Freedom
of movement is everybody`s right, we are here and we will fight!
Die
Aktionstage gegen das Abschiebelager in Fürth vom 11.-14.
September -
Bis
zu 800 Menschen beteiligten sich Mitte September an den zahlreichen
Aktivitäten gegen das Abschiebelager in der Fürther
Hafenstraße und dem dahinterstehenden institutionellen
Rassismus in der BRD und in Europa. Die Organisation der Aktionstage
übernahm das Aktionsbündnis für offene Grenzen
und Bewegungsfreiheit, das sich aus einer Nürnberger
Vorbereitungsgruppe, Flüchtlingsorganisationen wie The Voice aus
Jena und der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und
MigrantInnen sowie vielen Gruppen aus der Kampagne gegen Abschiebung,
Knäste und Lager (3A) zusammensetzte.
Deutschland
= Lagerland
Nach
einem Jahr Abschiebelager in Fürth wird die Forderung nach
Schließung des Lagers immer dringlicher. Etwa die Hälfte
der eingewiesenen Flüchtlinge entzog sich inzwischen der
menschenverachtenden Lagerpraxis mit ihren alltäglichen
Kontroll- und Überwachungssystemen, dem beständigen
Psychoterror durch Verhöre und der aufgezwungenen Isolation,
indem sie in die Illegalität abtauchten. Die im Lager
verbleibenden Flüchtlinge weisen inzwischen psychische
Beschwerden wie Depressionen, Angstzustände, Alpträume,
Appetit- und Schlaflosigkeit auf oder neigen zu Alkoholmissbrauch
oder aggressivem Verhalten.
Abschiebelager
stellen in Deutschland kein isoliertes Phänomen einer ansonsten
humanen Flüchtlingspolitik dar. Sie bilden nur das
Bindeglied eines flächendeckenden Lagersystems, durch das
Flüchtlinge von ihrer Aufnahme in der Zentralen Aufnahmestelle
und ihrer Umverteilung in Sammellager (=
Sammelunterkünfte) bis hin zum Abschiebeknast geschleust werden.
Vier
Tage phantasievollen Widerstands
Bereits
am Donnerstag trafen etwa 200 Leute, etwa die Hälfte davon mit
Migrationshintergrund, auf dem Aktionscamp unter der Ludwigsbrücke
in Fürth ein. Neben dem Auftaktplenum stand für den ersten
Tag nur noch Abendsport in der Hafenstraße auf dem Programm.
Denn wer/welche die Flüchtlinge im Abschiebelager wirklich
begrüßen wollte, musste sich erst dem modernen In-Sport
De-Fencing: Fence-Jumping, Fence-Climbing, Fence-Jiggling und
Fence-Digging hingeben, um die 2,20m hohe Umzäunung erfolgreich
zu überwinden. Letztendlich konnten trotz Dauer-Nieselregen dank
der 150 anwesenden Sport-Freaks einige neue Rekorde erzielt werden.
Am
Freitag kam es zu zahlreichen dezentralen Aktionen in Fürth und
Nürnberg. Während die einen den SchreibtischtäterInnen
im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im
Bau der ehemaligen SS-Kaserne einen Besuch abstatteten, bemühten
sich andere gemäß dem Motto lieber blaumachen als
krummschuften, den Wassersäulen vor der Nürnberger
Bundesanstalt für Arbeit einen frischen Blauton zu verleihen. In
der FÜrther Innenstadt wurden Aktionen gegen rassistische
Kontrollen und für die Anerkennung frauenspezifischer
Fluchtgründe durchgeführt, sowie Fragebögen verteilt,
die im Zuge der Anti-Terror-Gesetze an Menschen
verschickt wurden, die aus islamischen Ländern kommen. Eine im
Fürther Gewerkschaftshaus abgehaltene Pressekonferenz, in der
die sofortige Abschaffung aller Abschiebelager gefordert wurde, war
für Bayerns Innenminister Günter Beckstein (CSU) Anlass
genug, wieder einmal zu rhetorischer Höchstform aufzulaufen: Ein
Forum für die linksextremistisch infiltrierten Aktionstage
gegen das Ausreisezentrum zu bieten, warf er dem DGB vor und
die DGB-Vorsitzende bezeichnete er als eine Fürsprecherin
des Asylmissbrauchs.
Eine
Diskussionsveranstaltung mit AktivistInnen aus Deutschland, Italien
und einigen Nicht-EU-Ländern auf dem Podium beendete den Tag.
Ausgehend von der Fragestellung Wie hängt Deine Befreiung
mit meiner Befreiung zusammen? sollten Möglichkeiten einer
besseren Vernetzung der unterschiedlichen AktivistInnengruppen
gefunden werden.
Zur
zentralen Demonstration der Aktionstage am Samstag kamen etwa 800
Menschen. Die lange Route von der Fürther Freiheit zum
Abschiebelager entsprach dem Weg, den die im Lager lebenden
Flüchtlinge ständig zu Fuß zurückzulegen haben.
Am Abschiebelager angekommen, hatte nach dem langen Fußmarsch
kein mensch mehr Lust auf sportliche Aktivitäten, wie die Tage
zuvor, so dass kurzerhand ein Teil des Zaunes niedergerissen wurde.
Von staatlicher Seite folgten Hunde-, Schlagstock- und
Pfeffersprayeinsatz sowie zahlreiche Festnahmen. Aufgrund der
massiven polizeilichen Repression war eine Spontandemo erforderlich,
um wieder sicher ins Camp zurück zu gelangen. Eine weitere
Spontandemonstration gegen Polizeigewalt folgte. Die polizeilichen
Übergriffe drückten die Stimmung auf dem
anschließenden Open-Air-Konzert nur unwesentlich, das vom
SchülerInnenbündnis gegen den Krieg auf dem Camp-Gelände
organisiert worden war.
Wenn
auch nicht offiziell geladen, so wollten sich am Sonntag doch einige
Leute die Nürnberger Menschenrechts-Preisverleihung unter Edmund
Stoiber und Otto Schily nicht entgehen lassen. Wie ernst es Nürnberg
mit den Menschenrechten wirklich ist, bekamen alle zu spüren,
die von der Bühne gejagt wurden und von der Polizei an ihrem
Recht auf freie Meinungsäußerung gehindert wurden. Nach
Abschlussplenum und Abbau stand für die meisten die Heimreise
auf dem Programm. Für den Bus aus Jena endeten die Aktionstage,
wie sie begannen: die thüringer Polizei nahm alle InsassInnen
mit auf die Wache und hängte ihnen Busgeldverfahren (zum zweiten
Mal innerhalb von 4 Tagen!) wegen Residenzpflichtverletzung an.
Spenden sind jederzeit willkommen: Förderverein für die
Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen - Kontonr.: 350 18 17,
BLZ: 760 605 61, Acredobank eG Nürnberg, Stichwort
Residenzpflicht.
Fazit
Die
bayerische Obrigkeit hatte es tatsächlich geschafft, sich für
ihre Verhältnisse zurückzuhalten. Nach den Übergriffen
auf das Anti-Grenzcamp in Köln war bereits schlimmstes
befürchtet worden. Allerdings war der Zeitpunkt für das
Camp optimal gewählt. Zu hoch wäre der Verlust Nürnbergs
gewesen, sich die werbeträchtige Image-Kulisse der
Menschrechtspreisverleihung durch prügelnde Polizeikräfte
verderben zu lassen.
Die
OrganisatorInnen waren mit sich und dem geleisteten zufrieden - und
das dürfen sie auch. Die Anzahl der Beteiligten, die zahlreichen
Aktionen, das Medienecho und die vehementen rassistischen Pöbeleien,
mit denen die AktivistInnen immer wieder konfrontiert waren, sprechen
dafür, dass es nicht die letzten Aktionstage gegen Lager und
Rassismus gewesen sind. Jedes Lager ist ein Lager zuviel! Das Lager
in Fürth konnte bis jetzt nicht zu Fall gebracht oder
geschlossen werden, aber: Heute ist nicht alle Tage, wir kommen
wieder - keine Frage!