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Exkurs in die Rüstungsindustrie

Das Nichtzustandekommen einer eigenen europäischen Verteidigungs- und Außenpolitik, ist unter anderem dem Fehlen einer geschlossenen europäischen Rüstungsindustrie geschuldet, die Grundlage für eine unabhängige EU-Militärpolitik wäre. Die Staaten der EU unternahmen nach dem Krieg gegen Jugoslawien umfangreiche Anstrengungen zum Aufbau einer gemeinsamen Rüstungsindustrie. Ein wirkliches Schwergewicht stellt die EADS (European Aeronautic Defence and Space Company) dar, dem größten kontinentaleuropäischen Rüstungsunternehmen. Dieser in den Jahren 1999 und 2000 gebildete Rüstungsriese ist das Kind des NATO Krieges gegen Jugoslawien. Die EADS ist der Zusammenschluss der Rüstungssparten von Daimler-Chrysler (DASA), der französischen Aerospatiale Matra S.A. (Dassault) und der spanischen Constructions Aeronauticas S.A. (Casa).

Einzelne große Programme, die diesem Rüstungskomplex den erforderlichen langen Atem verleihen sollten, wurden in den Jahren 1999 und 2000 konkretisiert, wie z.B. das Programm des neuen Kampfhubschrauber NH - 90 und des Militärtransporters A400M, sowie der Realisierung des Eurofighters. So mündeten die Erfahrungen der europäischen Millitärs mit den Abhängigkeiten von US amerikanisch dominierter Logistik, in den Projekten "Galileo" und "Astrium". Mit dem Militärprojekt "Astrium" sollen ab 2004/5 vier Satelliten die gesamte Erdoberfläche in einem Sechs - Stunden - Rhythmus überfliegen und dabei "Bilder von Gegenständen kleiner als 1 Meter Kantenlänge" übermitteln können. Dem Satellitenprogramm "Galileo" wird offiziell ein ziviler Charakter zugesprochen, z.B. zur Verkehrsführung. Es soll eine Alternative zum Satellitensystem GPS darstellen.

Im Mai 2001 unterzeichneten Regierungsvertreter von sechs EU Ländern, Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien, Schweden und Italien, sowie fünf Luftfahrt- und Rüstungskonzerne, darunter auch die EADS, ein Regierungsabkommen zur Entwicklung und zum Bau künftiger unbemannter Kampfflugzeuge. Sogenannte Unmanned Combat Air Vehicle (UCAV) werden als die "Zukunftsgeneration der Militärluftfahrt" bezeichnet. Das US Militär, hat hier allerdings einen beträchtlichen Vorsprung, denn sie setzten solche Flugzeuge im Afghanistankrieg das erste Mal ein und konnten so den "Krieg der Zukunft" erproben. Der EADS gelang es allerdings nicht Britisch Aerospace Systems (BAe), als den drittgrößten Rüstungskonzern der Welt und die Nummer eins in Europa einzubinden. Geplant war die Bildung eines militärisch-industriellen Komplexes der EU, um eine Option, Kriege unabhängig von der NATO und den Vereinigten Staaten - führen zu können. Diese Ziel wurde verfehlt.

Mit dem Krieg und dem dadurch massiv angekurbelten Rüstungsgeschäft bot sich der US - Politik die Chance, den Abstand zur EU auch auf militärpolitischen und -technischen Gebiet zu vergrößern und allzu ehrgeizige EU-Projekt auszubremsen. Dies wurde unter Anwendung des Prinzips "teile und herrsche" praktiziert. Zunächst wurde Großbritannien wie kein anderes NATO und EU Mitglied in die US Kriegspolitik in Afghanistan eingebunden. In seiner Rede, vom 20.09.2001, zum kommenden "Krieg gegen den Terrorismus", ließ George W. Bush die alte angelsächsische Waffenbrüderschaft wieder aufleben: "Amerika hat keinen besseren Freund als Großbritannien. Wieder einmal sind wir in einer großen Sache geeint." Allen voran konnte Großbritanniens Militär beim Krieg gegen Afghanistan an der Seite der Vereinigten Staaten mitbomben und kämpfen. Der wichtigste Coup gelang jedoch der US Regierung mit der Einbindung der britischen Rüstungsindustrie in das Joint Strike Fighter (JSF) Projekt. Die britische Regierung sicherte von Anfang an die Abnahme von 150 Kampfflugzeugen dieses Typs zu. Der britische Rüstungskonzern BAe wurde als einziger Nicht-US-amerikanischer Konzern an dem JSF-Programm beteiligt. Der auf BAe entfallende Auftragsanteil bei diesem Geschäft macht umgerechnet rund 15 Milliarden Euro aus, die erwarteten Exporte nicht berücksichtigt. Diese Summe liegt deutlich über derjenigen, die BAe im Eurofighter Geschäft erzielt.

Das JSF-Projekt schreibt damit dreifach Geschichte. Es ist zunächst das größte Rüstungsgeschäft aller Zeiten und zweitens wird mit damit die "Plattform-Strategie" – die unterschiedlichen Versionen für Heer, Marine und Luftwaffe sind zu 70% baugleich – als eine Produktionsform der "globalisierten" Ökonomie in das Rüstungsgeschäft übernommen. Drittens festigt die US Regierung mit dem JSF ihre strategische Position als führende Militärmacht, indem Bae mit dem US-amerikanischen militärisch-industriellen Komplex verknüpft wird. Die Bemühungen zum Aufbau eines westeuropäischen militärisch-industriellen-Komplexes erlitten mit dem Afghanistankrieg einen weiteren Rückschlag. Geplant war eine Erweiterung der EADS durch Einbeziehung des italienischen Rüstungsunternehmen Finmechanica, welches auch die Italienische Gesellschaft für den Bau ziviler Flugzeuge, Alenia Aerospazio, kontrolliert. Mit diesem Zusammenschluß wären von den relevanten Luftfahrt- und Rüstungsunternehmen in Europa "nur" die britische Rüstungsindustrie mit BAe nicht beteiligt.

Trotz bereits im April 2000 unterzeichneter Abkommen für diesen Zusammenschluß, gab Finmechanica im Januar 2002 bekannt, dass das Bündnis nicht zu Stande kommt. Stattdessen prüft das italienische Rüstungsunternehmen ein Zusammengehen mit BAe. Käme es zu dieser Allianz , hätten BAe - Finmechanica auch die Mehrheitsanteile am Konsortium, das den Eurofighter herstellt. Gleichzeitig hat BAe seine transatlantische Orientierung weiter ausgebaut und von dem US Unternehmen Lockheed Martin für den Kaufpreis von 500 Millionen US $ die Bereiche Steuerungssystem übernommen. Damit ist bei BAe das Pentagon mit Abstand der größte Auftraggeber, noch vor dem britischen Verteidigungsministerium. Diese Verbindung trug dann auch gleich Früchte,. Da im Februar 2002 bekannt wurde, dass ein groß angelegtes Kooperationsprojekt zwischen der EADS und Lockheed Martin durch letztere einseitig aufgekündigt wurde. Geplant war die gemeinsame Entwicklung eines Mehrzweck-Marineflugzeuges, das auf ein Finanzvolumen von 20 Milliarden US $ veranschlagt worden war. Rüstungsfachleute bezeichneten dieses als eine schwere Niederlage für Europas Rüstungsindustrie.

Allerdings zeichnen sich die Bruchlinien nicht nur im Verhältnis Großbritannien gegen den Rest der EU Staaten ab. Parallel zu den oben beschriebenen Entwicklungen verfolgen die einzelnen europäischen Staaten natürlich weiterhin verstärkte Rüstungsanstrengungen auf nationaler Ebene, teilweise in heftiger Konkurrenz zu "europäischen Projekten". So zeichnet sich ein Zusammengehen der beiden maßgeblichen deutschen Panzerbauer, des Münchener Unternehmens Krauss - Maffei Wegmann (KMW) und des Düsseldorfer Rheinmetall - Konzerns zu einem strategischen Verbund in der Heerestechnik ab. Dieser Zusammenschluss steht in Konkurrenz zu einer anderen geplantem Vereinigung der europäischen Kapazitäten zur Herstellung von Munition unter deutscher Führung. Hier hätte der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall zu den weltgrößten Munitionsherstellern aufrücken sollen. Ende 2001 wurde der britisch-französisch-italienische Lenkwaffenkonzern MBDA, nach dem amerikanischen Konzern Raytheon das weltweit zweitgrößte Unternehmen diese Rüstungszweigs, gebildet. Die ebenfalls auf diesem Gebiet aktive deutsche Rüstungsfirma Diehl propagierte zum selben Zeitpunkt jedoch eine German Missile Company, den Zusammenschluß der Diehl Tochter BGT mit der Daimler-Chrysler Aerospace-Lenkwaffen-Tochter LFK. Die massivsten Probleme zeichnen sich allerdings beim größten europäischen Rüstungsprojekt, dem Bau des Militärtransporters A400M, ab. Italien hat sich im Oktober 2001 vollkommen aus dem Programm zurückzogen und sich ganz der amerikanischen C-130J Herkules zugewandt.

Die deutsche Regierung sah sich Anfang 2002 nicht in der Lage, die für die deutschen A400M - Bestellungen vorgesehenen Mittel komplett in den Haushalt einzustellen. Nunmehr drohen die britischen und französischen A400M - Partner damit, das Projekt platzen zu lassen. Das britische Militär prüft statt des A400M das Konkurenzmodell von Boeing, den Militärtransporter Globemaster, zu bestellen, von dem die Royal Airforce bereits vier Maschinen auf Leasing - Basis einsetzt. Ein Platzen des Projektes A400M hieße aber nicht nur, dass ein gewaltiger Rüstungsauftrag in Höhe von 18 Milliarden Euro dem Airbus-Konsortium und damit auch EADS verloren geht. Damit wäre auch der europäischen Eingreiftruppe, der seit 2000 beschlossenen WEU-Rapid Reaction Force, im Wortsinn die Grundlage entzogen: Die A400M - Militärmaschinen sollten die Transportbasis für die "Schnelle Eingreiftruppe" werden; sie stellen das entscheidende Symbol für die "europäische Sicherheitspolitik" dar. Angesichts der beschriebenen Entwicklungen, könnte sich die EU Sicherheits- und Verteidigungspolitik von der ursprünglich intendierten Herausforderung der VEREINIGTE STAATEN zu einer Ergänzung der US - Militärpolitik "zurückentwickeln". Ergänzung heißt in diesem Zusammenhang, das die EU im Sinne einer Arbeitsteilung, Aufgaben der VEREINIGTE STAATEN übernimmt. Das heißt wenn sie auf dem Balkan (dem Hinterhof der EU) eine größere Rolle spielt oder gar das Kommando übernimmt, die VEREINIGTEN STAATEN hingegen nur noch punktuell (z.B. mit ihrer Festung Bondsteel) präsent bleiben, um freiwerdende Ressourcen für anderweitige kriegerische Interventionen nutzen zu können.


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