Heimatfront
"Alles wird so werden, wie wir es uns schon
lange gewünscht haben" scheint
das Leitmotiv der deutschen Außen- und Innenpolitik, nach
dem 11. September zu lauten. Deutschland sollte nach dem Willen
der Bundesregierung nicht nur solidarisch mit den Vereinigten Staaten
sein, sondern diese Solidarität sollte auch bedingungslos sein.
Die Realität zeigte allerdings schnell, dass Solidarität,
also das Bewusstsein über eine gemeinsame Interessenslage,
mit Sicherheit nicht die Motivationen der deutschen Außenpolitik
nach dem 11. September beschreibt. Viel eher boten die Anschläge
den hoch willkommenen Anlass eigenständige militärische
Macht in den anstehenden Kriegen zu werden und die Gelegenheit ökonomische
und politische Positionen international auszubauen.
Bereits Ende Oktober startete Bundeskanzler Schröder in Begleitung
des Bundeswirtschaftsministers und der Entwicklungsministerin, sowie
einer Wirtschaftsdelegation zu einer Reise nach Indien, Pakistan
und China. Unter dem vordergründigen Ziel, diese Länder
zu einer Zusammenarbeit gegen den Terrorismus zu bewegen, ließ
die Delegation, völlig uneigennützig einfließen,
dass diese Zusammenarbeit eine verstärkte wirtschaftliche Kooperation
mit Deutschland einschließen muss. Flugs wurden dann auch
eine Reihe von höchst lukrativen Geschäften eingefädelt
und besonders Indien und Pakistan wurden neue Kredite gewährt
und laufende wurden teilweise erlassen.
Parteiübergreifend, die Ausnahme war die PDS, war man sich
auch schnell einig, dass die BRD nun endlich ihre gebührende
Rolle bei den anstehenden internationalen kriegerischen Interventionen
einnehmen sollte. Auf gar keinen Fall wollte man sich lediglich
an den Kosten solcher Interventionen beteiligen, um später
bei den Erträgen wieder einmal leer auszugehen. Zielstrebig
drängten Schröder und Scharping deshalb, von Anfang an,
die Einheiten der Bundeswehr den Vereinigten Staaten auf. Die Bereitstellung
der 3900 Soldaten für die Operation "Enduring Freedom"
durch den Bundestag, versuchte die Bundesregierung dann noch mit
einem Hilfeersuchen der Vereinigten Staaten zu begründen. Der
amerikanische Verteidigungsminister stellte allerdings unmissverständlich
klar, dass es ein solches Ersuchen zu keinem Zeitpunkt gegeben hat.
Ein Problem für die Bundesregierung war, dass sie sich nicht
auf eine "eigene Mehrheit" im Bundestag verlassen konnte.
So kam am 30. August 2001, also kurz vor den Attentaten, die Mehrheit
für den Bundeswehreinsatz in Mazedonien, bei dem die Waffen
der UCK eingesammelt werden sollten, nur mit Hilfe der CDU/CSU und
der FDP zustande. Vor der Abstimmung über den Antrag zum Bundeswehreinsatz
im Rahmen der "Operation Enduring Freedom", erklärten
die CDU/CSU und die FDP, dass sie nicht mehr bereit seien als Mehrheitsbeschaffer
für die Bundesregierung zu dienen. Die SPD-Spitze entschloss
sich darauf hin zu einer riskanten Vornewegverteidigung. Der Kanzler
stellte die Vertrauensfrage und verknüpfte sie mit der Abstimmung
zum Antrag der Bundesregierung. Diese Kopplung lief auf eine Erpressung
der ParlamentarierInnen hinaus. Hier ging es um die Staatsräson,
die Regierung der drittstärksten Wirtschaftsmacht der Welt
muss sich auf Parteien stützen können, die "Ja”
sagen zum Kriegseinsatz. Diese Taktik hatte Erfolg, Schröders
Antrag erhielt die notwendige Mehrheit mit 336 Stimmen, zwei mehr
als erforderlich.
Kaum war aber die Genehmigung zur Entsendung deutscher Truppen erteilt,
versuchte die Bundesregierung beim Aufbau der Afghanistan Schutztruppe
*(ein Begriff, der übrigens aus der Zeit des Kolonialismus
stammt) an die Spitze zu spurten. Im Streit mit Großbritannien,
welcher der beiden Staaten die Rolle der "Lead Nation"
übernehmen sollte, unterlag die BRD. Die UNO übertrug
diese Aufgabe Großbritannien. Deutschland übernahm jedoch
die taktische Führung im Raum Kabul, in dem das Gros der Isaf
Truppen stationiert ist. Nach dem Abzug der britischen Truppen,
stellt Deutschland mit 1.200 Soldaten das größte Isaf
Kontingent.
Deutschland leitete seinen militärischen Führungsanspruch
aus seiner politischen Führungsrolle im Post-Taliban-Prozeß
ab. Diese war das Ergebnis der Bemühungen der deutschen Diplomatie,
der es gelungen war, im November 2001 , die UN Konferenz auf den
Bonner Petersberg zu holen, auf der unter anderem über die
künftige Regierung in Kabul entschieden wurde. Hier rangen
hinter verschlossenen Türen die verschiedenen konkurrierenden
Industrienationen darum, um ihre Interessensvertreter in die neue
Regierung zu lancieren. Sowohl den Vereinigten Staaten als auch
Deutschland gelangen es einige Interessensvertreter in der neuen
Regierung zu positionieren. So gelten der Verteidigungs-, Außen-
und der Innenminister Deutschland zugewandt, während der neue
Ministerpräsident Karzai den Vereinigten Staaten zugewandt
sein soll. Dieser nicht unerhebliche politische Einfluss von Deutschland
im Post-Taliban Afghanistan, warf dann auch kurze Zeit später
die ersten erwarteten ökonomischen Früchte ab. Mitte Februar
2002 besuchten als erste ausländische Delegation, Emissäre
der deutschen Wirtschaft das Land und schlossen prompt Aufträge
für mindestens vier Projekte ab. So soll Siemens ein Telefonfestnetz
im Land installieren, ABB soll sich um die Kraftwerke und Beleuchtung
in Kabul kümmern, die Essener Hochtief AG soll Straßen
reparieren und Daimler-Chrysler Löschzüge, Lastwagen und
Busse verkaufen. Finanziert werden sollen diese Projekte mit den
Mitteln internationaler Kreditoren, von denen die EU, mit 550 Millionen
Euro der Größte ist und von deren Mitteln wiederum 80
Millionen Euro aus Deutschland kommen. Mit anderen Worten aktuell
fließt ein Großteil der Hilfszahlungen für Afghanistan
direkt in die Kassen deutscher Konzerne.
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