Räum-Koalition:
CDU, Bild, Nazis
Die Rechten wollen am 4. Juni durchs Schanzenviertel marschieren.
Staatsrat soll Vertrag mit Floristen vorbereiten
Von
Peter Ahrens und Peter Müller
Hamburgs CDU und die Bild-Zeitung haben für ihre Kampagne zur Räumung
der Roten Flora einen neuen Bündnispartner gefunden. Unter der Losung
"Räumt die Rote Flora" wollen am Sonntag, den 4. Juni, die
rechtsextremen "Freien Nationalisten" durch das Schanzenviertel
zum autonomen Stadtteilzentrum marschieren.
Dass die Rote Flora und das Schanzenviertel den miltanten Neonazis um
die Hamburger Ex-Chefs der verbotenen "Nationalen Liste" (NL),
Thomas Wulff und Christian Worch, ein begehrtes Ziel sind, dürfte nicht
überraschen. Denn für die Neonazis ist die Flora nicht nur als zentraler
Versammlungsort der autonomen Szene ein rotes Tuch, sondern gilt zugleich
als Hort der militanten Antifa. Da im Gegensatz zu anderen Städten
Hamburg als Demonstrationen getarnte und von den "Jungen
Nationaldemokraten (JN) oder der NPD angemeldete Neonaziaufmärsche gern
erlaubt, dürfte auch in diesem Fall ein Verbot fraglich sein. "Wir
prüfen zur Zeit, was dafür oder dagegen spricht", erklärt Innenbehördensprecher
Christoph Holstein.
Der Senat hat derweil Justiz-Staatsrat Hans-Peter Strenge (SPD)
beauftragt, gemeinsam mit dem Altonaer Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer eine
vertragliche Lösung für die Flora auszuarbeiten. Strenge soll auch als
"Schlichter in einem möglichen Konfliktfall" auftreten, teilte
Senatssprecher Ludwig Rademacher mit. Der Staatsrat war früher selbst
Bezirksamtschef in Altona und Anfang der 90er Jahre maßgeblich an den
Gesprächen um den Bestand der Roten Flora beteiligt gewesen.
Der Senat strebe nach wie vor eine "entspannte, auf eine Vertragslösung
gerichtete Entscheidung" an, sagte Rademacher. Wie ein solcher
Vertrag aussehen könne, ließ er allerdings offen. Man werde sich auch
nicht zeitlich unter Druck setzen lassen. Den Vorwurf, der Senat agiere
nun, weil er sich von der Springer-Presse in die Defensive gedrängt
fühle, wies Rademacher zurück: "Es kann vom Senat nicht erwartet
werden, auf jeden kleinen Teil der veröffentlichten Meinung zu
reagieren". Mit der CDU-Forderung nach Rücktritt von Innensenator
Hartmuth Wrocklage (SPD) habe man sich "selbstverständlich
nicht" befasst.
Das tut die Bürgerschaft wohl dafür heute, wenn sie ausführlich über
den Polizeieinsatz in der Nacht zum 1. Mai im Schanzenviertel und gegen
die Rote Flora debattiert. Der Regenbogen hat in Form einer Anfrage
Brisantes beigetragen: "Es gibt nach unserer Kenntnis Zeugen, die
bestätigen, dass im Rahmen der Auseinandersetzungen von Zivilbeamten
Straftaten begangen worden sind", sagt Regenbogen-Sprecherin Heike
Sudmann: "So skandalös der Einsatz polizeilicher agents provocateurs
ist, er wäre leider nicht neu".
taz Hamburg Nr. 6138 vom 10.5.2000 Seite 21 Hamburg Aktuell 40 Zeilen
TAZ-Bericht Peter Ahrens / Peter Müller
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