Quelle: Südkurier vom 24.01.01 | |
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Konstanz (te) Nach viertägiger Hauptverhandlung vor der Jugendkammer des Landgerichts sind Staatsanwaltschaft und Verteidiger zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen des nächtlichen Geschehens während des letztjährigen Seenachtfestes gelangt. Staatsanwalt Fritz Helbig sah es als erwiesen an, dass die fünf jugendlichen Angeklagten aus Markdorf, Pfullendorf und Bad Wurzach einen Schwarzen und zwei Türken angepöbelt, mit "Scheiss Neger"-Rufen beleidigt, schließlich gejagt, geprügelt und einen von ihnen ins Wasser gestoßen hätten. Er forderte deshalb für den hauptangeklagten 26-jährigen Markdorfer eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 2 Monaten. Zwei weitere Angeklagte sollen 22 Monate hinter Gitter, ein vierter junger Mann soll 15 Monate Gefängnis auf Bewährung bekommen. Einer der Angeklagten sei freizusprechen, ihm habe eine Tatbeteiligung nicht nachgewiesen werden können, sagte Helbig in seinem zweistündigen Plädoyer. Im Übrigen habe sich der Tatvorwurf bestätigt, die Ereignisse seien Ausdruck einer "latent fremdenfeindlichen, rassistischen Geisteshaltung". Auf solche Zeitbomben der Gewalt müsse der Staat mit Härte reagieren.
Die Verteidiger trugen dagegen vor, weder die Zeugenaussagen noch das sonstige Beweismaterial habe die genaue Tatbeteiligung der einzelnen Angeklagten belegen können. Auch könne von einem schweren Landfriedensbruch (Gewalttaten aus einer Menschenmenge heraus begangen) nicht gesprochen werden, zumal die Gruppe lediglich aus fünf bis sieben Mitgliedern bestanden habe. Schließlich habe ein rassistischer Hintergrund nicht belegt werden können. Die Angeklagten seien folglich wegen nicht nachweisbarer Tatbeteiligung freizusprechen. In erwiesenen Fällen forderten die Anwälte Gefängnisstrafen zur Bewährung zwischen drei und sechs Monaten. Die Angeklagten selbst fanden zum Ende der Verhandlung Worte des Bedauerns und versprachen, künftig ein "normales Leben" führen zu wollen. Die Kammer hat nun die Aufgabe, ein Bild von den tatsächlichen Abläufen dieser Nacht zu rekonstruieren und ein Urteil über jeden einzelnen der Angeklagten zu finden. Das Urteil wird am Freitag um 11 Uhr gesprochen werden. (Siehe ausführlichen Bericht auf Baden-Württemberg-Seite)
Tobias Engelsing
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sw, 24.01.01