FREE
PAULO
Vor
über 8 Monaten, am 21. Januar 2003 wurde der 29jährige
Baske Paulo Elkoro unter dem Vorwurf der Mitgliedschaft und
Unterstützung der ETA in Nürnberg festgenommen und befindet
sich seither unter verschärften Sonderhaftbedingungen im
Gefängnis München-Stadelheim. Ihm wird per spanischem
Haftbefehl vorgeworfen, u.a. an einem ETA-Anschlag auf einen
spanischen Militärstützpunkt 1997 in Araca beteiligt
gewesen zu sein. Nach seiner Festnahme stellte die spanische
Regierung einen Auslieferungsantrag. Während das Nürnberger
Oberlandesgericht am 4. August seine Auslieferung an Spanien für
zulässig erklärte, kämpfen Solidaritätsgruppen,
UnterstützerInnen und Rechtsanwälte für seine
Freiheit. Denn im Baskenland steigt die Repression des spanischen
Staates gegen die linke Unabhängigkeitsbewegung Tag für
Tag: Verbote, Verhaftungen und Folter stehen auf der Tagesordnung.
Folter
und Deutsche Gerichte
Ganz
konkret um Folter geht es auch im Fall Paulo Elkoro, denn die
Aussagen gegen ihn wurden in Spanien durch Folter erpreßt.
Während die spanischen Behörden von rechtmäßigen
Verhören sprechen, erheben zwei in Spanien verhaftete
Mitbeschuldigte, die einzigen, die Paulo belasten, schwere Vorwürfe
gegen den spanischen Staat. Sie wurden von der Guardia Civil während
der sog. Incomunicado-Haft misshandelt, gefoltert und gezwungen,
gegen Paulo auszusagen, u.a. mit Elektroschocks an den Hoden und
unter den Achseln und der sog. Tüte, das Überziehen
einer Plastiktüte über dem Kopf, die am Hals festgebunden
wird, bis die Erstickung droht. Für die Entscheidung des
Nürnberger Strafsenats beim Oberlandesgericht spielten diese
Aussagen allerdings keine Rolle, denn es gibt keinerlei Gründe,
so das OLG, den Angaben der spanischen Behörden zu misstrauen.
Schliesslich sei Spanien ein Rechtsstaat und EU-Mitglied.
Laut
dem baskischen Antifolterkomitee TAT wird in Spanien aber
systematisch gefoltert und die Liste der Foltermethoden könnte
noch beliebig erweitert werden: Scheinhinrichtungen, Schlafentzug,
der sog. Aufzug, bei #dem nackt und unter Schlägen
Kniebeugen gemacht werden müssen, sexuelle Misshandlungen oder
die sog. Badewanne: Hierbei werden die Opfer bis zum
Verlust des Bewusstseins unter Wasser getaucht. Über 5000
Folterfälle wurden im demokratischen Spanien der
letzten 25 Jahre registriert, 112 davon alleine im vergangenen Jahr.
Selbst amnesty international, die UNO-Kommission für
Menschenrechte und das Antifolterkomitee des Europarates kritisieren
die Anwendung von Folter in Spanien. Gegen die
Auslieferungsentscheidung des Nürnberger Oberlandesgerichts
wurde nun eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht
eingereicht, da schliesslich auch in der EU die Antifolterkonvention
der UN gilt, die ein Beweisverwertungsverbot bei Folter vorsieht. In
einem ähnlichen Gerichtsverfahren in Frankreich hatte erst im
Mai diesen Jahres ein Gericht die Auslieferung von mutmaßlichen
ETA-Aktivisten an Spanien genau aus diesen Gründen verweigert.
Dass Paulo selbst bei einer Auslieferung an Spanien von Folter
bedroht ist, zeigt der Fall eines baskischen Flüchtlings, der
kürzlich von Mexiko nach Spanien abgeschoben und gefoltert
wurde.
Paulos
Hungerstreik
Paulo
Elkoro selbst streitet die Vorwürfe gegen ihn ab, im Gegenteil,
er erhebt seinerseits schwere Anklagen gegen den spanischen Staat und
vergleicht die aktuelle Situation sogar mit der Zeit der
Franco-Diktatur: Es gibt mit 670 mehr politische Gefangene als
unter Franko. Mehr als 2000 Basken und Baskinnen befinden sich aus
Angst vor Diskriminierung, Verhaftung oder Folter auf der Flucht oder
im Untergrund und ihre Zahl wird immer größer. Als
linker Unabhängigkeitsaktivist war er u.a. Mitglied der
mittlerweile verbotenen baskischen Jugendorganisation Jarrai. Aus
Angst vor Verhaftung und Folter ging er in die Illegalität und
floh als 1998 die Guardia Civil in seiner Heimatstadt Bergara eine
2-tägige Razzia durchführte und dabei willkürlich
mehrere Menschen verhaftete und folterte. Nachdem auch Paulos
Asyl-Antrag als politisch Verfolgter, den er nach seiner Festnahme in
Deutschland stellte, vom Nürnberger Bundesamt Mitte August als
unbegründet abgelehnt wurde, begann er am
1. September 2003 einen 30-tägigen Hungerstreik im
Gefängnis München-Stadelheim, um auf seine Weise und mit
seinen Möglichkeiten gegen die Gerichtsentscheidungen zu
protestieren. In seiner Hungerstreikerklärung schreibt er:
Wer
hat dem spanischen König das Recht gegeben, das Baskenland die
Unabhängigkeit zu geben oder zu verweigern, wenn nicht Franko,
der erfolgreichste Diktator Westeuropas. Mit Hilfe von Hitler und
Mussolini liess er im sog. spanischen Bürgerkrieg
die baskische Zivilbevölkerung bombardieren oder dachte sich
andere Grausamkeiten aus. Wer hat der Madrider Regierung das Recht
gegeben, unsere Zeitungen und politischen Parteien zu verbieten und
deren Repräsentanten zu foltern? Oder die tapferen baskischen
Jugendlichen zu kriminalisieren? Und wer hat dem autoritären
spanischen Präsidenten Aznar das Recht gegeben, die Basken in
Europa und in der Welt zu vertreten? Nicht das Baskenland!
Ein
völkerrechtliches Prinzip ist das sog. Selbstbestimmungsrecht,
das jedem Volk - also auch den Basken - garantiert, über seine
Angelegenheiten selbst zu bestimmen. Wenn Madrid dieses Recht nicht
respektiert (obwohl Spanien die entsprechenden Verträge
unterschrieben hat), werden wir es uns eben selber nehmen, denn das
ist heute der einzig sichtbare Weg, um den Konflikt zu beenden. Die
Frage, die sich Deutschland stellt, ist nicht, ob Madrid dem
Baskenland sein Selbstbestimmungsrecht gewährt, sondern ob
Deutschland dieses Selbstbestimmungsrecht anerkennt oder ob es die
aggressive Haltung der Regierung Aznar unterstützt. Seit Anfang
September bin ich im Gefängnis München/Stadelheim im
Hungerstreik. Das ist meine Form des Protestes gegen die
rechtswidrige und blinde Zusammenarbeit des OLG-Nürnberg mit dem
Folterstaat Spanien.
Die
Solidaritätsaktionen
Nachdem
bereits im März eine Kundgebung zur Solidarität mit Paulo
vor dem Münchner Gefängnistrakt stattfand, versammelten
sich auch am 14. September zahlreiche UnterstützerInnen vor
der Knastmauer in Stadelheim, um Paulo in seinem Hungerstreik-Protest
zu unterstützen und dafür Öffentlichkeit zu schaffen.
In ihrem Redebeitrag ging die organisierte autonomie (oa) dabei auch
auf die aktuelle Situation im Baskenland ein: Der spanische
Staat geht mit allen erdenklichen Mitteln gegen die linke baskische
Unabhängigkeitsbewegung vor. Die gesamte Bewegung wird
kriminalisiert. Parteien und Organisationen werden verboten, die bis
zu 15% der WählerInnenstimmen hinter sich hatten, Zeitungen und
Schulen, Unternehmen und Kultureinrichtungen, sie alle stehen unter
dem Pauschalvorwurf der Unterstützung der ETA. Doch sie werden
verboten und verfolgt, weil sie ein unabhängiges Baskenland
wollen, jenseits der Jahrhunderte alten Unterdrückung durch den
spanischen Staat. Sie werden verboten und verfolgt, weil sie
Unabhängigkeit und Sozialismus wollen, weil die Rebellion tief
in der Bevölkerung verwurzelt ist und sie mitunter die größte
linke Bewegung in Europa darstellen. Bereits im April fanden in
Nürnberg und München Informationsveranstaltungen zur
aktuellen Situation im Baskenland statt, wo u.a. Vertreter des
baskischen Antifolter-Komitees TAT, der verbotenen Jugendorganisation
SEGI und der baskischen Gewerkschaft LAB von den unterschiedlichen
Kämpfen im Baskenland und über die Repression des
spanischen Staates berichteten. Die Nürnberger Ortsgruppe der
Roten Hilfe e.V. organisierte eine Postkartenaktion zur Solidarität
mit Paulo, eine Nürnberger Solidaritätsgruppe wendete sich
an Medien und PolitikerInnen und auch im Internet wird unter
www.intsol.de/paulo hintergründig und aktuell berichtet. Während
des 30-tägigen Hungerstreiks fanden in Paulos Heimatstadt
Bergara täglich Kundgebungen statt und in den baskischen Medien
wird über den Fall breit informiert.