Quelle: Südkurier vom 24.01.01 | |
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Konstanz · Zum Ende des Prozesses gegen fünf Skinheads und mutmaßliche Gewalttäter aus der nördlichen Bodenseeregion hat die Staatsanwaltschaft teils hohe Haftstrafen gefordert und den Angeklagten vorgeworfen, ihre "latent fremdenfeindliche, rassistische Geisteshaltung" habe zu den Gewalttaten gegen drei ausländische Festbesucher des letztjährigen Seenachtfestes geführt.
Staatsanwalt Fritz Helbig schonte in seiner zweistündigen Würdigung der vorausgegangenen viertätigen Hauptverhandlung keinen der fünf Angeklagten. Das latente Aggressionspotenzial der Skinheadgruppe brauche nur einen kleinen Funken und schon schlage der "Hass auf das primäre Gesellschafts- und Wertesystem" um in konkrete Gewalt. Die Angriffe gegen den hier lebenden Schwarzen und zwei ebenfalls hier beheimatete Türken seien ein Angriff auf die öffentliche Sicherheit, weil sich "ausländische Mitbürger als Freiwild vorkommen, das gejagt werden" könne.
Der fremdenfeindliche, rassistische Hintergrund der Taten sie für die Gerichte Grund genug, der Gewalt "mit Entschiedenheit und Härte" entgegenzutreten. Die einzelnen Attacken, Verfolgungen und Schlägereien wertete die Staatsanwaltschaft wie schon in ihrer Anklageschrift als schweren Landfriedensbruch, gemeinschaftlich begangene schwere Körperverletzung, Beleidigung und Zeigen verfassungsfeindlicher Kennzeichen ("Hitlergruß").
Die Beteiligung der 18 bis 26 Jahre alten Angeklagten sah Staatsanwalt Helbig aus den Zeugaussagen als erwiesen an. In einem Fall beantrage er Freispruch und eine Geldstrafe wegen des unerlaubten Besitzes einer Schlag- und Würgewaffe.
Für die übrigen Angeklagten aber wurden teils erhebliche Freiheitsstrafen gefordert: Der Hauptangeklagte, ein 26-jähriger Markdorfer, soll für zwei Jahre und zwei Monate ins Gefängnis. Zwei weitere Mitangeklagte sollen zu 22 Monaten ohne Bewährung, ein Vierter zu 15 Monaten mit Bewährung verurteilt werden. Die Verteidiger Michael Loeper, Überlingen, Dietmar Streif, Konstanz, Gerd Pokrop, Friedrichshafen, Roger Tscheulin und Henning Stutz, Konstanz, kamen zu gegensätzlichen Bewertungen der erhobenen Beweise und Zeugenaussagen. Für den Hauptangeklagten sah es beispielsweise Michael Loeper keineswegs als erwiesen an, dass sich sein Mandant an der angeblich gewalttätigen "Blitzaktion" gegen den Schwarzen beteiligt habe. Auch könne die Version, wonach der Schwarze "in friedlicher Mission unterwegs" gewesen sei, nicht aufrecht erhalten werden. Den Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs könne man schließlich nur erheben, wenn man zu Unterstellungen greife.
Die Clique sei ein "ganz normaler Haufen" gewesen, so Loeper, der nichts anderes als feiern gewollt habe. Auch der Ausdruck "Scheiss Neger" gegenüber dem schwarzen Festbesucher sei für sich genommen und gemessen an der Sprache deutscher Stammtische "noch nicht so entsetzlich", wie vom Staatsanwalt dargestellt. Die Anwälte Roger Tscheulin und Dietmar Streif unternahmen es, zahlreiche Widersprüche in den Zeugenaussagen aufzuzeigen und die Glaubwürdigkeit der geschädigten drei Festbesucher anzuzweifeln. Es habe sich wohl eher um eine "Art Straßenkampf" gehandelt. Die Anwälte forderten deshalb, ihre Mandaten freizusprechen oder für belegte Taten Strafen zwischen drei und sechs Monaten Gefängnis auszusprechen.
In ihre Schlussworten bedauerten die Angeklagten durchweg die Ereignisse. Einige entschuldigten sich für eingeräumte Taten und versprachen, ab sofort ein "normales Privatleben in geregelten Bahnen" führen zu wollen. Der Hauptangeklagte bekannte sich zum Alkoholmissbrauch und versprach, ärztliche Hilfe anzunehmen.
Am kommenden Freitag wird im Konstanzer Landgericht das Urteil gesprochen.
Tobias Engelsing
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sw, 24.01.01