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Vor- und Frühgeschichte der Flora
Dora,
komm in die Flora" - hundert Jahre vor der Besetzung
Die Geschichte der Flora ist natürlich älter als die
zehnjährige Besetzung. Ab den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts
befand sich an diesem Ort ein Ausflugsgarten, und 1888 wurde der
jetzt noch stehende Gebäudeteil als "Concerthaus Flora"
erbaut. Der Name leitete sich von einem künstlichen Garten
mit Hunderten Lampen in Blütenkelchen ab, der auf dem Gelände
angelegt war. Das Gebiet um das Schulterblatt sollte auf Altonaer
Seite der hamburgischen Reeperbahn Konkurrenz machen, neben der
Schilleroper damals als fester Zirkus erbaut entstand
im heutigen Flora-Park der Kristallpalast, eine große Glaskonstruktion,
als Zentrum für Operette, Varieté und andere Vergnügungen.
Aber der Charakter eines Gebäudes ergibt sich immer nur aus
den Menschen, die es nutzen. Dies scheint manchmal vergessen zu
werden, wenn alte Stilelemente aus dem Programm der früheren
Flora auch heute noch dann und wann genutzt werden, um dem besetzten
Zentrum eine längere Kontinuität zu verleihen und sentimentale
oder ironische Anschlüsse an vergangene Zeiten zu suchen.
So hieß es 1990 in einem Flugblatt: "1964 wurde die Tradition
des Gebäudes als Kulturzentrum mit dem Einzug einer Haushaltswarenkette
unterbrochen." - und 1989 wieder aufgenommen, wäre zu
ergänzen.
Paul Lincke, bekannter Operettenkomponist Anfang dieses Jahrhunderts,
dichtete zu der Blütezeit des Konzerthauses sogar einen "Flora-Marsch":
"Dora komm in die Flora
die so viele Reize hat.
Sie liegt am Schulterblatt,
ist ganz in deiner Näh,
das schönste Varietè"
Möglicherweise wäre bereits damals Widerstand gegen das
Umstrukturierungsprojekt berechtigt gewesen, who knows? Zumindest
wenn Veranstaltungen wie Militärmärsche abgehalten wurden
oder andere nationalistische Jubelfeiern. Auswirkungen auf den Stadtteil
hatte das Riesenvergnügungszentrum auch damals schon.
Die Geschichte des Gebäudes ist nach dem Ersten Weltkrieg eine
Geschichte des langsamen finanziellen Abstiegs. Boxkämpfe,
ein Kino und weiterhin Operetten- und Varietéaufführungen
bestimmen den Charakter des unzweifelhaft beliebten Veranstaltungshauses.
Ein Altkommunist benutzte es später als Beispiel für unpolitisches
Verhalten: "Während die Kommunisten in diesen ersten Tagen
von Hitlers Kanzlerschaft ihre Flugblätter verteilten, beschäftigten
sich andere Eimsbüttler mit anderen Sensationen: (...) Im Varieté
Flora am Schulterblatt treten ein Fakir und Austin, das boxende
Riesenkänguruh, vor vollem Haus auf." (Helmut Warnke)
Den zweiten Weltkrieg überstand die Flora weitgehend unbeschädigt,
der zweite Stock wurde erst in den fünfziger Jahren abgetragen.
Da es an großen Veranstaltungsorten mangelte, fand kurz nach
dem Krieg eine Veranstaltung der politischen Verfolgten des Naziregimes
statt ein tatsächlich begründeter Anschluss an
die Geschichte des Hauses. Die Zeit der großen Varietés
war jedoch vorbei, und die Flora wurde 1953 zum Kino umgebaut, das
aber angesichts der Verbreitung des Fernsehers bald wieder einging.
1964, das Gebäude war von der Stadt gekauft worden, zog der
Discountmarkt "1000 Töpfe" ein.
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