Quelle: Südkurier vom 27.01.01 | |
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Konstanz (te) Im Konstanzer Skinhead-Prozess gegen fünf 18 bis 26 Jahre alte Skinheads aus Markdorf, Pfullendorf und Bad Wurzach verhängte die Jugendstrafkammer des Landgerichts mehrere Haftstrafen. Der 26-jährige Hauptangeklagte muss ein Jahr und vier Monate hinter Gitter. Drei weitere Angeklagte erhielten Bewährungsstrafen, einer wurde freigesprochen, weil die Beteiligung an Attacken gegen drei Ausländer nicht nachweisbar war.
Nach zehnstündiger Beratung war die Jugendkammer des Landgerichts Konstanz unter Vorsitz von Richter Klaus Geiger zu einem Urteil gelangt. Danach wurde der hauptangeklagte 26-jährige Skinhead wegen einer Reihe von gewalttätigen Attacken auf drei ausländische Besucher des letztjährigen Konstanzer Seenachtfestes zu einem Jahr und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Weil er "massiv und einschlägig" vorbestraft ist und zudem eine Bewährungsauflage gebrochen hat, muss er diese und vermutlich auch die einjährige Vorstrafe wegen eines anderen Körperverletzungsdelikts absitzen.
Zwei weitere Skins wurden zu einem Jahr und vier Monaten, einer zu zwölf Monaten Gefängnis mit dreijähriger Bewährung verurteilt. Zudem müssen sie je 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Ein nach Jugendstrafrecht verurteilter, nicht vorbestrafter 18-Jähriger muss sich zudem einem sozialen Trainingskurs unterziehen. Der fünfte Angeklagte wurde freigesprochen. Ihm war eine Tatbeteiligung an den Attacken nicht nachzuweisen gewesen. Allerdings ist er wegen des Besitzes eines Würgeholzes zu einer Geldstrafe von 2700 Mark verurteilt worden.
In seiner anderthalbstündigen Urteilsbegründung ließ Richter Klaus Geiger keinen Zweifel an der Einordnung der Gewalttaten, die sich gegen zwei junge Türken und einen aus Togo stammenden, lange hier lebenden Schwarzen richteten: "Die Taten hatten eindeutig einen rassistischen, neonazistischen Hintergrund."
Alle Angeklagten gehörten der Skinheadszene an, einer war einige Zeit lang NPD-Mitglied gewesen. In den Wohnungen der jungen Männer waren CDs mit rassistischen Inhalten ("Herrenrasse", "Nigger out", "Türkenjäger"), Propagandamaterialien rechtsextremer Gruppierungen, NS-Militaria und eine metergroße Hakenkreuzfahne sichergestellt worden.
Den Versuch eines Anwalts während der Hauptverhandlung, den Hauptangeklagten als Ausländerfreund darzustellen, bezeichnete Richter Geiger angesichts der Beweise als "schlichtweg nicht nachzuvollziehen".
Zwar habe keiner der Angeklagten ein ideologisch festgefügtes, historisch gesichertes rechtsradikales Weltbild; vielmehr säßen die jungen Männer aus diffusem Hass den Parolen von Scharlatanen auf. Aber ihre Ideologie sei das "gefährliche Vehikel, mit dem die Angeklagten meinen, ihre Taten rechtfertigen zu können", begründete Klaus Geiger.
Die daraus entstehende gesinnungsbedingte Gewalt dürfe die Rechtsgemeinschaft jedoch nicht hinnehmen. In der Beurteilung des Tatablaufes folgte die Kammer der Schilderung der Opfer und einiger unbeteiligter Zeugen. Sowohl das Zeigen des Hitlergrußes als auch die Rufe "Scheiss Neger" und die anschließende Hetzjagd mit Misshandlungen und Körperverletzungen der friedlichen ausländischen Festbesucher seien erwiesen.
Wegen der Tatmotivation und aus Gründen der Abschreckung gegenüber potenziellen Tätern seien harte Strafen angemessen: "Es ist notwendig, dass Straftätern die rote Karte gezeigt wird, weil sie gegen demokratische Spielregeln und gegen Strafgesetze verstoßen haben", sagte Richter Klaus Geiger.
Tobias Engelsing
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sw, 27.01.01