Entengeschichten
Interview vom ID-Archiv mit der radikal (Teil III)

Teil I
Teil II
Teil III
Teil IV
Teil V
Teil VI
Teil VII

ID-Archiv: Könnt ihr nach 5 Jahren nocheinmal den Diskussionsprozeß von 1984 aufzeigen, d.h. die Gründe, die eurer Meinung nach zur Einstellung der 'alten' radikal (1976-84) führten - und natürlich die Motivation der Leute (in der Nr. 128 bezeichnen sie sich selbst als die 'neuen'), die Zeitung weiterexistieren zu lassen.

radi: dazu ist ja schon was gesagt worden. erstmal fiel die entscheidung zum weitermachen nicht in einem diskussionsprozeß. das war ein ziemlich spontanes ding. es entsprach einfach der eigenen politischen entwicklung, jetzt und mit diesem projekt auch für dich selber etwas kontinuierlich anzupacken, statt z.b. relativ ziellos von einem ereignis zum nächsten zu hechten. für die meisten damals war die radi nicht irgendeine zeitung, sondern teil der eigenen geschichte. entsprechend aufgewühlt und geladen waren wir nach dem prozeß. den haben wir auch als angriff auf uns selbst gesehen.
was in der alten redaktion abgegangen ist, hat keiner selbst erlebt. das blieb außen vor, denn von den alten leuten war keineR da, der und die sich für ein weitermachen eingesetzt oder zumindest was vermittelt hätte. erst über jahre konnten wir uns ein bild machen und nach gründen für den abgang suchen. das mußte mühselig zusammengeklaubt werden, größtenteils über genossInnen, die was über andere wußten und auch nur während des umbruchs oder sporadisch im projekt aktiv waren. der bruch zwischen der legalen und illegalen radi fand auf allen denkbaren ebenen statt, außer beim vertrieb. es gab sogut wie keine vermittlung von erfahrungen, die zuvor in jahrelanger zeitungsarbeit oder während der kriminalisierung gemacht wurden. z.b. gab es den versuch, sowohl inhaltlich wie auch gegen die repression mit anderen zeitungen zusammenzuarbeiten. ein bestandteil dieses versuchs war die kampagne 'radikal und zornig', deren parolen und plakate auch heute verwendet werden. mit öffentlichen diskussionen von vertreterinnen der stadtzeitungen und festen wurde versucht, daß bewußtsein für radikale zeitungen und deren kriminalisierung zu verbreitern und eine gemeinsame stärke hinzukriegen.
als wir anfingen, war davon kaum noch was zu spüren, besonders was den angestrebten zusammenschluß der zeitungen betrifft. da gab es wohl weiter Überlegungen für eine von vielen getragene bundesweite zeitung, aber die hatten mit der radi wenig zu tun.

die zeitung existierte ja nicht mehr in den köpfen und nur selten erschien eine neue ausgabe. ganz zum anfang gab es einen kontakt zu einem anderen zeitungskollektiv, nachdem wir uns vollständig zurückgezogen haben. die waren nur spitz auf das vertriebsnetz und den namen der radi, um es in ihre eigene politik und konzept zu überführen. als wir unser williges amen zu deren planen verweigerten, kam der arschtritt und uns wurde nochmal klarer, daß wir nur auf die eigene kraft vertrauen dürfen. wie sehr wir bei null angefangen haben, hat sich u.a. in der ersten illegalen nr.128 ausgedrückt, die in vieler hinsicht eine schlechte kopie der alten radi war. der prozeß 84 viel in eine zeit, wo die häuserbewegung größtenteils befriedet oder zerschlagen war. von den turbulenten messen auf der straße war wenig übriggeblieben, bzw. autonome strukturen gab es nur vereinzelt und es mußten neue aufgebaut werden. mit dem abgang der bewegung kam auch die radi in eine sinnkrise, also die zeitung war ja teil der bewegung und mußte sich jetzt irgendwie anders orientieren. die redaktion fiel auseinander. wie wir's mitgekriegt haben gaben jene leute auf, die die bewegung aufarbeiten und neue perspektiven finden wollten. wir denken, daß sich die spaltung auch an, der frage vollzog, auf welcher politischen ebene mit der kriminalisierung umgegangen werden sollte, aber das ist eher eine spekulation. weitergemacht hat dann eine mehr oder minder intellektuelle fraktion, die weniger auf eine stärke von unten setzte, sondern auf unangreifbarkeit über die große öffentlichkeit, die anhand der kriminalsierung entstand. das drückte sich auch im inhalt der letzten zeitungen bis zum urteil aus. es ging immer mehr um ein freies lebensfeeling und eine allgemeinverträgliche politik, als um weiterkämpfen.
auf die kriminalisierung folgte eine breite solidarität von militanten bis in liberal-bürgerliche gefilde: also z.b. scherbendemos wie in kopenhagen und hunderte von leuten, die namentlich als mitherausgeberinnen der radi abgedruckt wurden. selbst bürgerliche medien medeten sich, weil sie ihre eigene 'presse-freiheit` bedroht sahen.

in der breite der kamagne sind radikale inhalte allerdings bis zur unkenntlichkeit verschwommen. entsprechend stützte sich ein großer teil der empörung auf die verteidigung eben der 'pressefreiheit`, als ob die radi - zwar am rand der presselandschaft - dieselben von der verfassung versprochenen rechte beanspruchen würde, wie bürgerliche medien. ein radikales selbstverständnis des widerstandes hatte da kaum noch platz. also z.b., daß die radi kein einzelfall von zensur und verbot ist, daß eine politik gegen das system unglaubwürdig wird, wenn sie sich auf dessen gesetze beruft, daß du ganz logisch demokratische rechte und freiheiten verlierst, weil diese die macht stützen sollen und nicht den widerstand dagegen. die radi erschien während des prozeßes weiter. ihr ton war frech, lässig und vermittelte ein selbstbewußtsein, auf das so einige abgefahren sind. dann kam das urteil, und das schöne gebäude brach bis auf die grundmauern zusammen. die beiden symbolisch verurteilten entwischten dem knast über die immunität als europaparlamentarier, ein von den 'grünen' gestelltes privileg, von dem weniger berühmte gefangene nur träumen können. ein anderer angeblicher "Täter" mußte nach holland ins exil flüchten und war lange von der auslieferung bedroht. die redaktion war plötzlich verschwunden, ohne noch ein wort in der angelegenheit zu verlieren. viele waren enttäuscht, und begruben die zeitung in ihrer erinnerung.

angesichts der öffentlichen kampagne war das 2 1/2 jahre urteil schon ein hammer, mit dem in der situation nicht unbedingt gerechnet werden mußte.
meistens bist du immer nachher klüger. es war ein glasklares staatsschutzurteil der harten fraktion. ähnlich wie das nicht integrierbare häuserproblem militärisch gelöst wurde, erledigte die justiz die zeitung der bewegung ohne große rücksicht auf den öffentlichen protest. außerdem war es ein präzedenzurteil in der auslegung des 129a, also ein grundsätzlicher angriff auf mißliebige kommunikatiosstrukturen: du gehst in bau, weil worte als taten gelten. egal ob deine eigenen, egal ob du sie druckst, schreibst, verbreitest und mittlerweile einfach nur sagst oder sagen könntest, weil du sie denkst.
mit dem hintergrund haben sich nach dem urteil mehrere leute hingesetzt und beratschlagt. von anfang an gab es sich widersprechende vorstellungen, was mit der situation anzufangen ist. fakt war, daß die radi schon längst eine bundesweite zeitung war, daß sie regionen und leute erreichte, wo es ansonsten nur die taz gibt. radikale träumen oft von der verbreiterung der bewegung oder revolutionärem bewußtseins - hier lag ein wesentliches mittel und die struktur ungenutzt rum, du brauchtpst bloß zuzugreifen.
die grundstimmung, das ding ist wichtig genug und muß weiterlaufen, reichte nicht aus. um das wie kam es relativ schnell zu harten diskussionen und auch machtkämpfen. es ging darum, welche politik hinter einem schlußstrich unter die bewegung angesagt ist, und auf welche politischen positionen sich die radi in zukunft beziehen sollte. im prinzip rasselten dabei weniger die ausgeschmückten vorstellungen aneinander, sondern die politische und persönliche unterschiedlichkeit der leute. das war wirklich ein bunt zusammengewürfelter haufen. ziemlich bald stellte sich heraus, daß einigen eher ein rein bewußtseinbildendes organ vorschwebte, während andere in erster linie revolutionäre praxis vermitteln und militantes bandenwesen dokumentieren und vorantreiben wollten. das ist aber nur ein beispiel. wenn wir den ganzen konflikt wiedergeben müßten, würde das seiten füllen. was du als inhalt in einer zeitung willst, hängt ja davon ab, wie du selber politik machst. also z.b. ob du dich so siehst, daß du für andere etwas tust oder sagst, oder mit anderen in einer gemeinsamen entwicklung. was theoretisch hätte zusammenlaufen und sich ergänzen können, zerbrach endgültig an der frage, wie die radi zu organsieren ist. entsprechend ihren inhaltlichen vorstellungen setzten einige weiter auf legales erscheinen, indem z.b. anschlagserklärungen weggelassen oder ausdrücklich nur dokumentiert werden sollten. also eine läuterung nach innen, denn genau jene inhalte würden verschwinden, die der repression den anlaß zum ausflippen gegeben hatten. durchgesetzt hat sich schließlich die andere fraktion. durchgesetzt ist das richtige wort, denn angesichts der widersprüche war eine gemeinsame sache nicht möglich. es gab einen bruch in der diskussion weil es in der nächsten zeit hauptsächlich um die konkrete arbeit ging, also das umsetzen, was sich als gemeinsame basis in der theoretischen auseinandersetzung zuvor herauskristalisiert hatte.
die notwendigkeit der radi und der illegalen organisierung waren im bauch, aber nicht viel im kopf dazu. keiner hatte erfahrung mit illegaler arbeit oder schonmal eine zeitung gemacht. erstrecht keine überregionale mit einer solchen struktur und geschichte. und dann stehst du vor einem apparat mit tausend abos und hunderten verteilerInnen, von denen du überhaupt nichts weißt. genossInnen die unseren erfahrungshintergrund kannten, schimpften uns leichtsinnig. zum glück konnten wir uns darunter nicht mehr vorstellen als eine warnung, sonst wäre es zum Leichtsinn nicht gekommen. wir haben versucht nach vorne zu schauen und auf entwicklungen vertraut. es gab keinen zweifel an der richtigkeit des vorhabens, sondern nur, ob wir es überhaupt schaffen können, bevor z.b. die bullen erneut zuschlagen. das ging alles hand in hand mit der eigenen entwicklung, also in der auseinandersetzung und arbeit für die radi, gingen wir unsere eigenen schritte.
das hieß dann, illegalität lernen, gleichzeitig den büro-apparat mit kohlescheiße und rechnungen blicken, und denn noch möglichst viel energie für den inhalt der zeitung. es mußte eine sichere adresse her, damit zumindest ein kontakt und einfluß von außen möglich ist, damit du nicht vollständig abdriftest ohne es zu merken.
unsere entwicklung läßt sich vergleichen mit dem, wie sich viele im widerstand durch den widerstand verändern und lernen. also erst schmeißt du steine, um dich zu wehren und aus hass gegen schweinereien. mit der zeit wird klarer, daß die ungerechtigkeit system hat und du nicht allein betroffen bist. die steine fliegen mehr und mehr als bewußter angriff. die front zum staat wird zum bestandteil deines fühlens und handelns, gleichzeitig die alltägliche und politische repression. dann fängst du an dich zusammenzutun und überlegst, ob es nicht auch andere mittel als steine gibt, mit denen du angreifen kannst. in solchen entwicklungen haben wir angst bekamen und nochmehr die eigene kraft gespürt. da war das Gefühl, du blickst immer mehr durch und verstehst zusammenhänge. untereinander entsteht ein zusammenhalt und vertrauen, das auf extreme proben gestellt wird. das hast du vorher so nicht gekannt. es war etwas neues und gutes, denn nach jeder bestanden probe mit dir selber warst du sicherer und weiter als zuvor. heute ist es genauso. es gab nur abschnittweise eine feste gruppe. genossInnen hörten auf und andere fingen an. mal war die gruppe größer mal kleiner.

das waren die härtesten proben, wenn und warum einer aufgehört oder ausgesetzt hat. es blieb immer ein stück ohnmacht zurück, die kollektive entwicklung wurde infragegestellt und ob das alles überhaupt zu schaffen ist.
in einem solchen prozeß entstanden die ersten ausgaben. es war ein lernen und durchboxen. die motivation diese zeitung zu machen, veränderte sich ständig. einige male war ende angesagt, und als es dann doch weiterging, hattest du festeren boden unter den füßen.
vielleicht ist es ein frevel, soviel an motivation von sich selber abzuleiten. aber es war so, mindestens bis 86. es war uns klar, daß das projekt bei älteren genossInnen unten durch ist und höchstenfalls abwartend beobachtet wird. und daß wir von leuten auf unserem stand nicht mehr erwarten können, als das begeisterte 'geil, daß es die radi weitergibt'. die briefe, die pauer, die spenden besonders aus der provinz und kleineren städten waren tierisch wichtig: du bist von der bildfläche verschwunden und trotzdem nicht im luftleeren raum. es hat basis und macht sinn, schritt für schritt weiterzugehen, auch wenn es jahre dauern kann bis die radi das ist, was sie werden soll. in dieser zeit hat sich herausgebildet, daß wir uns nicht mehr allein auf die autonome metropolenszene beziehen. von hier kam relativ wenig unterstützung und relativ viel mißtrauen, warnungen und kritik. mit der erfahrenheit der leute konnten wir aber wenig anfangen, weil sie neben uns stand und nichts investierte. wir haben oft praktische hilfe gebraucht, wo hätte gebettelt werden müssen.

so waren dann auch die ersten ausgaben. der inhalt orientiert sich an jenen, die damit was anfangen können und auch rüberbringen, daß sie die radi brauchen. und die nicht zerfleddern, was nicht geschafft wurde, weil sie sich ein bißchen in die schwierigkeiten reinversetzen können und deshalb mehr auf positive entwicklungen achten. mit solcher rückenstärkung wurden wir immer weniger anfällig gegen eine kritik, die z.b. die geschichte der radi oder meterhohe ansprüche auf uns übertrug. wenn sich erfahrene genossInnen um den nachlaß der radi gekümmert hätten, wäre bestimmt alles anders geworden. nicht besser oder schlechter, sondern anders.
ID-Archiv: Als Zeitung illegal erscheinen bedeutet ja nicht nur, ohne Rücksicht auf zu erwartende politische und juristische Repression, Inhalte zu vermitteln. Und nicht zu vergessen, daß ein offensives Ignorieren der bestehenden Gesetze auch ein verantwortliches Umgehen aller Beteiligten voraussetzt Wurde die illegale Zeitungsproduktion intern ausführlich diskutiert, d.h. alle Möglichkeiten der zu erwartenden Repression abgewägt? Nach außen, also für die LeserInnen, kann in den einleitenden Worten der MacherInnen jedenfalls nicht von Transparenz einer Diskussion zu dieser Problematik gesprochen werden.

radi: es kommt darauf an, was unter diskussion verstanden wird. du kannst versuchen, eine sache von vorn bis hinten auzudiskutieren, bevor mit dem praktischen umsetzen angefangen wird. oder du nimmst dir verschiedene schritte vor, und diskutierst darüber während du sie machst. wir haben z.b. transparent gemacht, daß die zeitung illegal ist, und daß du wegen handverkauf in knast gehen kannst. allein damit läßt sich doch was konkret anfangen und selbständig überlegen.

die frage zielt auf das bewußtseins mit der die illegale arbeit begonnen wurde; vorbestimmung und vorplanung, bevor du illegal aktiv wirst. aber illegalität ist nicht nur ein bruch, sondern auch eine entwicklung. also wenn du dich dazu entscheidest, bist du noch lange nicht mit illegalität vertraut. wenn du dich vorher nie verstecken brauchtest, mußt du verstecke finden, wenn du gerne ehrlich und offen lebst, mußt du dir auch lügen und schweigen angewöhnen. stell dir vor, du lebst mit hundert freundInnen auf der straße, und plötzlich verkriechst du dich in ein kellerloch. da kannst du nicht von einem tag auf den anderen mit umgehen. du läßt dich bewußt darauf ein, aber illegalität ist ein lernprozeß, in dem du stück für stück abcheckst, was sie bedeutet und welche konsequenzen der schritt hat. in der entwicklung ist stillstand kaum möglich. du mußt permanent hinterfragen und nach vorne verändern, auch weil im rücken ein messer sitzt, und es die hundertprozentige sicherheit nicht gibt.
die voraussicht und unsere einschätzung der repression entsprachen unserem stand. wir haben ja schon beschrieben, daß wir zwar mit besten absichten aber ohne viel erfahrung angefangen haben, und mit beiden beinen reingesprungen sind. wir haben das projekt nie als nebensache behandelt, im gegenteil. die diskussionen über illegalität und repression liefen meist an den praktischen sachen ab, die gerade anstanden. wir mußten relativ schnell relativ viele bedingungen klarkriegen und umsetzen, es wurde organisiert und abgesichert, zuerst uns selber. viele kannten sich ja vorher nicht, und das hieß, daß du viel genauer miteinander umgehen mußt, als beim gemeinsamen kneipenplausch. du mußt gemeinsame kriterien entwickeln, wie du dich verhälst, was du anderen erzählst, wie du dich innerhalb der szene versteckst und trotzdem mitmachst. das läßt sich in zwei sätzen nicht wiedergeben, weil illegalität lernen jahre dauert und eigentlich nie zu ende ist. das bewußtere umgehen mit der repression entsteht auch erst in einer längeren entwicklung. dazu brauchst du eigene erfahrungen aus der speziellen situation und arbeit, um überhaupt eine basis für egal welche einschätzung zu hab.
am anfang haben wir von den erfahrungen anderer mit illegaler praxis gelernt, z.b. von den rz. so haben wir uns gegen die wahrscheinlichsten ansätze der repression abgesichert. wir brauchten maschinen, und wir brauchten treffen und die kontinuierliche arbeit. vorplanen, um überhaupt diskutieren und die zeitung machen zu können.
dann mußte eine sichere adresse her, denn eine zeitung ohne kontakt zur außenwelt ist meist etwas totes oder organ einer gruppe und position. wir konnten uns die radi nur als offene zeitung vorstellen, an der sich viele beteiligen können und sollen. eine adresse in der brd fiel flach, denn die bullen würden zugreifen und kein vernünftiger mensch was schicken. also eine auslandsadresse, am besten mehrere in solchen Ländern, wo es noch keine kriminalisierung entsprechem dem 129a gibt, und deshalb schwierigkeiten bei der "amtshilfe" zu erwarten sind. solche Adressen mußt du erstmal finden, und wenn du keine internationalen kontakte hast, dann geschieht das nicht von einem tag auf den anderen. und irgendwie müssen wir an die post ran, die kannst du dir nicht einfach nach hause schicken lassen oder mal kurz abholen.
die zeitung selbst muß irgendwie irgendwo vorbereitet, gesetzt und layoutet werden. eine setzerei anmieten geht nicht, und das zeug aus der hand geben, wohin denn? bist du da durch, muß das ganze gedruckt werden, und wo soll das laufen, wenn du noch nie eine drucke von innen gesehen hast. da mußten wir kontakte spinnen und rumfragen, aber immer schön vorsichtig und langsam und über ecken. die radi war durch den prozeß so bekannt, daß wir befürchten mußten, an die falschen leute zu geraten. ist auch passiert. in der anfangszeit mußtest du bloß den namen nennen, und schon spitzen sogar die wände ihre ohren. kam uns jedenfalls so vor.

um sicherheit zu bekommen, waren wir stark auf vertrauen angewiesen.
deshalb gab es lange diskussionen mit leuten, um sagen zu können, der oder die ist in ordnung oder andersrum eine aufgeblasene pfeife. gerade solche, die besonders lässig waren nach dem motto `alles klar, kein problem', hatten am wenigsten klar, was der unterschied zwischen einer zeitung und einer illegalen zeitung ist. es gab schonmal eine fertige ausgabe, die wegen unseres gewachsenen mißtrauens gegenüber unterstützerinnen fast vollständig eingestampft werden mußte. auch verschiebungen sind vorgekommen. andersrum haben auch wir mal solche scheiße gebaut, daß andere den kontakt mit uns abbrachen. wir sind über die situation der genossInnen ziemlich rübergetrampelt, und bei unserem damaligen verhalten war es mehr glück als verstand, daß nix aufgeflogen ist.
was wir noch klarkriegen mußten, war der vertrieb, also zigtausend zeitungen in zighundert paketen und umschlägen in zighundert städte, dörfer und ins ausland. als postvertriebsstück ging nicht mehr, und z.b. bei allen persönlich vorbeischaun genausowenig. also mußte die zeitung zwar anders und unauffälliger, aber trotzdem verschickt werden. das machte dann ein paar tausend mark mehr porto. und wo kriegst du auf die schnelle so ein sümmchen her, wenn du nicht millionärin bist. oder die kohle für produktion und gewisse sicherheitskosten, die wir hier nicht auflisten wollen. wir selbst sind das genaue gegenteil von vermögend, und trotzdem blieb oft nichts anderes übrig, als von der eigenen kohle reinzubuttern.
mit der organisierung u.a. der beschriebenen sachen waren wir gut eingedeckt. es kam noch viel mehr dazu, was wir nicht erwähnen. wenn eine sache angepackt wurde, ergaben sich daraus meist neue probleme, an die zuvor keiner gedacht hatte. oft auch nicht denken konnte. beim nächsten mal flutschte es allerdings besser, denn du konntest schon weiter vorne ansetzen. ohne ein gute portion idealismus, pauer und auch glück, hätte es zwischendurch mehrmals endgültig krachen können. mit den erfahrungen vor allem in der praxis wurden wir sicherer, daß die basis für eine illegale zeitung steht. die meisten hatten sich wesentlich mehr auf organisatorische sachen konzentriert, als auf die inhaltliche diskussion.und beiträge in der zeitung. im hinterkopf stand die perspektive, daß längerfristig viel mehr gruppen aus dem widerstand die zeitung nutzen, wenn sie sicher organsiert ist und regelmäßig erscheint.
es ging ja nie um illegalität als selbstzweck, sondern als voraussetzung für freie kommunikation und vermittlung radikaler politischer anhalte. unsere verantwortung hörte an einem ziemlich eindeutigen punkt auf. wir machen die redaktionsarbeit und die zeitung, organisieren die produktion, notwendige kohle und den vetrieb bis an die stelle, wo die radi in den postämtern liegt. ab da hatten die zeitungen die illegale struktur verlassen.

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kombo(p) | kombo@riffraff.ohz.north.de | 28.6.1997