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OKTOBER 2003

Antifa Rück- und Ausblick

Eine „Grossdemonstration des nationalen Widerstands“ sollte es werden, der Nazi-Aufmarsch am 6. September in Nürnberg. Die sog. „freien“ KameradInnen um den Hamburger Nazi-Millionär Christian Worch und seinem regionalen Adlatus Gerd IttnerAntifa-Plakat aus Zirndorf wollten ganz groß in die Fußstapfen ihrer nationalsozialistischen Vorbilder treten und wie damals vom Reichsparteitagsgelände zum Hauptmarkt, dem ehemaligen Adolf-Hitler-Platz marschieren. Doch Pustekuchen, gerade einmal 100 bundesweit angekarrte Möchtegern-Hitlers kamen nach Nürnberg. Und diese dürfen sich auch noch artig bei der Stadt Nürnberg bedanken, die zusammen mit der Polizeiführung die Nazis am Reichsparteitagsgelände aufmarschieren liessen, obwohl genau das die Gerichte verboten hatten. Als Dankeschön kommen sie bald wieder und zwar am Samstag, den 29.11.03. Doch zunächst der Rückblick:

Bereits Wochen vor dem geplanten Nazi-Aufmarsch bildete sich in Nürnberg ein breites antifaschistisches Bündnis, das im Konsens eine Blockade der Nazi-Demo beschloss. Während radikale und autonome AntifaschistInnen auf die eigene Mobilisierung bauten und im Vorfeld dem Anmelder der Nazi-Demonstration, Gerd Ittner, am 30.08.03 in Zirndorf einen Besuch abstatteten, um ihn dort aus seiner bürgerlichen Anonymität zu zerren, versuchte der gemäßigte Teil des Bündnisses händeringend die Nürnberger Parteienprominenz zur Aktivität zu bewegen. Nachdem das Nazi-Demo-Verbot der Stadt in letzter Instanz per Gerichtsurteil aufgehoben wurde, als Auflage allerdings u.a. jede örtliche Nähe zur nationalsozialistischen Vergangenheit ausgeschlossen werden sollte, trauten so manche ihren Ohren nicht: Denn die Stadt genehmigte in Absprache mit der Polizei den Nazis eine Kundgebung direkt auf dem Reichsparteitagsgelände! Während das Bündnis zur Antifa-Demo auf dem Aufseßplatz mobilisierte, um direkt zu den Nazis auf dem Reichsparteitagsgelände zu ziehen, traf sich das offizielle Nürnberg vor dem Dokumentationszentrum an der Kongreßhalle zur eigenen Kundgebung. Unter anderem mit dabei, Nürnbergs Oberbürgermeister Maly, der sich im Vorfeld schon mal bei der Polizei für ihr besonnenes Vorgehen bedankte und kein geringerer als Bayerns Innen- und Abschiebeminister Günther Beckstein. Die Stadt der Menschenrechte war damit wieder einmal in ihrem Element. Die besonnene Polizeistrategie begann bereits am frühen Morgen am Aufseßplatz mit willkürlichen Kontrollen und ersten Festnahmen. Bereits nach wenigen Metern griff die Polizei die Demo, an der sich über 1000 Menschen beteiligten, erstmals an. Ge- und Entschlossen ging die Demo allerdings weiter, immer begleitet von zahlreichen Polizeiprovokationen rund um die Demospitze. Noch bevor die Demo überhaupt in die Nähe der Nazis kam, waren mehrere schwer verletzte DemonstratInnen und Festnahmen zu verzeichnen, für eine ältere Friedensaktivistin endete die Polizeibrutalität mit einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt. Am Reichsparteitagsgelände waren es schliesslich mehrere tausend Menschen, die sich dem Nazihäuflein, grossflächig von der Polizei abgeschirmt und beschützt, lautstark entgegenstellten.

Das Antifa-Aktionsbündnis wertete in einer Stellungnahme die Antifa-Demo als Erfolg, da sie sich mit dem Antifa-Block an der Demospitze, den Redebeiträgen und zahlreichen Transparenten nicht nur gegen die Nazis sondern auch gegen die herrschenden Verhältnisse richtete. Stark kritisiert wurde die Stadt, die den Nazis trotz Verbots auf dem Reichsparteitagsgelände eine Kundgebung bewilligte sowie das eskalative Vorgehen der Polizei. Man solle sich anschließend nicht wundern, wenn sich dadurch immer mehr Jugendliche radikalisieren und die Polizei als das wahrnehmen, was sie sehen: Staatliche Schlägerkommandos!

Für Samstag, den 6.Dezember haben Worch und Ittner nun einen weiteren Aufmarsch in Nürnberg angekündigt. Vom Hauptbahnhof aus wollen sie in die Nürnberger Innenstadt, um sich anschließend auf dem Christkindlesmarkt die Kante zu geben. Damit fährt Worch nun auch in Nürnberg mit seiner Strategie fort, kurzzeitig hintereinander zahlreiche Aufmärsche in einer Stadt durchzuführen, um damit den Widerstand immer weiter zu verkleinern. Die Frage ist nur, in wie weit seine eigene Anhängerschar das Spiel noch lange mitmacht, zumal es insbesondere in Nürnberg starke Streitereien innerhalb der Nazi-Szene gibt. Ittner überwarf sich bereits vor Monaten mit der BIA und den regionalen NPD-Kadern um Ralf Ollert, dem er Homosexualität vorwirft, ein beliebter Schachzug innerhalb der homophoben Herrenmenschenvereinigungen. Auch auf die FAF (Fränkische Aktionsfront) ist Ittner nicht gut zu sprechen, hinter deren aufgeblähten Strukturen sich nicht viel verberge. Ittner seinerseits ist in der Region stark isoliert, die FAF mobilisierte am Aufmarschtag in Nürnberg lieber zu einem Nazi-Konzert und liess Ittner und seine Demo rechts liegen. Interessant sind allerdings auch die Querverbindungen zwischen der FAF und der Münchner Neonazi-Szene um den festgenommenen Michael Wiese und seiner „Kameradschaft Süd“. Anfang September beschlagnahmte die Polizei 14 kg Sprengstoff, darunter 1,7 kg TNT und mehrere Waffen. Mehr als 10 Nazis aus dem Umfeld der Kameradschaft Süd wurden mittlerweile festgenommen, die intensive Kontakte zur FAF unterhält. Die enge Zusammenarbeit der FAF mit den Münchner Neo-Nazis dauert seit etwa eineinhalb Jahren an. Dafür wurde eigens eine sog. „AG Bayern“ gegründet, in der sich einerseits die FAF und andererseits das Nationale Infotelefon Bayern sowie die Kameradschaft Süd zusammengefunden haben. Im Medienhype um rechtsterroristische Entwicklungen, die laut der Nürnberger Antifa-Recherche Gruppe aber weder eine neue Qualität besitzen noch überraschend sind, ging ein ebenfalls in München stattgefundener skandalöser Prozess gegen AntifaschistInnen weitgehend unter. Der 78jährige Widerstandskämpfer und KZ-Häftling Martin Löwenberg wurde zusammen mit einem weiteren Angeklagten am 22.9.03 vor dem Amtsgericht München zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er am 30.11.02 auf einer Kundgebung dazu aufrief, sich den eben genau jetzt festgenommenen Neonazis bei ihrem Aufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung entgegenzustellen. Der Prozess endete in tumultartigen Szenen, mehrere empörte Zuschauer wurden des Gerichtssaals verwiesen.

Nach Bekanntwerden eines erneuten Nazi-Aufmarsch-Versuchs in Nürnberg am 6.12.03 beginnen bereits jetzt wieder die Vorbereitungen für entschlossene Widerstandsaktivitäten. Nähere Infos und Kontakt gibt´s jeweils Donnerstags um 19.30 Uhr in der Anlaufstelle des Antifaschistischen Aktionsbündnisses im Stadtteilladen Schwarze Katze in Gostenhof.

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