Julia
[01.08.2000]
Aktion für aktive Fluchthilfe am 1.8. an der Neiße
Aus aktuellem Anlaß - der öffentlichen heuchlerischen Empörung über die
von "skrupellosen Schlepperbanden in kauf genommenen Toten" - wurde die
Aktion "für aktive Fluchthilfe - Grenzregime sabotieren" geplant. Daß
der Anlaß noch viel aktueller werden würde mit der Nachricht am
Montag, daß 10 Flüchtlinge versucht hätten, die Grenze zu überqueren,
ahnten wir in diesem Moment noch nicht.
Eine Demonstration mit mehreren 100 TeilnehmerInnen näherte sich am
Dienstag nach 14.00 Uhr den Neißewiesen hinter dem Rosengarten, um dort
gegen die Abschottungspolitik Europas mit seinen geschlossenen Grenzen
zu protestieren. Die Eisenbahnbrücke über dem Fluß wurde mit
Transparenten behängt und verschönert, und gleichzeitig machte sich
eine Schlauchbootcrew daran, eine Grenzfähre über den Fluß zu errichten.
Damit sollte - entgegen der öffentlichen Meinung und Kriminalisierung
von Schleusern, die natürlich genau dann logisch ist, wenn Flucht
nicht stattfinden darf - wenigstens symbolisch eine aktive Fluchthilfe
gesetzt werden.
Anscheinend hatte die aktive Vorbereitung doch ein wenig unter den
Aufregungen der letzten Nacht gelitten, oder lag es an der endlich
strahlenden Sonne, daß die Bootscrew mit den schweren Seilen und der
schnellen Strömung Schwierigkeiten hatte, und dabei niemand auf die
Idee kam, die Wassertiefe zu prüfen?! Jedenfalls zog sich daß
Übersetzen auf die polnische Seite länger hin als geplant, so daß,
was dann folgte, von den Leuten im Schlauchboot als leichter
Vorgeschmack auf die Dinge, die sich an solchen Grenzen tatsächlich
ständig abspielen, bezeichnet wurde:
Nur wenige Meter vom Ziel - dem Ufer - entfernt, stürmten plötzlich
einige Grenzer heran und schrien die Grenzfährleute an. Einer von
ihnen zog seine Dienstwaffe und richtete sie auf die beiden im
Schlauchboot, Finger am Abzug. Daraufhin beschloß die Bootscrew,
unter solchen Umständen wie herumgefuchtelte Feuerwaffen und einer
auf Englisch nicht möglichen Verständigung (die Antwort auf polnisch
muß ungefähr gelautet haben: "In Polen spricht man polnisch!"),
nur die dünne Leine an einem herausstehenden Ast zu befestigen und
nicht mehr die komplette Grenzfähre aufzubauen.
Die Situation retteten einige beherzte Wasserratten: Sie warfen die
Klamotten von sich und gingen ins Wasser, Dutzende von DemonstrantInnen
folgten und feierten ein Fest der Spontaneität und des Nichtakzeptierens
von Grenzen. (Die Bootsgruppe hat übrigens beschlossen, sich ein Lot
zuzulegen, noch lange über die Sache zu lachen und den spontanen
Badenden begeistert zu gedenken!)
Zum Abschluß bewegte sich der Demozug zum Bahnhof, um dort die
Presseerklärung über die Vorfälle von Montag nacht zu verlesen.
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