelt. Dörfer und Städte im Niedergang haben sich auf wundersame Art erhoben und bereichern sich immer schneller. Der Handel wächst und das Staatseinkommen steigt an. Die Regierung wird kreditwürdig. Und was vor kurzer Zeit ein niedergehendes, armes, fast ruiniertes Volk war, hat sich dank der einträglichen Ergebnisse des Kaffeeanbaus in einen reichen und florierenden Staat verwandelt. Ich sehe keinen Grund, warum Chiapas nicht das gleiche Ergebnis erreichen könnte, wenn es denselben Weg einschlägt.«

Matías Romero schrieb 1874 voller Begeisterung ein Buch, mit dem er seine Landsleute von den Wundern überzeugen wollte, die der Kaffeeanbau in Chiapas bewirken könne. Romero war ein typischer fortschrittsgläubiger »Liberaler« seiner Zeit und stieg später bis zum mexikanischen Landwirtschaftsminister auf. Doch seine Hoffnung auf »blühende Landschaften«, die der Kaffee wachsen lassen sollte, wurde bitter enttäuscht. Zunächst flankierte er jedoch ideologisch mit seinem Buch die Ansiedlung von Kaffeepflanzern in Chiapas.

Anfangs kamen nur wenige mexikanische und europäische Kolonisten, und oft scheiterten sie an den Widrigkeiten der Natur im unzugänglichen Bergland. Deutsche waren noch nicht unter den ersten Siedlern, die seit den 70er Jahren des 19.Jahrhunderts begannen, kleine Parzellen für den Kaffeeanbau fruchtbar zu machen. Bis dahin lebten im Soconusco nur etwa 2000 Mame-Indianerfamilien und ein paar mestizische Viehzüchter, die dort in aller Abgeschiedenheit Landwirtschaft betrieben. Doch in nur vierzig Jahren wurde aus dem einsamen Soconusco das Hauptzentrum der mexikanischen Kaffee-produktion. Kolonisten aus aller Herren Länder drangen in den Küstenstreifen vor, der Kaffee wurde über die Ozeane in alle Welt verkauft. Waren es noch in den 70er Jahren nur 50 Tonnen Kaffee pro Jahr, so stieg bis 1908 die jährliche Produktion auf 9200 Tonnen an. Zwar gab es jetzt die von Matías Romero erträumten Landstraßen und »kultiviertes Ackerland«, sogar eine Eisenbahn wurde gebaut, aber ein »reicher und florierender Staat« war nicht in Sichtweite. Die ausgebauten Transportwege wurden zu den »offenen Adern«, durch die der Kaffee-reichtum ins Ausland floß. Die Fruchtbarkeit der Erde verwandelte sich für die Mehrheit der Bevölkerung in die Ursache ihrer Armut.

Von nun an bestimmten Weltmarktpreise, Aktienkurse und Kaffeeabkommen das Schicksal der Menschen im südlichsten Zipfel Mexikos. Und jetzt, um die Jahrhundertwende, begann auch die deutsche Invasion des Soconusco und der Frailesca. Zwei Gründe gab es für den Aufschwung der Kaffeeproduktion in Chiapas: In Europa und Nordamerika wuchs die Nachfrage nach dem schwarzen Muntermacher rapide an. Und in Mexiko bemühte sich die Regierung um eine schnelle Modernisierung des bis dahin noch weitgehend unerschlossenen Landes.



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