Entengeschichten
Interview vom ID-Archiv mit der radikal (Teil V)
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Teil I ![]()
Teil II ![]()
Teil III ![]()
Teil IV ![]()
Teil V ![]()
Teil VI ![]()
Teil VII den gruß an das raf-kommando als "überflüssig" zu bezeichnen heißt, daß die betreffenden sich gar nicht vorstellen können, daß er ernst gemeint war. in einer zeit, wo diskussionsveranstaltungen verboten und die bloße forderung nach zusammenlegung der gefangenen mit dem 129a verfolgt wird, geht es doch gerade darum, an den wurzeln der repression anzufangen, und nicht schritt für schritt zurückzuweichen. bis du mit dem rücken zur wand stehst und gar nichts mehr sagen kannst. der gruß kam auch nicht aus dem hohlen bauch. zuvor fand eine auseinandersetzung mit der politik der raf und dem hungerstreik statt, nach der uns niemand blinde solidarität vorwerfen kann. auf der anderen seite fiel der anschlag in die zeit nach tschernobyl, als in anderen erklärungen und analysen der bewegung überall der name siemens als nutznießer und hauptverantwortlicher eben nicht nur der atompolitik auftauchte. mit beckurts hat es also nicht nur den richtigen erwischt, sondern die aktion hat sich durch sich selbst vermittelt.
wir stehen hinter diesen drei sätzen, auch wenn wir gerne noch mehr gesagt hätten. sie entsprachen dem spontanen und richtigen gefühl vieler, die auch das gefühl der ohnmacht gegenüber der unterdrückung und solchen hintermännern der macht kennen. die sympathie mit der aktion kannst du nirgendwo lesen, weil sie nicht öffentlich artikuliert wird, weil das verbot es zu tun schon in vielen köpfen sitzt. das heißt aber nicht, daß es sie nicht gibt. und deshalb ist auch ein kurzer gruß nicht überflüssig sondern notwendig, damit auch die unauffällige repression nicht gänzlich zum normalzustand wird. wenn du nicht mehr sagen kannst, was du denkst und fühlst, kannst du dich stückweise begraben.
die erklärung des kommandos war nur beigelegt, weil der abdruck zeitlich nicht geklappt hat. sie ist nirgendwo veröffentlicht worden, mal von verschiedenen szene-klüngeln abgesehen. weil andere auch verständliche gründe dafür haben, ist die radi ja illegal. damit genau solche und überhaupt alle erklärungen doch verbreitet werden, damit die motive der aktion bekannt werden und diskussionen stattfinden können. das interesse ist vorhanden, auch wenn viele linksliberale es leugnen. normalerweise werden erklärungen in ihren medien dann veröffentlicht, wenn die aktion und ihr inhalt für eine distanzierung herhalten. und so entsteht das bild von der sinnlosigkeit von Aktionen und militanz, weil die ungenauen und schlechten beispiele aufgeplustert und die zielgerichteten verschwiegen werden.
was die anleitungen und speziell den abdruck der rz-broschüre angeht, wollen wir ausführlicher darauf eingehen. wir bemühen uns wirklich knapp zu antworten. noch mehr, unsere sicht möglichst genau rüberzubringen, weil wir nicht alle tage eine 5jährige entwicklung wiedergeben.
unter anleitungen verstehen wir praktische und technische erfahrungen des widerstandes für den widerstand. unter widerstand verstehen wir nicht ausschließlich anschläge, sondern auch den kleinkriminellen alltag der sabotage, verweigerung und aneignung. die anleitungen sollen mythen nicht verfestigen, sondern sie aufbrechen und zum austausch untereinander führen. in der frage wird das alles auf hypergefährliche "explosive materialien" in der rz-broschüre reduziert. das kann es doch nicht gewesen sein, wenn du dir die zeitungen reinziehst. zunächst einmal geht es auch in der rz-broschüre nicht um sprengstoff, sondern praktische erfahrungen die nachvollziehbar sind und verwendet werden. natürlich hängt das vom jeweiligen hintergrund ab, als erstes, ob du dir selbst über solche dinge gedanken machst. da wird z.b..nicht nur beschrieben, mit welcher chemischen zusammensetzung ein molli funktioniert, sondern. auch wie er geworfen wird, um zu treffen. die wurftechnik läßt sich prima auch auf steinwürfe anwenden und proben. wenn du dir anschaust, wie oft klamotten irgendwie nach vorne geworfen werden und dabei die eigenen leute verletzen, dann ist das lernen U.a. der körperhaltung und technik bitter nötig. das ist ein beispiel. es ließe sich auch anwenden auf die tips zur spurenvermeidung, wenn du einen brandsatz baust. daß die braschüre "in der militanten szene umstritten" ist, halten wir für ein gerücht. also wenn "umstritten" heißt, daß sie nicht perfekt ist, dann mag das so sein. das haben die rz aber auch nie behauptet. sie haben von ihren erfahrungen gesprochen und diese zusammengefaßt, damit andere nicht von vorne anfangen müssen und auch fehler vermeiden, die den genossInnen evtl. selbst passiert sind. wenn sie mischungsverhältnisse beschrieben haben, die explosiv sind, dann wird schon in fast jedem absatz dazugesagt, daß alles - und das bezieht sich auf die ganze broschüre - selbst und in kleinen mengen ausprobiert werden muß.
wir hatten mit dem abdruck der rz-broschüre angefangen, weil wir die erfahrungen selbst nutzen und darauf aufbauen konnten. es hätten auch passagen von johan most sein können, der tot ist, oder aus der broschüre 'guerilla diffusa', die wesentlich ungenauer ist als die rz. hinter dem abdruck stand eine absicht, die sich immer mehr konkretisiert hat. im dezember 87 haben genossInnen mehrere brandanschläge auf kaufhäuser in hamburg gemacht. prinzipiell finden wir solche brandsätze weniger gefährlich, als z.b. die gefährdung für frauen, die durch die sexistische werbung besteht. vergleiche kannst du dir aber sparen, wenn sich die allgemeine panik in den medien breitgemacht hat.
wenn ein solcher brandsatz losgeht, gibt es eine stichflamme, die kurz darauf in sich zusammenfällt, ähnlich wie beim feuerspuckern. natürlich kann jemand verletzt werden, aber das risiko steht in einem bestimmten verhältnis und ist gering. zumal die genossInnen merken, wenn das ding nicht außerhalb der öffnungszeit losgeht, und dann eine warnung übermitteln. der brandsatz ist nur ein mittel, um die sprinkleranlage auszulösen, die den eigentlichen schaden verursacht und wie in hamburg verbilligten einkauf möglich macht. nicht mehr und nicht weniger zündstoff brauchst du. und wenn sich die zündung verzögert oder gar nicht stattfindet, dann muß überlegt werden, ob z.b. die verwendeten säurezünder angebracht sind oder verändert werden müssen, weil sie in diesem fall die pünktlichkeit nicht garantieren konnten. was ein säurezünder und ein mechanischer zünder ist, mußt du erstmal wissen, um vor- und nachteile zu kennen, um alternativen zu haben, um möglichst sichere anschläge durchzuführen. deshalb haben wir die rz-broschüre abgedruckt. wir haben uns gedacht, militanz ist nicht allein eine theoretische sache, sondern etwas sehr praktisches. die theorie kannst du untereinander besprechen und veröffentlichen in bestimmten zeitungen. aber die praxis muß auch den besten freundinnen gegenüber geheim bleiben. sie ist oft die isolierte entwicklung einer gruppe, es gibt kaum kommunikation und austausch, und das ist für uns ein grund für den mythos 'anschläge' und warum vielen menschen dieser schritt so schwer fällt. militante aktionen sind kein privileg besonders hochwertiger perfektionisten, und sie erfordern auch nicht die fähigkeiten einer spezialistin. alle können es, denn alle können lernen und mit ihrem bedürfnis nach militanz umgehen. menschen sind in der lage mit streichhölzern, bunsenbrennern und sogar mit schweißgeräten umzugehen, wenn sie das lernen. nicht groß anders ist die technische gefährlichkeit eines brandsatzes, wenn du lernst ihn zu bauen, zu transportieren und zu deponieren. für dies handwerk braucht es keine besonderen technischen fähigkeiten. wenn sich welche die finger verbrennen - wie du sagst - dann ist ihnen die möglichkeit vorher bewußt. oder du gehst danach anders damit um. oder du läßt es sein, weil sich die neugierde nicht gelohnt hat. wir wissen kein einziges beispiel, wo sich leute bei brandsätzen - nicht sprengstoff - ernsthaft verletzt hätten.
wenn - wie in der frage gesagt wird - "genügend beispiele" da wären, dann müßten sie verbreitet werden und nicht als anlaß dienen, wegen fehlern und mängel das ganze infrage zu stellen. wir denken, daß bei sogenannten betriebsunfällen wesentlich mehr leute ernsthaft verletzt werden, obwohl es staatliche auflagen und überprüfungen gibt. brandsätze werden nicht zum geldverdienen gelegt, d.h. du kannst zurecht eine andere eigenverantwortung voraussetzen, erstrecht wenn sie ständig erwähnt wird.
in gewisser hinsicht ist auch die gefährlichkeit von anschlägen ein mythos. also nicht der anschlag an sich ist gefährlich, sondern daß du dieses system bekämpfst. das technische wissen macht die aktion im gegenteil bekannter, kalkulierbar und damit ungefährlicher. in dem maße, wie du dich auf eine militante demo vorbereitest, sinkt die gefährdung für alle beteiligten.
wenn du einem bullen widersprichst und alleine bist, ist das gefährlich.
auch häuser besetzen ist gefährlich. gefährlichkeit und bedrohung sind logische elemente in jedem radikalen und aufsäßigen leben. aber sie sind nicht feststehend, es hängt entscheidend von dir ab, wie schnell du einfährst oder dich und andere verletzt.
gefährlich, oder besser: brisant, ist der rahmen in dem der anschlag stattfindet. daß eine Gruppe das angriffsziel genau bestimmt und die durchführung verantwortlich plant, damit - eine gefährdung auch anderer ausgeschlossen wird. daß sie sich mit dem risiko einzufahren beschäftigt und auch ohne drin zu sein, mit der bedrohung durch knast. es kommt auf das bewußtsein an, mit dem du diesen kampf führst. ob du anschläge als methode in gewissen situationen besser findest, als ein flugi oder ob es wichtiger wäre, gemeinsam mit vielen eine demo zu organisieren.
welche methoden angebracht sind, hängt von der politischen und örtlichen situation ab, und von den eigenen erfahrungen. es ist wichtig, viele methoden zu kennen, damit du die wirkungsvollste auswählen kannst. es gibt situationen und zeiten, in denen du handlungsunfähig wirst, weil eine aktionsform gerade nicht sinnvoll oder nur mit hohem risiko durchführbar ist, und für andere formen und mittel zuviel zuschnell gelernt werden müßte. wir haben einen prozeß im kopf, in dem viele aktionsformen gleichberechtigt entwickelt werden. wesentlich ist, daß du darüber auch öffentlich diskutieren mußt. dies öffentliche z.b. in der radi - allein das schon - ist ein schritt gegen die vereinzelung und den mythos `militante aktion.
über die radi kann der austausch revolutionärer praxis laufen, weil sie die repression nicht berücksichtigen muß und relativ weit verbreitet ist. wir wollen nicht über scheren in den köpfen diskutieren, sondern dort weitermachen, wo es keine scheren gibt; also wir stellen nicht die notwendigkeit von militanz infrage, sondern wollen damit weiterkommen. dann ist es konstruktiv, wenn genossInnen aus eigenen erfahrungen sagen: das klappt so nicht, anders geht es besser. gerade das wechselspiel wollten wir erreichen.
es kamen zunehmend erklärungen zu anschlägen, wo genossInnen von sich aus auch vorgehensweise, sicherheitsüberlegungen und neue techniken beschrieben haben. die vermittlung der praxis stand oft gleichberechtigt neben der vermittlung des inhalts der aktion. z.b. zündelten 'revolutionäre viren' mit einem tauchsieder, oder in dem interview in der nr.134 erklärte eine gruppe, warum eine geplante entführung wegen ganz anderer und neuer sachen abgeblasen wurde. da ging es u.a. um gruppenprozesse, sichere wohnungen und wie du an autos rankommst. solche fragen sind vorher vernachlässigt worden, obwohl sie eine menge mit revolutionärer praxis zu tun haben. in diesem zusammenhang stand dann die anleitung für einen ausdreher, mit dem' schlösser geknackt werden, und die sich mittlerweile praktischer beliebtheit erfreut.
unser verhältnis zu anleitungen hat sich so verändert. wir haben hauptsächlich aufgegriffen und dokumentiert, was andere in eigener verantwortung veröffentlichen wollten. auch die art der anleitungen änderte sich, z.b. wenn es um methoden des einklauens ging oder den bau eines ukw-senders. es entsprach den vielfältigen möglichkeiten und der gleichberechtigung mehrerer formen des widerstandes, und so hat sich der politische inhalt über anschläge hinaus ausgedehnt. besonders deutlich wird das an den Anleitungen der anti-akw-bewegung, die überall kursierten.
nach tschernabyl ging die massenhafte sägerei an strommasten los. es war politisch richtig und machbar für viele, also nicht nur für leute mit besonderen sägetechnischen fähigkeiten. so war auch die realität, daß unterschiedliche menschen zur säge griffen, als die sinnlosigkeit des bloßen protestes deutlich wurde. dann gab es verletzte, leute die eingefahren sind und die namen anderer aussagten. das haben wir veröffentlicht und mehrere schlüsse daraus gezogen: wir haben uns z.b. mit aussageverweigerung beschäftigt, und anhand der sägerei den hintergrund militanter aktionen hinterfragt. also du bist nicht militant, weil du sägst oder sprengst oder egal mit welchen mitteln sachschäden produzierst, sondern militante aktionen müssen ein bewußter schritt und auch das ergebnis einer gemeinsamen entwicklung sein. wir haben versucht, den mythos des sachschadens und des einmaligen erfolgserlebnisses anzugreifen: das ist ein bereich und eine bewegung, die aktuelle betroffenheit muß zum kampf gegen das system in allen bereichen werden.wir sind mit solchen inhalten nicht losgelöst vorgeprescht. die euphorie und spätere mulmigkeit war in der bewegung selbst vorhanden. als das neue gesetz speziell gegen die aktionen an strommasten kam, waren sie aus eigener Überzeugung schon fast vorbei. die erfahrungen damit sind es nicht. heute überwiegen in der radi themen, wo es um die bedingungen und persönliche entwicklung für militante praxis geht. das ist z.b. der sinn der 'spüren-broschüre' in der nr.136, die auf dem kleinkriminellen alltag und den konsequenzen aufbaut., die sich aus so einem leben ergeben. oder die auseinandersetzung mit spitzeln im verhältnis zu mehreren anschlägen auf banken. also es gibt die entwicklung militanter Gruppen vor einer aktion, und die konfrontation mit spitzeln, bullen und knast danach. in diesem verhältnis findet ein radikales und militantes leben statt, in dem anschläge nur ein teil sind. wenn in den letzten ausgaben der radi weniger klassische anleitungen drin sind, dann liegt das nicht nur an uns. es werden weniger erklärungen geschickt, und es laufen derzeit auch weniger anschläge, als z.b. nach tschernobyl. aber das ist nicht der einzige grund, denn es gibt immer gruppen, die eine kontinuierliche militante praxis haben.
wir wollen keinesfalls darauf verzichten, und die tat und alles was damit zusammenhängt, soll inhaltlicher schwerpunkt der radi bleiben. allerdings erwarten wir gerade bei diesem punkt die verantwortliche beteiligung von anderen, weil wir uns nicht alleinverantwortlich für den inhalt der zeitung sehen. es wurde schon gesagt, daß wegen der organisatorischen arbeit weniger zeit und kraft für die inhaltliche bestimmung bleibt, als wir möchten. das wird sich erst langsam ändern. wenn genossInnen meinen, daß die revolutionäre praxis in den letzten ausgaben zu kurz kam, dann stimmt das für verschiedene bereiche. aber wir gehen nicht auf sammelfahrt und wollen - wie gesagt - nicht allein bestimmen und interpretieren, was sache aller sein muß.abschließend noch was grundsätzliches zur kritik in der frage, weil wir sie ja oft hören. es ist zwar immer die radi als eigenständiges ding gemeint, aber so können wir nicht antworten. wir sind nicht nur radi sondern auch widerstand, und deshalb gehen wir mit anleitungen nicht als redaktionelle sache um. die kritik trifft einen punkt, an dem sich viele von der zeitung distanziert haben. es ist ähnlich, wie die distanzierung vom widerstand läuft. das geschieht auf einer ebene der floskeln, also wenn z.b. wie in der frage festgestellt wird: "sicher, jedes. herz ist eine revolutionäre zelle". wenn es bloß so wäre - da würden einige aus den gräbern springen vor freude. aber es gibt noch tiefergehende 'argumente', wie, wir würden ein nettes "spiel mit der illegalität" abziehen, uns an "wortradikalismus" ergötzen, und überhaupt hätten wir uns ja selbst toll verbunkert, während andere für unsere angeberei repression kassieren.
dieses bild macht uns zu dummen arschlöchern, die das vertrauen und die gutmütigkeit anderer ausnutzen, und womöglich noch die inhalte revolutionären selbstverständnisses in den dreck ziehen.
die art der kritik macht es schwer, damit umzugehen oder zu antworten.
besonders wenn d die betreffenden leute nicht kennst. es ist öfter vorgekmmmen, daß die kritik dazu diente, den eigenen widersprüchen auszuweichen, indem stellvertretend die radi angegriffen wurde. dann ging es überhaupt nicht um inhaltliche diskussion, und es wäre ehrlicher zu sagen, haut bloß ab und laßt uns in ruhe. das bittere war, sowas erst dann zu merken, wenn auf unser aufgreifen der kritik einfach nicht geantwortet wurde.
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kombo(p) | kombo@riffraff.ohz.north.de | 28.6.1997