Die
Gefangenen müssen raus - der Kapitalismus muss weg!
Seit
Ende 2002 mischt der Staatsschutz die linke Szene in Magdeburg auf.
Am 27. November 2002 wurden Marco und Daniel, am 16. April 2003 wurde
Carsten in Haft genommen. Der Vorwurf gegen alle drei, sowie sechs
weitere sich noch in Freiheit befindende Personen, lautet nach §
129a Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.
Bei Marco kommt noch erschwerend hinzu, der Rädelsführerschaft
beschuldigt zu werden. Der terroristischen Vereinigung
werden nach der offiziellen Anklageschrift folgende (versuchte)
Brandstiftungen zur Last gelegt: Im August 2001 wurden unter der
Bezeichnung Revolutionäre Aktion Carlo Giuliani zwei
Autos einer Daimler-Chrysler Niederlassung angezündet. Am 17.
Februar 2002 entzündete ein Kommando globaler Widerstand
zwei Telekom-Fahrzeuge. Zum Tag der politischen Gefangenen bekannte
sich am 18. März 2002 ein Kommando: Freilassung aller
politischen Gefangenen zu zwei misslungenen Brandanschlägen
auf ein LKA-Gebäude in Magdeburg und einen Bus des BGS. Nach den
Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft soll sich die
Vereinigung Ende Mai 2002 aufgelöst haben.
Der
politische Kontext
Magdeburg
erlangte bisher bundesweit traurige Berühmtheit aufgrund immer
wieder kehrender rechtsextremer Übergriffe in den 90er Jahren.
Die Ermordung von zwei Punks und eine brutale Hetzjagd auf
Flüchtlinge durch die Magdeburger Innenstadt stellen dabei die
übelsten Auswüchse einer riesigen Latte alltäglicher
rechtsextremer Gewalt dar. Der rechts(extreme) mainstream führte
bei den letzten verbleibenden Linken Ende der 90er Jahre zum Wegzug.
Seit
dem sich nun in den letzten Jahren eine relativ neue
links-alternative Szene zusammenfindet, zückt der Staatsschutz
sämtliche Register, um emanzipatorische Ansätze in
Magdeburg zu unterbinden. In einem ersten Akt wurde im Sommer 2002
mit der Räumung der Ulrike, eines durch Besetzung
geschaffenen Hausprojektes, die linke Szene ihrer gesamten
Infrastruktur und Wohnmöglichkeiten beraubt. Die Zerstückelung
der Szene in einzelne Wohnprojekte ermöglichte dem Staatsschutz
die erforderlichen Observationen und Bespitzelungen durchzuführen,
die im November und April zu den drei Festnahmen und zahlreichen
Hausdurchsuchungen führten.
Aus
der im August veröffentlichten Anklageschrift gegen die drei
Inhaftierten wird deutlich, dass sich die Staatsschutzaktion gegen
den Autonomen Zusammenschlusz (AZ) richtet. Dieser seit
dem Jahr 2000 öffentlich arbeitenden linken Gruppe in Magdeburg
wird unterstellt, als Ursprung der terroristischen Vereinigung
fungiert zu haben. Neben Stadtteilarbeit und offenen Politikangeboten
konzentrierte sich der Autonome Zusammenschlusz bei der
Auswahl seiner politischen Schwerpunkte auf die Themenbereiche
Umstrukturierung, Globalisierung, Antirassismus und Antifaschismus.
Darüber
hinaus steckt das offensichtliche Interesse der Staatsschutzorgane
darin, über die Schnüffeleien in Magdeburg Einblick in die
seit einiger Zeit in der Berliner Szenezeitschrift Interim
geführte Militanzdebatte zu gewinnen. In dieser versuchen
verschiedene militante Gruppen, wie z.B. die weiter unten angeführte
mg, eine gemeinsame Plattform zu erarbeiten, die ein
einheitliches strategisches Vorgehen bundesweit ermöglichen
könnte.
Die
aktuellen Ereignisse und der Stand des Verfahrens
Nachdem
die BAW davon ausgeht, dass sich die terroristische
Vereinigung bereits auflöste, faßte das
Oberlandesgericht Naumburg den Beschluss, die Haftbefehle der drei
Inhaftierten gegen scharfe Auflagen außer Kraft zu setzen. Die
BAW legte gegen diese Entscheidung beim Bundesgerichtshof Beschwerde
ein. Aus diesem Grund sitzen die drei immer noch in U-Haft. Der
Beschluss des OLG bestätigt zwar den dringenden
Tatverdacht der Gründung einer terroristischen
Vereinigung, nachdem aber bereits von einer Auflösung der
Gruppe gesprochen wird, ist davon auszugehen, dass das OLG einen
Strafaufhebungsgrund nach § 129a, Abs. 5 und 6
anerkennen wird. Dies könnte in Bezug auf den § 129a
Straffreiheit bedeuten, jedoch nicht in Bezug auf die zu
verhandelnden Straftaten.
Unklar
bleibt weiterhin, wie sich eine solche Entscheidung auf die noch
laufenden § 129a-Verfahren auswirken würde. Selbst
wenn die drei Inhaftierten aus der U-Haft entlassen werden sollten,
wäre ihre Bewegungsfreiheit aufgrund strenger (Melde-)Auflagen
extrem eingeschränkt. Während des Hauptverfahrens werden
Observationen, Hausdurchsuchungen und Vorladungen auf jeden Fall
weiterhin laufen. Abgesehen davon, hat die Anwendung des § 129a
in der Vergangenheit bereits sein Ziel erreicht, indem monatelang
eine linke Szene komplett durchleuchtet wurde, Menschen an ihrer
politischen Arbeit gehindert und psychisch unter Druck gesetzt wurden
sowie drei Leute monatelang weggesperrt wurden. Der Prozess beginnt
am 21.10.03 in Halle.
Wenn
der Staat die Zähne zeigt, sorgen wir für Zahnausfall!
Einen
Monat nach der Anklageerhebung kam es zu Brandanschlägen auf
zwei sachsen-anhaltinische Justizeinrichtungen. Sowohl das
Dienstfahrzeug der Staatsanwaltschaft Naumburg, als auch die
Eichentür des Oberlandesgerichtes gingen in Flammen auf. Noch
bevor sich die militante Gruppe mg zur Tat bekennen
konnte und die Anschläge in Zusammenhang mit dem Angriff
der Bundesanwaltschaft gegen vermeintliche Angehörige
klandestiner Gruppierungen in Magdeburg bzw. gegen den u.a. von uns
initiierten Organisierungsprozess militanter Strukturen
stellen konnte, kommentierte Oberstaatsanwalt Neufang die Tat bereits
sehr treffsicher: Wir sind nun mal eine Behörde, die nicht
viel Freunde in der Bevölkerung hat.
Das
Ende des BekennerInnenschreibens vom 17. September lautet: Kampf
der Klassenjustiz! Die Freiheit von Marco, Daniel und Carsten
erkämpfen! Ebenfalls in diesem Sinne und um sich der
staatlichen Repression gegenüber linker Politik zur Wehr zu
setzen sowie den Kampf der Betroffenen gegen staatlichen Terror und
kapitalistische Ausbeutung zu unterstützen wird in Magdeburg
Mitte Oktober zu einer bundesweiten Demonstration aufgerufen, die von
zahlreichen autonomen Gruppen aus über 50 Städten
unterstützt wird und zu der selbstverständlich auch aus
Nürnberg ein Bus organisiert wird.
Das
§ 129a-Verfahren in Magdeburg und der dahinter stehende
Kriminalisierungsversuch linker Politik stellt in der bundesdeutschen
Geschichte kein Unikum dar. Die Schnüffelparagraphen 129/a/b
kommen immer dann zum Einsatz, wenn erfolgreiche linke Politik
unterbunden und systemkritischer Widerstand gebrochen werden soll. Im
bundesweiten Demo-Aufruf heißt es hierzu: So geht es im
momentanen Verfahren gegen Marco, Daniel und Carsten auch nicht um
das Weiterleben linksradikaler Politik im Allgemeinen. Auf
abstrahierter Ebene hingegen, geht es für uns aber darum in
welchem Maße wir - bzw. jegliche emanzipatorische Politik - in
Zukunft eine Chance auf politische Relevanz haben werden.
...Linksradikale Politik heißt die Verwertungsbedingungen zur
Disposition zu stellen, Widerstand gegen die Strukturen zu leisten
die Herrschaft und Ausbeutung reproduzieren, also gegen Kapitalismus
und die dazugehörigen Formen der Politik. .. Nicht wir haben uns
den Zwangsverhältnissen anzupassen sondern die Verhältnisse
den Bedürfnissen der Menschen. Und das geht nur ohne Ausbeutung,
Patriarchat, Rassismus und Antisemitismus.
Linke
Politik verteidigen!
Freiheit
für Marco, Daniel und Carsten!
Bundesweite
Demo in Magdeburg am 25. Oktober 2003 | Busfahrkarten gibt´s im
Libresso, Bauerngasse 14, oder in der Schwarzen Katze, Mittlere
Kanalstr. 19 - während der Vokü¸ (Montags ab 19 Uhr),
bzw. in der Anlaufstelle des Antifaschistischen Aktionsbündnisses
(Donnerstags ab 19.30 Uhr).