Antifa
Rück- und Ausblick
Eine
Grossdemonstration des nationalen Widerstands sollte es
werden, der Nazi-Aufmarsch am 6. September in Nürnberg. Die sog.
freien KameradInnen um den Hamburger Nazi-Millionär
Christian Worch und seinem regionalen Adlatus Gerd Ittner aus
Zirndorf wollten ganz groß in die Fußstapfen ihrer
nationalsozialistischen Vorbilder treten und wie damals vom
Reichsparteitagsgelände zum Hauptmarkt, dem ehemaligen
Adolf-Hitler-Platz marschieren. Doch Pustekuchen, gerade einmal 100
bundesweit angekarrte Möchtegern-Hitlers kamen nach Nürnberg.
Und diese dürfen sich auch noch artig bei der Stadt Nürnberg
bedanken, die zusammen mit der Polizeiführung die Nazis am
Reichsparteitagsgelände aufmarschieren liessen, obwohl genau das
die Gerichte verboten hatten. Als Dankeschön kommen sie bald
wieder und zwar am Samstag, den 29.11.03. Doch zunächst der
Rückblick:
Bereits
Wochen vor dem geplanten Nazi-Aufmarsch bildete sich in Nürnberg
ein breites antifaschistisches Bündnis, das im Konsens eine
Blockade der Nazi-Demo beschloss. Während radikale und autonome
AntifaschistInnen auf die eigene Mobilisierung bauten und im Vorfeld
dem Anmelder der Nazi-Demonstration, Gerd Ittner, am 30.08.03 in
Zirndorf einen Besuch abstatteten, um ihn dort aus seiner
bürgerlichen Anonymität zu zerren, versuchte der gemäßigte
Teil des Bündnisses händeringend die Nürnberger
Parteienprominenz zur Aktivität zu bewegen. Nachdem das
Nazi-Demo-Verbot der Stadt in letzter Instanz per Gerichtsurteil
aufgehoben wurde, als Auflage allerdings u.a. jede örtliche Nähe
zur nationalsozialistischen Vergangenheit ausgeschlossen werden
sollte, trauten so manche ihren Ohren nicht: Denn die Stadt
genehmigte in Absprache mit der Polizei den Nazis eine Kundgebung
direkt auf dem Reichsparteitagsgelände! Während das Bündnis
zur Antifa-Demo auf dem Aufseßplatz mobilisierte, um direkt zu
den Nazis auf dem Reichsparteitagsgelände zu ziehen, traf sich
das offizielle Nürnberg vor dem Dokumentationszentrum an der
Kongreßhalle zur eigenen Kundgebung. Unter anderem mit dabei,
Nürnbergs Oberbürgermeister Maly, der sich im Vorfeld schon
mal bei der Polizei für ihr besonnenes Vorgehen bedankte und
kein geringerer als Bayerns Innen- und Abschiebeminister Günther
Beckstein. Die Stadt der Menschenrechte war damit wieder einmal in
ihrem Element. Die besonnene Polizeistrategie begann bereits am
frühen Morgen am Aufseßplatz mit willkürlichen
Kontrollen und ersten Festnahmen. Bereits nach wenigen Metern griff
die Polizei die Demo, an der sich über 1000 Menschen
beteiligten, erstmals an. Ge- und Entschlossen ging die Demo
allerdings weiter, immer begleitet von zahlreichen
Polizeiprovokationen rund um die Demospitze. Noch bevor die Demo
überhaupt in die Nähe der Nazis kam, waren mehrere schwer
verletzte DemonstratInnen und Festnahmen zu verzeichnen, für
eine ältere Friedensaktivistin endete die Polizeibrutalität
mit einem mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt. Am
Reichsparteitagsgelände waren es schliesslich mehrere tausend
Menschen, die sich dem Nazihäuflein, grossflächig von der
Polizei abgeschirmt und beschützt, lautstark entgegenstellten.
Das
Antifa-Aktionsbündnis wertete in einer Stellungnahme die
Antifa-Demo als Erfolg, da sie sich mit dem Antifa-Block an der
Demospitze, den Redebeiträgen und zahlreichen Transparenten
nicht nur gegen die Nazis sondern auch gegen die herrschenden
Verhältnisse richtete. Stark kritisiert wurde die Stadt, die den
Nazis trotz Verbots auf dem Reichsparteitagsgelände eine
Kundgebung bewilligte sowie das eskalative Vorgehen der Polizei. Man
solle sich anschließend nicht wundern, wenn sich dadurch immer
mehr Jugendliche radikalisieren und die Polizei als das wahrnehmen,
was sie sehen: Staatliche Schlägerkommandos!
Für
Samstag, den 6.Dezember haben Worch und Ittner nun einen weiteren
Aufmarsch in Nürnberg angekündigt. Vom Hauptbahnhof aus
wollen sie in die Nürnberger Innenstadt, um sich anschließend
auf dem Christkindlesmarkt die Kante zu geben. Damit fährt Worch
nun auch in Nürnberg mit seiner Strategie fort, kurzzeitig
hintereinander zahlreiche Aufmärsche in einer Stadt
durchzuführen, um damit den Widerstand immer weiter zu
verkleinern. Die Frage ist nur, in wie weit seine eigene
Anhängerschar das Spiel noch lange mitmacht, zumal es
insbesondere in Nürnberg starke Streitereien innerhalb der
Nazi-Szene gibt. Ittner überwarf sich bereits vor Monaten mit
der BIA und den regionalen NPD-Kadern um Ralf Ollert, dem er
Homosexualität vorwirft, ein beliebter Schachzug innerhalb der
homophoben Herrenmenschenvereinigungen. Auch auf die FAF (Fränkische
Aktionsfront) ist Ittner nicht gut zu sprechen, hinter deren
aufgeblähten Strukturen sich nicht viel verberge. Ittner
seinerseits ist in der Region stark isoliert, die FAF mobilisierte am
Aufmarschtag in Nürnberg lieber zu einem Nazi-Konzert und liess
Ittner und seine Demo rechts liegen. Interessant sind allerdings auch
die Querverbindungen zwischen der FAF und der Münchner
Neonazi-Szene um den festgenommenen Michael Wiese und seiner
Kameradschaft Süd. Anfang September beschlagnahmte
die Polizei 14 kg Sprengstoff, darunter 1,7 kg TNT und mehrere
Waffen. Mehr als 10 Nazis aus dem Umfeld der Kameradschaft Süd
wurden mittlerweile festgenommen, die intensive Kontakte zur FAF
unterhält. Die enge Zusammenarbeit der FAF mit den Münchner
Neo-Nazis dauert seit etwa eineinhalb Jahren an. Dafür wurde
eigens eine sog. AG Bayern gegründet, in der sich
einerseits die FAF und andererseits das Nationale Infotelefon Bayern
sowie die Kameradschaft Süd zusammengefunden haben. Im
Medienhype um rechtsterroristische Entwicklungen, die laut der
Nürnberger Antifa-Recherche Gruppe aber weder eine neue Qualität
besitzen noch überraschend sind, ging ein ebenfalls in München
stattgefundener skandalöser Prozess gegen AntifaschistInnen
weitgehend unter. Der 78jährige Widerstandskämpfer und
KZ-Häftling Martin Löwenberg wurde zusammen mit einem
weiteren Angeklagten am 22.9.03 vor dem Amtsgericht München zu
einer Geldstrafe verurteilt, weil er am 30.11.02 auf einer Kundgebung
dazu aufrief, sich den eben genau jetzt festgenommenen Neonazis bei
ihrem Aufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung entgegenzustellen.
Der Prozess endete in tumultartigen Szenen, mehrere empörte
Zuschauer wurden des Gerichtssaals verwiesen.
Nach
Bekanntwerden eines erneuten Nazi-Aufmarsch-Versuchs in Nürnberg
am 6.12.03 beginnen bereits jetzt wieder die Vorbereitungen für
entschlossene Widerstandsaktivitäten. Nähere Infos und
Kontakt gibt´s jeweils Donnerstags um 19.30 Uhr in der
Anlaufstelle des Antifaschistischen Aktionsbündnisses im
Stadtteilladen Schwarze Katze in Gostenhof.