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Aufbau F
Die Flora und die Bauwut
Die Ruine 1989
Da die Arbeit in einer Ruine aufgenommen wurde, war von Anbeginn
das Bauen eines der bestimmenden Momente des Lebens in der Flora.
Bereits im Winter 1988/89 wurde zur Winterfestmachung aufgerufen,
um das Haus zumindest rudimentär zu schützen. Die offizielle
Übergabe und die Besetzung schließlich bedeuteten auch,
Elektrizität zu verlegen, Fenster abzudichten und was sonst
alles noch zur Bestandssicherung eines Hauses gehört. Als eine
der ersten Maßnahmen wurde die herausgebrochene Rückwand
zumindest provisorisch mit einer Holzkonstruktion versehen.
Handwerkliche Fähigkeiten wurden von eigentlich allen NutzerInnen
des Gebäudes verlangt, um nach und nach die Ruine zu sichern.
Das bestimmende Problem der Anfangsjahre war zweifellos die fehlende
Heizung. Im Winter zogen die meisten Gruppen aus, da es vor Kälte
nicht auszuhalten war, auch wenn es dann und wann als Ausweis revolutionärer
Gesinnung missverstanden wurde. Geheizt wurde mit einigen Öfen.
Es entstand im Laufe der Jahre eine Mischung aus Kohle-, Holz- und
Heizölöfen, die mehr schlecht als recht etwas Wärme
abgaben.
Zu Werkeln war und ist immer etwas, und es können hier nicht
all die kleinen und großen Aktionen aufgezählt werden,
die das Haus zu dem machten was es schließlich wurde. Mit
der Baugruppe fand sich Anfang der 90er ein Kreis von HandwerkerInnen
und anderen interessierten Personen zusammen, die ihr Können
in der Flora unter Beweis stellten. Allerdings wurden der Baukombo
der Flora nicht alle Aufgaben aufgebürdet. Auch weiterhin mussten
und müssen fast alle im Haus sich damit auseinandersetzen,
sich irgendwelche handwerkliche Fähigkeiten anzueignen.
Der antiakustische Schutzwall
Die anfangs errichtete rückwändige Holzkonstruktion war
kein ausreichender Schutz gegen Kälte, vor allem aber war sie
extrem lärmdurchlässig. Da sich immer auch um das Befinden
der NachbarInnen gesorgt wurde, wurde 1992 beschlossen, eine feste
Rückwand zu mauern. Hierzu waren erhebliche Geldmittel nötig,
die über Konzerte und Spenden eingetrieben wurden.
Mit der Hilfe von reisenden GesellInnen wurde schließlich
die Wand hochgezogen und sicherte so zumindest etwas die Ohren der
AnwohnerInnen. Natürlich war das Lärmproblem dadurch nicht
gelöst, und bis Ende der 90er Jahre wurde auch die vorderseitige
Wand verstärkt und verdoppelt, ebenso Stahltüren eingezogen.
Trotz allem auch der Einlass über den Seiteneingang
hatte anfangs akustische Gründe gibt es eine Beschränkung
von Großveranstaltungen, um die Lärmbelästigung
auf ein vertretbares Maß zu reduzieren.
Was bauen die da?
Natürlich waren die Verhandlungen 1992 auch Anlass, sich über
den Umbau des Hauses Gedanken zu machen. Eine Realisierung fand
ja glücklicherweise nicht statt. Aber in Eigeninitiative wurde
1994 mit dem Bau von neuen Klos am Seiteneingang begonnen. Die Baugruppe
hatte neben Klos auch Duschen konzipiert, und es entstand ein komplett
neuer Anbau, in dem zuerst die Frauenklos fertig waren. Allerdings
zieht sich die Fertigstellung der gesamten Anlage bis heute hin,
1998 wurden immerhin auch die Männerklos fertig, und die unerträglichen
Siffklos hinter der Vokü konnten endlich geschlossen werden.
Diese Bauaktivität führte sogar zu einer Kleinen Anfrage
eines SPD-Abgeordneten, der sich um die fehlende Baugenehmigung
sorgte. Listigerweise war der Anbau jedoch von einem Architekten
statisch perfekt durchgerechnet worden, und unter der Hand wurde
der Anbau von der Baubehörde legalisiert, immerhin sollte auch
ein Behindertenklo errichtet werden, von denen es im Schanzenviertel
nur wenige gibt. (Aber bis heute ist das Behindertenklo nicht fertig!!)
Diese kleine Episode wirft ein bezeichnendes Licht auf den Besetzungsstatus
der Flora: immer wieder changiert es zwischen Duldung und heimlicher
Anerkennung durch die Behörden.
28. November 1995: das scheinbare Ende
Den schwersten Einbruch in der Geschichte der Flora war sicher der
Brand vom 28. November 1995. Im Archiv der Sozialen Bewegungen war
ein Feuer ausgebrochen, das das Dach vernichtete und den ersten
Stock unbrauchbar machte. Der Grund ist bis heute nicht bekannt;
die Bullen schrieben zwar im Abschlußbericht, dass es wohl
ein technischer Defekt gewesen sei, konnten aber auch nicht sagen,
worin der bestanden haben soll. Dass auch ein Anschlag denkbar ist,
belegen ein Loch in der Archivwand und eine aufgebrochene Vokü-Tür.
Allerdings fehlt ein Brandbeschleuniger.
Als in der Nacht viele NutzerInnen vor dem Gebäude standen
und fassungslos der Feuerwehr bei ihren Löscharbeiten zuschauten,
schien das Ende unvermeidlich. Aber mit einer überraschenden
Energie wurde sich noch am nächsten Abend dem Wiederaufbau
gewidmet. Das Gebäude wurde gleich wieder in Beschlag genommen,
im Keller wurde eine Not-Vokü eingerichtet und erste Aufräumarbeiten
begonnen. Hierbei half eine unvorstellbare Unterstützungswelle
aus der ganzen Republik. Es wurden an die hunderttausend Mark Spenden
gesammelt, handwerklich geschickte Leute kamen zum Wiederaufbau,
die ersten Arbeiten erfolgten teilweise mit mehreren hundert Personen.
Am zügigsten war die Erstellung des Daches: Noch im Dezember
1995 wurde ein zwar als Notdach bezeichnetes, jedoch sogleich auf
Dauer angelegtes Dach gezogen, der erste Stock vom Brandschutt entrümpelt
und ein neuer Fußboden gelegt. Die Stimmung, wie so oft bei
Bedrohungen von außen, war besser als in vielen Frustmomenten
vorher.
Aber eine solch hohe Mobilisierung lässt sich nur begrenzte
Zeit halten. Nach den Weihnachtsferien 1995 blieb die kontinuierliche
Arbeit an immer weniger Leuten hängen; 1996 fertiggestellte
Räume wie die Vokü ermöglichten eine
fast normale Nutzung, während der Erste Stock vor sich hinschimmelte.
Die Jahre danach waren eigentlich ständig von irgendwelchen
Baumaßnahmen begleitet. Baumaßnahmen im ersten Stock
wurden durch die Besetzungsaktion von IZI 1997 beflügelt, aber
erst seit Ende 1998, mit der Rückkehr der Archive in die Flora,
wurde der erste Stock wieder im alten Maßstab genutzt.
Bauen in der Flora ist ein work in progress. Viele Arbeiten
so die Galerie im Archivraum wurden dabei von befreundeten
HandwerkerInnen vorgenommen, da trotz der Verpflichtung der NutzerInnen
zur Bautätigkeit viele Arbeiten nur von Fachleuten erledigt
werden können. Dazu gehört auch der größte
Schritt nach dem Brand: es wurde eine Gasheizung installiert, die
inzwischen das gesamte Gebäude fast schon mollig warm hält.
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