Interview vom 02. November 2014

Teilerfolg italienischer NS-Opfer im Kampf um Entschädigung.
Ein Gespräch mit Martin Klingner

Letzte Woche hat das italienische Verfassungsgericht in Rom entschieden, dass NS-Opfer Deutschland in Zukunft auf Schadenersatz verklagen können, und zwar vor italienischen Zivilgerichten. Mit dieser Entscheidung wendet sich das Gericht explizit gegen ein Urteil des internationalen Gerichtshofs in Den Haag. Dort hatten die Richterinnen und Richter 2012 entschieden, italienische Gerichte sollten die Zivilklagen von italienischen Naziopfern als unzulässig abweisen, da das Völkerrechtsprinzip der Staatenimmunität gelte und klagen von Individuen demnach ausgeschlossen seien. Damals beugte Italien sich dem Urteil und erließ 2013 ein Gesetz, das den Haager Richterspruch in nationales Recht umsetzte.

Damit, so dachte man damals, sei die Frage nach Jahrzehntelangem Ringen wohl endgültig entschieden – und im Sinne der Kläger und Klägerinnen verloren. Aber nun ist das italienische Verfassungsgericht zu der Auffassung gekommen, dass dieses Gesetz verfassungswidrig ist. Es sei unzulässig, dass italienische Bürgerinnen und Bürger, die Opfer des NS-Unrechts geworden sind, die Gerichte im eigenen Land nicht anrufen dürften. Das Völkerrechtsprinzip der Staatenimmunität gelte, so die Richterinnen und Richter, nicht, wenn es um "unrechtmäßige Taten eines Staates geht, die als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen sind". In solchen Extremfällen gingen die Menschenrechte vor, die unantastbar sind und in der italienischen Verfassung garantiert werden.

Um zu verstehen, was es mit diesem neuen Urteil genauer auf sich hat und was das genereller für die Frage der Entschädigung von NS-Opfern bedeutet, haben wir mit Rechtsanwalt Martin Klingner vom Arbeitskreis Distomo gesprochen.

Das Radiointerview ist unter dem folgenden Link zu finden: Radio FSK 93,0 mHz

Joachim Lau vom 3. Februar 2012 und Nachtrag vom 31.10.2014

Zum Urteil des Internationalen Gerichtshofes (IGH)
vom 3. Februar 2012
nach dem Urteil des italienischen Verfassungsgerichtes
vom 22.10.2014

Als der IGH am 3. Februar 2012 sein Urteil in dem Rechtsstreit Deutschland gegen Italien wegen der angeblichen verletzen Staatenimmunität des deutschen Staates verkündete, stellte die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit Erleichterung fest: "Deutschland ist nicht zur Zahlung von Wiedergutmachung an Opfer deutscher Kriegsverbrechen verpflichtet."

Der Gerichtshof hatte mit großer Mehrheit entschieden,
...that the Italian Republic has violated its obligation to respect the immunity which the Federal Republic of Germany enjoys under international law by allowing civil claims to be brought against it based on violations of international humanitarian law committed by the German Reich between 1943 and 1945;

Der gesamte Text befindet sich hier:
Joachim Lau zum IGH (pdf)

Pressemitteilung vom 23. Oktober 2014

Italienisches Verfassungsgericht entscheidet zugunsten italienischer NS-Opfer

Opfer von NS-Verbrechen dürfen wieder auf Entschädigungsleistungen durch die Bundesrepublik Deutschland hoffen. Das italienische Verfassungsgericht hat gestern entschieden, dass das italienische Gesetz zur Umsetzung des IGH Urteils verfassungswidrig ist. Jeder Bürger müsse das Recht haben, vor den inländischen Gerichten Gehör zu finden.

Die konkrete Entscheidung des Verfassungsgerichts in Rom betrifft ehemalige NS-Zwangsarbeiter, hat aber Auswirkung für alle Verfahren von NS-Opfern. Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte Deutschland in einem Urteil aus dem Jahr 2012 Staatenimmunität gegenüber Klagen vor ausländischen Gerichten gewährt und damit Entschädigungsprozesse in Italien verhindert.

Nunmehr steht fest, dass Prozesse von italienischen NS-Opfern gegen Deutschland vor italienischen Gerichten doch weiter geführt werden können. Rechtskräftige Urteile wie im Fall Distomo können von der Bundesrepublik nicht mehr angefochten werden, sondern müssen umgesetzt werden.

Der AK-Distomo (Hamburg) erklärt hierzu: Die Entscheidung ist ein großartiger Erfolg für alle NS-Opfer. Deutschland muss jetzt endlich das geltende Recht beachten und die Opfer von NS-Verbrechen entschädigen.

AK Distomo, Hamburg, den 23.10.2014

Pressemitteilung vom 10. August 2014
zum Jahrestag des SS-Massakers in Sant’Anna di Stazzema

Erzwingung der Anklage gegen NS-Kriegsverbrecher Gerhard Sommer
Gerichtsverhandlung in Italien über Entschädigung von NS-Opfern

Am 5. August 2014 entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe positiv über einen Antrag auf Erzwingung der Anklage gegen Gerhard Sommer. Die Staatsanwaltschaft in Hamburg muss nun über die Anklageerhebung entscheiden.

Gerhard Sommer war als Kompaniechef an dem Massaker von Sant’Anna di Stazzema beteiligt, bei dem am 12. August 1944 in dem italienischen Dorf 560 Menschen von einer SS-Einheit ermordet wurden. Sommer wurde bereits 2005 vom italienischen Militärgericht in La Spezia in Abwesenheit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die Strafe wurde bis heute nicht vollstreckt. Eine Auslieferung nach Italien war nicht möglich. Sommer lebt daher bis heute unbehelligt in Hamburg-Volksdorf.

Trotz der Verurteilung in Italien stellte die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Ermittlungsverfahren gegen Gerhard Sommer und andere SS-Männer mit abwegiger Begründung ein, nachdem sie das Verfahren jahrelang verschleppt hatte. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Stuttgart wurde von den Überlebenden aus Sant’Anna di Stazzema als fortgesetzte Demütigung empfunden. In Stuttgart wartete man offenbar auf die biologische Lösung des Problems. Gerhard Sommer erfreut sich allerdings noch guter Gesundheit und ist verhandlungsfähig.

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17. Juli 2014, 19:00 Uhr, Centro Sociale (Sternstrasse 2, 20357 Hamburg)

Entschädigungsforderungen in Zeiten der Krise

Ein politischer Reisebericht des AK-Distomo über die Gedenkfeier in dem griechischen Dorf Distomo und Begegnungen mit Antifaschist_innen in Griechenland

Am 6. April 1941 überfiel die deutsche Wehrmacht Griechenland. Bis zum 3. November 1944 blieben die faschistischen Besatzer und brachten Terror über die griechische Zivilbevölkerung. Am 10. Juni 1944 überfiel eine Einheit der SS das griechische Dorf Distomo und ermordete 218 Menschen, überwiegend Frauen und Kinder. Eine strafrechtliche Verfolgung des Verbrechens in der Bundesrepublik Deutschland erfolgte nie.

In Griechenland dagegen sprach der Aeropag den KlägerInnen im Jahr 2000 eine Summe von 28 Mio. EUR als Entschädigung zu. Das höchste Gericht Griechenlands ließ den deutschen Einwand der "Staatenimmunität" für NS-Kriegsverbrechen nicht gelten. Deutschland aber zahlt weiter nicht, sondern bemühte selbst den Internationalen Gerichtshof in Den Haag, um seine Position durchzusetzen. Doch der Kampf um die Entschädigung ist nicht zu Ende. Zurzeit wird in Italien weiter versucht, die Vollstreckung mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen.

Weitere Details und der komplette Aufruf befinden sich hier:
Aufruf (pdf)

1. Juli 2014, 18:00 Uhr, Rechtshaus-Hörsaal, Universität Hamburg

Bildvortrag von Prof. Schminck-Gustavus
Rechts- und Sozialgeschichte, Universität Bremen

Feuerrauch - ”Sühnemaßnahmen” der Wehrmacht und deren juristische Verleugnung

Wie aus heiterem Himmel brannten deutsche Wehrmachtssoldaten 1943 ein griechisches Bergdorf nieder, töteten Frauen, Alte, Babys. Christoph Schminck-Gustavus reiste an den Ort, der noch heute vom Schrecken gezeichnet ist. Er hat die letzten Überlebenden des Massakers gefunden, ihre Berichte aufgezeichnet und Archive gesichtet: Die Rekonstruktion eines erschütternden Verbrechens und seiner juristische Verleugnung.
Weitere Details und der komplette Aufruf befinden sich hier:
Aufruf (pdf)

Pressemitteilung vom 9. Juni 2014

70. Jahrestag des Massakers von Distomo

Der AK-Distomo aus Hamburg nimmt auch dieses Jahr an den Gedenkfeiern zur Erinnerung an das Massaker vom 10. Juni 1944 teil. An diesem Tag überfiel eine Einheit der SS das griechische Dorf Distomo und ermordete 218 Bewohnerinnen und Bewohner. Die Täter wurden nie bestraft. Die Opfer und ihre Angehörigen erhielten von dem deutschen Staat keine Entschädigung.

Am 7. Juni 2014 demonstrierten Mitglieder des griechischen Nationalrats für die Entschädigungsforderungen gegenüber Deutschland und die Vereinigung der Widerstandskämpfer gegen die deutsche Besatzung gemeinsam mit dem AK-Distomo in Athen. 150 Personen nahmen an der Kundgebung auf dem Syntagma Platz teil und beteiligten sich an dem anschließenden Protestzug zu der deutschen Botschaft in Athen. Sie forderten die deutsche Regierung auf endlich ihre Verpflichtungen gegenüber den griechischen Bürgern zu erfüllen.

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Joachim Lau, 2. Juni 2014

Erklärung zu dem gegenwärtigen Stand der Vollstreckungsverfahren in Italien

Sehr verehrte Bürgerinnen und Bürger von Distomo,
Sehr verehrter Bürgermeister,
Sehr verehrter Herr Präsident der Region von Mittel-Griechenland,
Liebe Freunde,

gestatten Sie mir durch die vorliegende Erklärung, die Anwesenden über den gegenwärtigen Stand der Vollstreckungsverfahren in Italien gegen die Bundesrepublik Deutschland zu informieren und Ihnen dazu meine Einschätzung rechtlicher und rechtspolitischer Natur mitzuteilen.

Zur Erinnerung:
1997 wurde die Bundesregierung wegen des Massakers vom 10.6.1944 zu einem angemessenen Schadensersatz zu Gunsten der Familien von Distomo verurteilt und zwar auf der Grundlage des internationalen Rechtes, denn in Artikel 5 des Londoner Schuldenabkommens von 1953 hatte Deutschland sich verpflichtet, auf der Grundlage des Artikel 3 des Haager Abkommens von 1907 nach einer zukünftigen Wiedervereinigung die Bürger Griechenlands für die erlittenen Kriegsverbrechen zu entschädigen.

Wenn es über die Höhe der Entschädigung keine Einigung geben könnte, sollte nach dem Abkommen die Geschädigten die Erlaubnis haben, das sachlich und örtlich zuständige Zivilgericht anzurufen.

Das Urteil des Landgerichtes von Livadia n. 137/97 war also völlig zu Recht ergangen. Es ist im Jahre 2000 bestätigt worden. Der Areopag ist zu Recht davon ausgegangen, dass Deutschland implizit auf seine Gerichtsimmunität verzichtet hatte. Leider hatte das Gericht den expliziten Immunitätsverzicht nicht geprüft.

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Pressemitteilung vom 25. Mai 2014

Zum 70. Jahrestag des Massakers von Distomo:
Naziverbrechen nicht vergeben, den antifaschistischen Widerstand nicht vergessen!
Gemeinsamer Kampf gegen den wiedererstarkenden Faschismus in Europa!

Der AK-Distomo wird auch dieses Jahr an den Gedenkfeiern in Distomo teilnehmen. Wir werden als Teil einer 24-köpfigen Gruppe aus Deutschland (Berlin, NRW und Hamburg) anreisen und die folgenden Veranstaltungen und Demonstrationen durchführen:
Donnerstag, 5.6.14
Perama, Soziales Zentrum Pyxida, Fleming 92/Ecke Achilleos, 19.00 Uhr, Informations- und Diskussionsveranstaltung
Freitag, 6.6.14
Athen - 12.00 Uhr, Pressekonferenz
Freitag, 6.6.14
Athen-Exarcheia, Steki Metanaston, Migrants Social Center, Soziales Zentrum, Tsamadou 13, 20.00 Uhr, Informations- und Diskussionsveranstaltung
Sonnabend, 7.6.14
Athen, Syntagmaplatz, 11.00 Uhr, Demonstration zur Deutschen Botschaft
Sonntag, 8.6.14
18.30 Uhr Distomo, Informations- und Diskussionsveranstaltung
Dienstag, 10.6.14
10.00 Uhr Distomo, Teilnahme an der Gedenkfeier zum 70. Jahrestag des Massakers

Weitere Details und der komplette Aufruf befinden sich hier:
Aufruf deutsch (pdf)
Aufruf englisch (pdf)
Aufruf griechisch (pdf)

Neues Deutschland, Artikel vom 13. März 2014

Herr Gauck, Knuddeln reicht nicht!

Von der Griechenland-Reise des Bundespräsidenten Joachim Gauck blieb besonders ein Bild hängen: Beim Gedenken an ein Massaker der deutschen Wehrmacht vom 3. Oktober 1943 im Ort Lyngiades legte Gauck seine Arme um den griechischen Staatspräsidenten Karolos Papoulias. Jener befreite sich nach kurzer Zeit aus dieser Umfassung, wohl auch weil er just vor dem Treffen öffentlich gefordert hatte, die Verhandlungen über Reparationszahlungen für deutsche Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges sowie die Rückzahlung einer Zwangsanleihe aus dem Jahre 1942 über 500 Millionen Reichsmark aufzunehmen. Diese hatten die Nazis während der Besatzung vom griechischen Staat erpresst. Es handelt sich also um eine berechtigte und sehr konkrete Forderung, die nicht mit einem Knuddeln erwidert werden darf.

Zuvor brüskierte Gauck den griechischen Präsidenten bereits mit der Behauptung, der rechtliche Weg für Entschädigungen sei abgeschlossen. Das ist aber reines Wunschdenken deutscher Regierungspolitik. So fordert gegenwärtig die jüdische Gemeinde Thessaloniki Entschädigung für die Verbrechen durch die deutsche Besatzungsmacht vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Tatsache ist zudem, dass aufgrund des rechtskräftigen Urteils im Fall des Massakers von Distomo mit Zustimmung der griechischen Regierung jederzeit bundesdeutsches Eigentum in Griechenland vollstreckt werden kann. Und die griechischen Reparationsansprüche gegen Deutschland sind nie befriedigt und bis heute nicht erloschen.
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Pressemitteilung vom 9. März 2014

Kommentar zum Griechenland-Besuch des Bundespräsident Gauck:
Entschädigungsforderungen "mit Scham und mit Schmerz" zurückgewiesen

Bundespräsident Gauck wies bei seinem Besuch in Griechenland sämtliche Forderungen nach Reparationen und Entschädigung für NS-Verbrechen schroff zurück. Auf die Forderung des griechischen Staatspräsidenten Papoulias erklärte Gauck: "Der Rechtsweg ist abgeschlossen".

Das ist Wunschdenken deutscher Regierungspolitik. Die jüdische Gemeinde Thessaloniki fordert Entschädigung für die Verbrechen durch die deutsche Besatzungsmacht vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg. Das rechtskräftige Urteil im Fall des Massakers in Distomo wäre mit der Zustimmung der griechischen Regierung vollstreckbar. Die Reparationsforderungen von griechischer Seite sind nicht erloschen und können eingefordert werden, wie es Staatspräsident Papoulias gegenüber Gauck auch getan hat.

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4. März 2014

radio dreyeckland
Interview mit Martin Klingner vom AK-Distomo

Hat "die Reparationsfrage ihre Berechtigung verloren"?
Jüdische Gemeinde von Thessaloniki und Opfer des NS-Massakers von Lyngiades fordern deutliche Worte von Gauck

Entschädigungen für NS-Verbrechen – ein Thema, das die Rolle Deutschlands als friedensstiftende Macht inmitten eines Europas befreundeter Staaten immer wieder fragwürdig werden lässt. Denn die deutschen Verbrechen können nicht nur ideell niemals wieder gutgemacht werden. Wenigstens auf der materiellen Ebene müsste die BRD als Nachfolgestaat des Deutschen Reichs umso mehr darauf aus sein, so viel wie möglich zurückzuzahlen.

Doch das Gegenteil ist der Fall, Deutschland weigert sich, seine Hausaufgaben zu machen. So gegenüber Griechenland. Am Mittwoch besucht der deutsche Bundespräsident Gauck das Land – u.a. auch das Dorf Lyngiades. 1943 ermordeten deutsche Truppen dort 82 Menschen, vor allem Frauen und Kinder. Dies ist nur eines von Hunderten deutscher Massaker allein in Griechenland.

Die Angehörigen der Opfer fordern eine Entschädigung, aber vergeblich. Eine aktuelle Entschädigungsklage der jüdischen Gemeinde von Thessaloniki und eine kleine Anfrage der Partei die Linke an die Bundesregierung sind weitere Anlässe, die Ausreden Deutschlands unter die Lupe zu nehmen.

Wir sprachen mit Martin Klingner, der sich im Hamburger "Arbeitskreis Distomo" seit vielen Jahren für eine deutsche Solidarität mit den Opfern von NS-Massakern in Griechenland engagiert.

zur Radiosendung...

Pressemitteilung vom 1. März 2014

Bundespräsident besucht Griechenland – Griechische Opfer fordern Entschädigung

Am 5. März 2014 wird Bundespräsident Gauck zum Staatsbesuch nach Griechenland reisen.

Dort wird er unter anderem das von deutschen Truppen zerstörte Dorf Lyngiades in der Region Epirus besuchen. Am 3. Oktober 1943 ermordeten Angehörige der 1. Gebirgsjägerdivision dort 82 Menschen, vor allem Frauen und Kinder. Lyngiades war eine von Hunderten Ortschaften, in denen Wehrmacht und SS während der deutschen Besatzung Griechenlands Massaker an der Zivilbevölkerung begingen.

Die Menschen aus den Orten deutscher Verbrechen in Griechenland erwarten und fordern, dass die deutsche Regierung endlich, nach mehr als 70 Jahren ihre Verantwortung anerkennt und die Opfer und die Hinterbliebenen der Ermordeten finanziell entschädigt. Doch im Gepäck wird der Bundespräsident vermutlich nicht viel mehr als Worte des Bedauerns haben. Bereits im italienischen Sant’Anna di Stazzema erklärte Gauck zur unterbliebenen strafrechtlichen Verfolgung der Mörder: "Es verletzt unser Empfinden für Gerechtigkeit tief, wenn Täter nicht überführt werden können, weil die Instrumente des Rechtsstaates dieses nun einmal nicht zulassen." Tatsächlich wurden 10 der Mörder vom italienischen Militärgericht La Spezia in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Allerdings hat keiner der Verurteilten die Haft angetreten.

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Esslingen 27. Januar 2014

Generalamnestie durch biologische Lösung
RAin Gabriele Heinecke

Kommentar zur rechtsgeschichtlichen Verarbeitung des Massakers von Sant’Anna di Stazzema in Italien und Deutschland.

Gedenken ist dann sinnvoll, wenn es eine Bedeutung für die aktuelle Zeit hat. Nicht vergessen heißt, Fehler nicht zu wiederholen. Ich bin mir nicht sicher, ob Deutschland aus den Fehlern der Vergangenheit genügend gelernt hat. Das gilt insbesondere für die NS-Kriegsverbrechen, denen man sich nicht gestellt hat und nicht stellt, aber auch für die neuen Kriege, die geführt werden.

Zu Beginn dieser Veranstaltung ist aus der Rede des Bundesprasidenten Gauck zitiert worden, die er im letzten Jahr anlässlich seines Besuches in Sant’Anna di Stazzema gehalten hat. Enrico Pieri hat sich über den Besuch zu Recht gefreut. Allerdings hat der Bundespräsident mit Blick auf die Nichtverfolgung der für das Massaker Verantwortlichen gesagt, die Instrumente des Rechtsstaats reichten nicht aus, um Gerechtigkeit zu schaffen. Das stimmte nicht. Es ist die Unwahrheit.

Der 12. August 1944 in Sant’Anna di Stazzema

560 Tote, Säuglinge, Kinder, Frauen und Alte. Die angebliche Partisanenbekämpfungsaktion in den Morgenstunden des 12. August 1944 in dem toskanischen Dorf Sant’Anna di Stazzema war in Wirklichkeit ein grausamer Akt gegen die unbeteiligte Zivilbevolkerung. Ahnungs- und wehrlos waren sie, als die Einheiten der 16. SS-Panzergrenadierdivision Reichsführer SS kamen, um das Dorf und die Bewohner zu vernichten. Die SS wütete furchtbar und gnadenlos. Jeder dieser gut ausgebildeten SS-Angehörigen wusste, dass keine Partisanen im Dorf waren. Und sie wussten, dass die Division ein Völkerrechtsverbrechen beging. Eine andere Interpretation konnte man nicht haben.

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