barricada
zeitung für autonome politik und kultur
Navigation
Barricada
FEBRUAR 2004


“Die Wintersonne in den Bergen der Schweiz genießen wie hier bei Davos - ein eher stilles Vergnügen.“ (Nürnberger Nachrichten, 17./18.01.04) Ach ja die NN wie immer vorne dran, nach radikal-reformistischen Kommentaren wg. Weltsozialforum - nun zarte, subtile Praxistipps in der „Gute Reise“- Beilage, was so ein paar farbige Denkanstösse doch bewirken können …, wir sind auf die Berichterstattung zur Nato-Sicherheitskonferenz gespannt und würden uns nicht wundern, wenn der Betriebsausflug zufällig von Donnerstag bis Samstag nach München geht, weiter so …


Fight global war - fight global capitalism!

„Erfolgreiche Mobilisierung gegen das WEF 2004“

So das Resümee des Revolutionären Aufbau (www.aufbau.org), einem der MitorganisatorInnen der Widerstandsaktivitäten gegen das WEF in Davos. Und auch, wenn die misslungene Anreise und die einzelnen Schikaneaktionen für einige Beteiligte sicherlich zermürbend und frustrierend waren, so war der Widerstand gegen das WEF aufgrund der Vielfältigkeit und den zahlreich gelungenen Aktionen, die trotz der massiv aufgefahrenen Hüter von Law and Order möglich waren, erfolgreich. Wenn sich auch die bürgerlichen Medien wieder einmal darauf eingeschworen hatten, den Blickfang auf lächelnde Konzernvertreter zu richten, wurde immer wieder deutlich, dass ein Treffen der Reichsten und Mächtigsten selbst im ruhigen Hinterland Davos unter immensen Sicherheitsvorkehrungen keinen ungestörten Ablauf nehmen kann.

„Wo Berge sich erheben | am hohen Himmelszelt

da ist ein freies Leben | da ist die Alpenwelt“

(aus der Anschlagserklärung „Für eine revolutionäre Perspektive!“)

Der Widerstand gegen das WEF in der Retrospektive

Bereits am 10. Januar wurde in Winterthur angekündigt, dass das WEF nicht ohne Widerstand über die Bühne gehen würde. 700 Menschen versammelten sich zu einer kraftvollen Demonstration gegen WEF und Kapitalismus. Trotz Gitterabsperrungen und Wasserwerfereinsatz konnten die Fassaden einiger WEF-Konzerne mit Farbe und Parolen verschönert werden.

Zur Begrüßung der WEF-TeilnehmerInnen am 21. Januar kam es den gesamten Nachmittag über zu zahlreichen Blockadeaktionen im Raum Zürich. Auch innerhalb des Flughafens mussten sich die Anreisenden längere Zeit gedulden, um zum Info-Point des WEF durchzudringen. Außen regierten ein Verkehrschaos und stundenlange Staus die Schweizer Hauptstadt. Am Abend beteiligten sich etwa 500 Leute an einem Radio-Ballett, das die Themen Armut, Überwachung öffentlicher Räume und militärische Einsätze im Inneren symbolisch über die Stadt verstreut zum Ausdruck brachte.

Unterdessen wurden die in Davos stationierten Polizeikräfte mit Knallzündern versehenen, durchnumerierten „Päcklis“ auf Trapp gehalten. „… Die Nr. 7 war in einer chinesischen Vase in der Eingangshalle des Seehofhotels in der roten Zone deponiert und von den Bullen gesprengt worden. Nr. 5 (Rakete mit Zünder) wurde im Silberrechaud im Morosani Posthotel gefunden, wo die Bundesräte ruhen. Dafür wurde das Hotel evakuiert und die Strasse gesperrt; die geplante WEF-Veranstaltung verzögerte sich um eine Stunde....“ (aus der Anschlagserklärung „Für eine revolutionäre Perspektive!“) Ebenfalls über Raketen freuen durfte sich die Züricher Niederlassung des WEF Mitglieds ADECCO, das wegen seiner „schmutzigen Geschäfte als Lohnsklavenhändler und Lieferant von StreikbrecherInnen“ zum Angriffsziel wurde. Und auch in Heidelberg wurden unter der Forderung „Keine deutschen Bullen zum Einsatz nach Davos!“ die Türschlösser einer Polizeiwache der Bereitschaftspolizei mit Sekundenkleber verklebt und die Außenwände mit den entsprechenden Inhalten verziert.

Der Hauptwiderstand auf den Straßen konzentrierte sich auf den 24. Januar. Während es etwa 100 Personen trotz militärischer Abriegelung gelang, eine Demo in Davos durchzuführen, blockierten andere die Autobahn, um einen Zugang nach Davos zu fordern. Wer an den zahlreichen Vorkontrollen abgewiesen wurde, fuhr nach Chur, um mit 3000 anderen den Protest lautstark, vielfältig und auch militant zum Ausdruck zu bringen. Bei einer Zugblockade in Landquart zur Unterstützung der in Davos festgehaltenen wurden 1100 Personen über 6 Stunden ohne Essen und Trinken eingekesselt und mit Wasserwerfern, Tränengas, Gummigeschossen, Knallschockgranaten und Knüppeln angegriffen - mit von der Partie bei diesem Übergriff auch deutsche Polizeieinheiten - und hinter den Polizeikräften unbehelligt lauernde Faschisten, die auf ihre Chance warteten. Spätestens um 23:15 Uhr wurden die letzten aus dem Kessel nach Zürich verfrachtet, egal ob sie dort hin wollten oder nicht.

Letztendlich ging die Rechnung derjenigen, die sich ihr Demonstrationsrecht in Davos verbieten ließen und nach Chur mobilisierten, um „unnötigen“ Konfrontationen mit der Staatsmacht aus dem Weg zu gehen, nicht auf. Wieder einmal hat die Staatsgewalt bewiesen, dass nicht der Ort oder die Wahl der Widerstandsform der Proteste ausschlaggebend für staatliche Repression ist. Lediglich die inhaltliche Ausrichtung, gegen das kapitalistische System zu sein, ist hierfür Grund genug. Insofern waren die Widerstandsaktionen gegen das WEF erfolgreich. Mehrere tausend Menschen - ohne diejenigen, die bereits an den Schweizer Grenzen wieder abgewiesen wurden - hatten sich an den jeweiligen Aktionen beteiligt, und zum Ausdruck gebracht, dass sie sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung zur Wehr setzen und die herrschenden Verhältnisse nicht widerspruchslos hinnehmen. In diesem Sinne, auf nach München …

Die bayerische Linie

Die NATO-Sicherheitskonferenz rückt näher und mit ihr steigen die Hormonausschüttungen. Während sie auf der einen Seite für Kreativität und Produktivität sorgen, verursachen sie auf der anderen Kurzschlußhandlungen und eindeutige Stresssymptome.

Ein in Halle verteiltes „Smash NATO“-Flugblatt mit einem vermummten Demonstranten war der diesjährige Grund für die Stürmung des Convergence Centers „Tröpferlbad“ am 29.01. um 20:30 Uhr. 200 bayerische USKler durften ihre Aggressionen an abgesperrten Türen und Schließfächern ausleben, etwa 20 Leute wurden zwei Stunden lang an die Wand gestellt, bis die Randalierer, ohne etwas gefunden zu haben - vermutlich wussten sie auch nicht, was sie eigentlich suchen sollten - nach Stunden wieder abzogen. Unabhängig von dieser Aktion hat das Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz bereits Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Münchner Polizeipräsidenten Wilhelm Schmidbauer aufgrund seiner Verunglimpfung von Protestierenden als „Berufsdemonstranten“ und der bereits von ihm angekündigten Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz eingeleitet. Ähnliches könnte seinem Vize Jens Viering blühen, der zugab, die Urteile zu den illegalen Ingewahrsamnahmen der vergangenen Jahre zwar zur Kenntnis genommen zu haben, sich „bei Bedarf“ jedoch auch dieses Jahr wieder darüber hinwegsetzen wird.

Dass der Polizei die Arbeit im Vorfeld nicht ausgeht, dafür sorgte ein Schreiben, das in drei Münchner Stadtteilen die Bevölkerung erreichte. Polizei und Rathaus bitten darin alle Bürger zur „Erfassung der biometrischen Personendaten im Rahmen des Pilotprojektes Automatisches Iris Identifikations-System“ zum Erkennungsdienst, um „Berufsdemonstranten“ während der NATO-Sicherheitskonferenz besser ausfiltern zu können. Die Polizei ermittelt gegen Unbekannt, da ihrer Meinung nach, ein Verstoß gegen das „Geschmacksmustergesetz“ (!) vorliegt, da Polizeistern und Münchner Kindl angeblich zweckentfremdet wurden. Was man jedoch in Bayern nie für möglich gehalten hätte, auch die CSU scheint sich nun an den Protestaktivitäten engagieren zu wollen. Zumindest hat die Münchner Filiale ihre Schaufensterdekoration mit entsprechenden Plakaten verschönert. Plakate, Aufkleber und Transparente an stark befahrenen Straßen sorgen zusätzlich dafür, dass Münchens Schickeria-Image etwas überholt wirkt.

Angesichts des runden Jubiläums der 40. Sicherheitskonferenz wird dieses Jahr eine „Große Waffenparade“ geplant, um den Kriegsstrategen einen ihnen würdigen Empfang zu bereiten. Präsentiert wird die neueste Militärtechnologie aus den Waffenschmieden der an der Konferenz beteiligten Rüstungskonzerne. Mit Panzern, Flugzeugen, SoldatInnen und lautem Kriegsgeheul wird es heißen: „Happy Birthday SiKo!“

Weniger einfallsreich stellt sich OB Ude dar. Während er die Sekt- und Weißwurstbestellung für seinen alljährlichen Empfang der Mörder in Auftrag gibt, laufen die Verhandlungen über die angemeldeten Kundgebungsplätze am Freitag Abend immer noch. Derzeit sind für die Menschenkette des Friedensforums nur Stachus, Lenbach-, Maximilians- und Odeonsplatz bis zur Schrammerstr./Theatinerstr. genehmigt. Dies bedeutet, dass ein Großteil der Kette (Maffeistr., Promenadeplatz, Parcellistr. Und Maximiliansplatz bis zur Prannerstr.) nicht genehmigt wurde. Das Bündnis kündigte allerdings an, die Kette auch ohne Genehmigung schliessen zu wollen. Für die Proteste rund um den Tagungsort Hotel Bayerischer Hof sind bisher der Platz der Opfer des Nationalsozialismus, Lenbachplatz, Schrammerstr./Theatinerstr. und Odeonsplatz zugelassen. Infopoints werden auf dem Marienplatz und Stachus/Karlsplatz sein. Unter www.no-nato.de gibt es einen Stadtplan, auf dem sämtliche Plätze eingezeichnet sind.

Also, es gibt viel zu tun, obi geht´s!

Zurück zur Red Side