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RAUS AUS DER DEFENSIVE
Die radikale Linke und der große, böse Sozialraub
Vorbereitung
und Charakter des Angriffs
Alle
reden jetzt von DEM Angriff auf die ArbeiterInnenklasse, seiner
Intensität und davon, dass gerade jetzt immense
Verschlechterungen durchgesetzt werden.. Das ist soweit natürlich
auch richtig, vorbereitet wurde der großangelegte Roll-Back
aber bereits vor Jahrzehnten durch neoliberale
Wirtschaftswissenschaftler. Politisch eingeleutet in den 80ern durch
konservative Regierungen (Reagan, Thatcher, Kohl ...) noch zu Zeiten
der Systemkonkurrenz. Der Zusammenbruch der real existierenden
sozialistischen Staaten war ein weiterer wichtiger Meilenstein in
dieser kapitalistischen Entwicklung und die Verschärfung fand
ihre Fortsetzung seit der 2. Hälfte der 90er unter Clinton,
Blairs New Labour und Schröders Sozialdemokratie.
Das
Ende des sozialistischen Blocks und damit vieler an ihm orientierten
Parteien bedeutete auch den Wegfall vieler Möglichkeiten und
Hoffnungen (berechtigte oder unberechtiogte).
Das
absolute Nachkriegstief der internationalen Linken direkt nach dem
Zusammenbruch des sozialistischen Lagers wurde aber schon bald wieder
überwunden. Der internationale Aufschwung der Kämpfe bahnte
sich bereits in der finsteren Phase der 90er an. Mit so disparaten
Erscheinungen wie dem Mobilisierungserfolg der Zapatistas in Chiapas
94 und dem heftigen ups-Streik in den USA 97, die schliesslich in
Massenprotesten gegen Wirtschafts-, Kriegs-, und Politgipfel einen
gemeinsamen Ausdruck fanden.
Abwehrkämpfe
Die
Abwehr des Sozialraubs steht auf der Tagesordnung. Die Linke und die
zahmen Gewerkschaften bleiben zur Zeit in der sozialen Frage immer
einen Schritt zurück und können so allenfalls Spitzen der
Grausamkeiten verhindern oder hinausschieben. Die Gegenseite rechnet
das mit ein. Einige Vorstöße der KapitalistInnen haben
hauptsächlich den Zweck, verhindert zu werden und den
Lohnabhängigen und ihren Organisationen so Erfolge
zu bescheren. Außerdem ist der Mehrheit der Kapitalverbände
trotz gegenteiliger Behauptungen bewußt, was sie an den
reformistischen Gewerkschaften haben. Einstweilen liegt es nicht im
Interesse des Kapitals, dass die bestehenden Gewerkschaften vollends
ihr Gesicht und ihre Daseinslegitimation verlieren.
Die
Verwirrung angesichts bereits durchgesetzter, geplanter und
verworfener Reformvorschläge ist groß und das soll auch so
sein.
Aufheben
können wir sie, wenn wir uns auf Diskussionen um die
sozialverträgliche Modifizierung der Reformen nicht
einlassen.
Wir
müssen wieder dahin kommen, die Inhalte des öffentlichen
Diskurses zu bestimmen.
Nicht
die sozialverträgliche Gestaltung des Kapitalismus ist unser
Ziel, sondern seine Abschaffung.
Das
ist es, was uns von den ReformistInnen aller Couleur unterscheidet:
Wir wissen um die Möglichkeit einer befreiten Gesellschaft und
wir wissen, dass soziale Gerechtigkeit im Kapitalismus ein Ding der
Unmöglichkeit ist.
Was
haben wir aber zu halten von den Vorwürfen an die
ArbeiterInnenklasse ( oder an den Arbeiterbewegungsmarxismus
o.ä., wo der Begriff Klasse abgelehnt wird), sie
würde mit ihrem Ringen um Verteidigung oder Ausbau ihrer Rechte,
mit dem Kampf um einen höheren Preis für ihre Arbeitskraft
lediglich die Verhältnisse und ihre eigene Abhängigkeit
vom Fetisch Arbeit zementieren und eben der Illusion eines
gerechten Kapitalismus erliegen.
Kampf
um Lohnerhöhung, Arbeitszeitverkürzung ist nichts anderes
als das Ringen darum, wie hoch der unbezahlte Anteil der Arbeit ist.
Das Rezept, die Festsetzung dieser Rate den KapitalvertreterInnen zu
überlassen ist schon recht abstrus.
Das
Wissen darum, dass der Verzicht auf den Kampf um Reformen Verzicht
auf u.a. ein arbeitsfreies Wochenende und Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall heißt, ist zum Glück noch weit verbreitet.
Wo
aber TheoretikerInnen keine gegensätzlichen ökonomischen
Interessen mehr wahrnehmen wollen, gelten für sie alle
gleichermaßen als Opfer des Kapitalismus.
Das
läuft dann auf die alte idealistische Lösung
hinaus: Es müßten nur die Menschen ein
richtiges Bewußtsein entwickeln (wahrscheinlich durch intensive
Lektüre einschlägiger Schriften), dann würde sich der
Kapitalismus schon irgendwann in Wohlgefallen auflösen.
Da
alle Kampfmaßnahmen der dummen und rückschrittlichen
ArbeiterInnenbewegung als reformistisch und dem Ziel abträglich
denunziert werden, gibt es objektive Nutznießer dieser Theorie
- und das sind nicht die Lohnabhängigen.
Darüber
hinaus würden die Schöpfer solcher Theorien und ihre
Epigonen nur ungern auf z.B. Nahrungsmittel oder die Müllabfuhr
verzichten, auch wenn sie den ProduzentInnen von Gütern und
Dienstleistungen vorrechnen, dass ihre Arbeit überflüssig
und so gut wie abgeschafft sei und ihnen zurufen: macht endlich
Schluß!
Wo
die VertreterInnen des eben behandelten Spektrums versuchen, eine
eigene Praxis zu entwickeln, ähneln ihre Vorschläge
plötzlich denen der sonst verachteten selbsternannten
SozialreformerInnen.
Deren
jüngstes Steckenpferd - Sozialforen als Fürsprecher
für die Benachteiligten im öffentlichen Raum - wollen
wir uns noch ansehen.
Freilich
gibt es sinnvoll arbeitende, gute Sozialforen. Welche Bedingungen
diese unseres Erachtens zu erfüllen haben, reißen wir
diesmal nur kurz an. Wir hoffen aber, bald mehr Grund zu haben, uns
mit ihnen zu befassen.
Fürs
erste zur schlechten Variante:
Schlimmstenfalls
fungiert ein schlechtes Sozialforum nur als ein Zweckbündnis und
Sammelbecken für Vereine zur Wahrung von Partikularinteressen
und als Ausdruck der Summe dieser Interessen - als Spielwiese für
ReformerInnen und NachwuchspolitikerInnen. Was Sozialforen auch sein
können: Vehikel zur weiteren Politisierung, Instrumente zur
Zusammenführung und Weiterentwicklung der unterschiedlichen
Anliegen - lebendiges und authentisches Forum für die Stimmen
und Aktionen von unten, getragen von Menschen, die darauf setzen,
dass die Lohnabhängigen sich organisieren, von der Basis aus
andauernde Kämpfe für ihre gemeinsamen Interessen führen.
Das
ist dann das Gegenteil der gelegentlichen Praxis, dass
FunktionärInnen ihre Forderungen, unterstrichen von
Massenprotesten, an die große Politik stellen und ihren Willen
zu einer gerechteren Gestaltung des Kapitalismus signalisieren.
Demonstrationen
und Kundgebungen können als Teil von Kämpfen eine wichtige
Rolle spielen. Für die revolutionäre Linke sind sie als
Kampfmittel unverzichtbar, aber sie müssen als Teil des Kampfes
gesehen werden und nicht als der Kampf selbst. Allerdings sieht es
manchmal so aus, als fiele den OrganisatorInnen von Kampagnen kaum
etwas anderes ein als allein die Vorbereitung der jeweils nächsten
öffentlichen Protestkundgebung (am besten mit Massenbeteiligung
und einer Medienpolitik a la Greenpeace). So bringt mensch wichtige
Themen für 15 Sekunden in die Abendnachrichten, die eine oder
andere Schlagzeile springt dabei raus, wenn´s gut läuft,
nehmen die Beteiligten neuen Elan für Kämpfe die sie zu
Hause führen mit.
Wo
Großkundgebungen isoliert von kämpferischer Praxis in
Betrieben, Schulen, Stadtteilen und Ämtern abgespult werden,
dienen sie aber auch als Ventil. Auf die Frage: was kommt danach?
Haben die VeranstalterInnen allzuoft keine Antwort. Stattdessen der
stolze Verweis auf TeilnehmerInnenzahlen: mit der Illusion von Stärke
haben wir aber noch nichts gewonnen.
Wie
die DGB-Gewerkschaften fixiert auf Betriebsräte und
Aufsichtsräte schließlich die Einflußnahme auf die
bürgerliche Großpolitik sind, so glauben manche
AkteurInnen - entgegen ihren eigenen Theorien - gegen die
kapitalistische Globalisierung ohne Basiskämpfe vorgehen zu
können, gestützt allein auf philosophische Diskurse,
Großveranstaltungen und virtuelle Strukturen.
Offenbar
haben manche ihrer AnhängerInnen zeitweise das Vertrauen in
bürgerliche Politikformen zurückgewonnen, in das Delegieren
der Durchsetzung eigener Interessen an StellvertreterInnen.
Setzen
wir dagegen auf wirkliche Kämpfe wirklicher Menschen, da wo sie
leben, im sozialen Alltag, in ihrem Arbeitsalltag.
Für
den Kampf um soziale Verbesserungen, die Verteidigung und den Ausbau
der bisher von der ArbeiterInnenbewegung erkämpften Rechte
braucht sich die radikale Linke nicht zu entschuldigen. Sie führt
diesen Kampf nicht mit dem Ziel eines reformierten Kapitalismus und
sie führt ihn im Wissen darum, dass mit Abwehrschlachten allein
Ausbeutung und Unterdrückung nicht beseitigt werden.
Wir
denken, dass die Vergeblichkeit von Lösungsversuchen, die im vom
System gesteckten Rahmen bleiben, wieder mehr Menschen deutlich wird.
Es
gibt sicher keine Veranlassung, im sozialen Kampf bei den eigenen
Inhalten Abstriche zu machen, wenn wir versuchen alle zu erreichen,
die wirklich aktiv sind oder aktiv werden für eine endlich
wirklich menschliche Gesellschaft.
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