Inhalt | Die Rebellion der Habenichtse |
»Arbeit und Ausdauer« | Regierungstruppen greifen an |
Die Zurufe verstummen. Niemand wagt, noch ein Wort zu sagen. Schweigend sitzen die Landarbeiter auf der Ladefläche des Lastwagens, der sie den steilen Weg hinunter ins Tal bringen soll. In dunkelgrüne Uniformen gesteckte Soldaten richten die Läufe ihrer automatischen Waffen auf die zwanzig Männer und Frauen. Nervös und ruckartig drehen die Militärs die Köpfe hin und her, um sich ihrer Deckung zu versichern. Straßensperre. Stille, nur der Dieselmotor des LKW klopft unregelmäßig. Eine leichte Abendbrise weht das Tal herauf und zieht kühl unter die noch aufgeknöpften Hemden der Bauern. Die Phalanx der Soldaten rührt sich nicht. Kaum erkennbar sind die Gesichter der Uniformierten unter den tiefen Stahlhelmen, das Kinn von einem weißen Plastikschutz verborgen. Ihre kakifarbenen Tarnhosen flattern im Wind, doch die mit schußsicheren Westen gepanzerten Körper stehen ohne Regung in einer Reihe. Hinter den Soldaten sind einige Armee-Fahrzeuge zu erkennen, am Straßenrand geparkt, die breiten Schnauzen ihnen drohend zugewandt. Auch dort keine Regung, keine Bewegung, nur das Flattern der Abdeckplanen im Wind. »Absteigen!«, befiehlt plötzlich eine schneidende Stimme. Keiner der Landarbeiter wagt, sich zu regen. »Absteigen, ihr Indio-Arschlöcher!«, schreit die Stimme des Offiziers drohend, aggressiv, laut. Jetzt klettern die ersten Campesinos vom LKW, die Revision und Leibesvisitation durch die Soldaten beginnt. Alle Bauern müssen sich breitbeinig aufstellen. Die Hände über den Kopf an die Pritsche des LKW gestreckt, werden sie durchsucht.
Auf das von Hoffnung erfüllte Jahr des Aufstandes folgt die Repression. Die Kraft der Rebellion überrascht die Mächtigen im Januar 1994. Einige Monate entgleitet ihnen die Kontrolle. Gegen die durch den bewaffneten Aufstand der Zapatistas ausgelöste Welle der Landbesetzungen, Erstürmungen der Rathäuser und Protestdemonstrationen in Chiapas versagen die altbekannten Herrschaftsmechanismen. Doch nachdem Präsident Ernesto Zedillo am 1. Dezember 1994 sein Amt antritt und wenige Tage später in Chiapas der PRI-Gouverneur Robledo Rincón in den Regierungspalast eingezieht, sammeln sich die Kräfte des alten Regimes zur Offensive gegen die rebellierenden Kleinbauern und Landarbeiter.
»Wenn in dreißig Tagen die Zentralregierung und die Regierung von Chiapas die besetzten Grundstücke nicht räumt und die Legalität in der Gegend wieder herstellt, werden wir die Dinge selbst in die Hand nehmen.« Jorge Constantino Kanter, Chef der Confederación Nacional de Propietarios Rurales (CNPR), und Abkömmling deutscher Kaffeepflanzer, läßt Ende Januar 1995 auf einer Pressekonferenz keine Zweifel daran, daß die Großgrundbesitzer mit allen Mitteln die besetzten Plantagen und Grundstücke zurückerobern wollen. Wie das Vorgehen gegen die Landbesetzer aussehen soll, kündigt er auch gleich an: »Unsere Aktionen werden sich nicht gegen die Campesinos und Ejidatarios richten, sondern gegen die Führer der Gewerkschaften.« Direkter können Morddrohungen gegen die Aktivisten der Bauernorganisationen nicht ausgesprochen werden. Bereits wenige Wochen nach Beginn des Aufstandes hat er in der landesweit verbreiteten Wochenzeitschrift PROCESO geprahlt: »Gebt mir 400 bewaffnete Männer und im Nu habe ich zwei Distrikte unter Kontrolle.«
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