TATblatt


Dichterstein Offenhausen:

Innenministerium verbietet rechtsextremes Treffen

Der "Verein Dichterstein Offenhausen" ist eines der wichtigsten Projekte zur Vernetzung des rechtsextremen Lagers im deutschen Sprachraum. Seit fast zehn Jahren gibt es kontinuierlichen Widerstand gegen den Verein und die jährlich von ihm veranstalteten "Offenhausener Begegnungstage". Vor wenigen Tagen wurde dem Verein jegliche weitere Tätigkeit von Innenminister Schlögl untersagt und somit nach 35 Jahren erstmals die rechtsextremen Vernetzungstreffen verboten. Ein Verfahren zur Auflösung des Vereins wurde eingeleitet.

FAG - Föderation Autonomer Antifagruppen/OÖ, TATblatt
Noch steht er, der durch direkte antifaschistische Aktion schwer lädierte Dichterstein Offenhausen, ein Wallfahrtsort für in- und ausländische Rechtsextremisten. In dieses Monument für den in Wort gegossenen Rassenwahn sind Marmorplatten mit den Namen von über 400 großteils völkischer Dichterfürsten eingelassen, unter ihnen die gesamte NS-Dichterprominenz. Jene also, die das geistige Milieu bildeten, das den Nationalsozialismus trug und repräsentierte. In den Stufen des Dichtersteins sind Schlagworte wie "Deutsches Volkstum", "Tapferkeit", "Ahnenehrung", "Soldatentum", "Sippenreinheit", "Heimat", "Gefolgschaftstreue" und ähnliches eingemeißelt.

Die jährlich stattfindenden "Offenhausener Begegnungstage" dienen der extremen Rechten des gesamten deutschen Sprachraumes als ideale kommunikative Treffpunkte unter dem Deckmäntelchen "kultureller" Aktivitäten, mit teilweise internationaler Beteiligung. An den Tagungen nahmen unter anderem der vor der Justiz nach Spanien geflüchtete Neonazi Gerd Honsik, Funktionäre von Gottfried Küssels VAPO, "Zur Zeit"-Chefredakteur Andreas Mölzer und Funktionäre der FPÖ teil.
 

Staatlicher Alibi-Antifaschismus

Anfang der 90er Jahre verabschiedeten sowohl der Offenhausener Gemeinderat als auch der oberösterreichische Landtag Resolutionen gegen den Verein, die völlig wirkungslos blieben. Die traditionell rechtslastige Justiz bot dem Verein sogar Schützenhilfe: Die Staatsanwaltschaft am Landesgericht Wels stellte fest, daß Begriffe wie "Artbewußtsein" oder "Sippenreinheit" aus dem 19. Jahrhundert stammen und deshalb nicht nationalsozialistisch geprägt seien.

In den letzten Jahren nahmen regelmäßig BeamtInnen des Staatsschutzes an den Tagungen des Vereins teil. Das Innenministerium stellte jedes Jahr fest, daß bei den Begegnungstagen kein nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet werde. Die Polizei legte ihr Hauptaugenmerk auf die von autonomen Antifagruppen organisierten Gegendemonstrationen. Mit zum Teil illegalen Methoden versuchten die Behörden, das Handeln der AntifaschistInnen zu behindern. Das Vorgehen der Behörden im letzten Jahr wurde in einem Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates in Linz als teiweise rechtswidrig verurteilt. Die BeamtInnen unterzogen alle KundgebungsteilnehmerInnen einer entwürdigenden Durchsuchung und bildeten ein rechtswidriges dichtes Spalier rund um die DemonstrantInnen.
 

Zusammen kämpfen

Die kontinuierliche antifaschistische Aufklärungsarbeit und die in diesem Zusammenhang seit Jahren stattfindenden Demonstrationen erzeugten schließlich einen Druck, der groß genug war, um den "Verein Dichterstein" in mehr als nur ernste Schwierigkeiten zu bringen. Daß der Verein ins ungeliebte Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurde, führte zu seiner Thematisierung in den Medien und zu einer Verbreiterung des antifaschistischen Widerstandes. Über 200 prominente OberösterreicherInnen unterzeichneten vor wenigen Wochen einen Aufruf an Innenminister Schlögl, den Verein aufzulösen.

In "letzter Minute" wollte sogar der Vereinsobmann, der ehemalige Unteracher NDP-Chef und jetzige FPÖler O.S., aus taktischen Gründen die Namen von jüdischen SchriftstellerInnen auf dem Dichterstein anbringen lassen, um den Verein vor dem drohenden Verbot zu retten. Nachdem dieser Vorschlag von seinen KollegInnen abgelehnt wurde, erklärte er seinen Rücktritt.

Im April 1998 erstellte der Verfassungsrechtler Heinz Mayer ein Gutachten, aus dem hervorgeht, daß die Auflösung des Vereines "rechtlich geboten" sei. Er begründet dies unter anderem damit, daß der Verein "tief in die Geisteswelt des Nationalsozialismus eingebettet ist und sich in diesem Sinne betätigt".

Nur eine Woche vor dem geplanten diesjährigen Dichterstein-Treffen und erwarteter antifaschistischer Proteste, gab Innenminister Schlögl am 24. April bekannt, daß er den Verein Dichterstein Offenhausen wegen des Verdachts der nationalsozialistischen Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes auflösen wird. Die Abhaltung der diesjährigen Begegnungstage wurde untersagt.

Die behördliche Auflösung des Vereines bedeutet keine Zerstörung der rechtsextremen Strukturen in der Region. Es ist damit zu rechnen, daß die rechtsextreme Szene das Verbot durch eine Umstrukturierung und Neuformierung umgehen wird. Unklar ist auch, was mit der Dichtersteinanlage und dem Vereinsvermögen passieren wird. Bei Auflösung des Vereins ist laut den Statuten eine Organisation begünstigt, das Vereinsvermögen zu "erben", die eine Geistesverwandtschaft aufweist: Der Österreichische Turnerbund (ÖTB).

Auch wenn das Verbot des Vereins und der jährlichen Tagungen nur eine Heuchelei und Alibi-Handlung darstellt, ist ein kurzfristiges Ziel erreicht. Es beweist, daß die Sysiphusarbeit der Bekämpfung rechtsextremer Organisationen Früchte trägt. Die Funktion des Vereins wird nach seiner Auflösung eine neue oder eine andere, bereits existierende Gruppe übernehmen.

In einer Reaktion auf das Innenministeriumsverbot meinte der Landesgeschäftsführer der OÖ-SPÖ Reinhard Buchinger, daß er sich über die Entscheidung des Innenministers freue. Gleichzeitig drückte er seine Hoffnung aus, daß "Offenhausen auch die Gegendemonstrationen autonomer Gruppen erspart bleiben (wird)". Die AntifaschistInnen werden Herrn Buchinger enttäuschen müssen, sie werden weiter gegen rechtsextreme Treffen aktiv sein, egal wo und unter welchem Deckmantel sie stattfinden.

zum Dichterstein Offenhausen und den Widerstand dagegen siehe u.a. auch:
"Antifaschistische Demonstration gegen den Dichterstein Offenhausen" in TATblatt +74
"Ein kleines bißchen Widerstand" in TATblatt +74
"Dichtersteinbemalung" in TATblatt +75
"Notstandsübung gegen Antifademos in Offenhausen und Wels" in TATblatt +76
"Grundrechtsbeschwerde wegen Polizeiübergriffen" in TATblatt +82
"Polizeieinsatz bei Antifa-Demos im Mai verurteilt" in TATblatt +85


aus: TATblatt Nr. +97 (9/98) vom 7. Mai 1998
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