Vorwort
Rainer Ahues
Was ist eine kriminelle, was eine terroristische Vereinigung?
Eine kurze Darstellung staatsanwaltlicher und gerichtlicher
Feststellungen über "Substrukturen" innerhalb der PKK
Prof. Dr. Andreas Buro
PKK/KADEK-Verbot oder Versöhnungspolitik?
Dr. Rolf Gössner
Migrant(inn)en unter Generalverdacht?
Zu den Auswirkungen des staatlichen "Anti-Terror"
- Kampfes
Michael Heim
Die Einbürgerung türkischer Staatsangehöriger und
das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung
Mark Holzberger
War da was?
Das PKK-Verbot im Bundestag
Duran Kalkan
Kurden brauchen Anerkennung
Mehmet Demir
Kurdische Freiheit in und über Deutschland
Marei Pelzer
Asylrecht im Wandel
Von der Grundgesetzänderung zum Terrorismusbekämpfungs-gesetz
Dr. Heinz Jürgen Schneider
Der Anti-Terror-Paragraf 129a und seine Praxis
Monika Morres / Günther Böhm
Azadi - Freiheit - Özgürlük: Solidarität
gegen Unterdrückung und Freiheitsberaubung
Dokumentation:
Urteil des Bundesgerichtshofs wegen Zuwiderhandelns
gegen vereinsrechtliches Betätigungsverbot
Interview mit Engin
Sönmez zum Prozess gegen Heyva Sor a Kurdistane
Abkürzungen
Autor(inn)enverzeichnis
Chronologie
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Dokumentation:
Urteil des Bundesgerichtshofs wegen Zuwiderhandelns gegen vereinsrechtliches
Betätigungsverbot
Mit
der Übergabe der ersten rund 1 500 Unterschriften und einer Kundgebung
vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf begann am 13. Juni 2001 die europaweite
Identitätskampagne "Auch ich bin PKKler/in", an der sich allein
in Deutschland über 40 000 Kurdinnen und Kurden beteiligt haben. Mit ihrer
Unterschrift forderten sie u.a. die europäischen Staaten auf, ihre Rolle
bei der Lösung der kurdischen Frage zu spielen und kritisierten die destruktive
Verbotspolitik Deutschlands. Sie forderten die "Aufhebung sämtlicher
Verbote, die sich gegenüber der PKK in Anwendung befinden". Sie erklärten,
das Verbot nicht anzuerkennen und die Verantwortung zu übernehmen, die
sich daraus ergibt.
Die Reaktion der Strafverfolgungsbehörden war und ist nicht einheitlich.
Dennoch: Kurdinnen und Kurden, die diese Selbstbezichtigung unterschrieben
haben, werden seither flächendeckend mit Strafanzeigen, Prozessen und
Geldstrafen überzogen. Dies gilt insbesondere für politisch aktive Menschen.
Wir wollen exemplarisch den Fall einer Kurdin dokumentieren. Sie war vom
Landgericht (LG) Düsseldorf wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz
zu einer Geldstrafe von 600,- Euro verurteilt worden und hat dagegen Widerspruch
eingelegt.
Am 28. März 2003 bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) die Begründung
des LG Düsseldorf und billigte dessen Urteil, weil die Kurdin mit ihrer
Unterschrift zum Ungehorsam gegen das Verbot aufgefordert habe.
Nachfolgend
dokumentieren wir das Urteil des BGH im Wortlaut:
Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 27. März 2003 in der Strafsache gegen wegen
Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot (3StR377/02)
“Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
hat (...) für Recht erkannt:
Die
Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf
vom 1. Juli 2002 wird verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten
ihres Rechtsmittels zu tragen.
Von
Rechts wegen Gründe:
Das Landgericht hat die Angeklagte
wegen einer Zuwiderhandlung gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot
zu einer Geldstrafe (...) keinen Erfolg.
I. 1. Nach den Feststellungen
beschloß der Präsidialrat der durch Verfügung des Bundesministers des
Inneren vom 22. November 1993 mit einem Betätigungsverbot nach § 18 Satz
2 VereinsG belegten Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) eine großangelegte
Kampagne, bei der sich ihre Anhänger ab dem 31. Mai 2001 an deutsche Behörden
wenden, sich als PKK-Sympatisanten bekennen und die Aufhebung des PKK-Verbotes
fordern sollten. Erklärtes Ziel der Aktion war auch, durch eine möglichst
große Beteiligung eine so große Zahl von Strafverfahren herbeizuführen,
daß den Strafverfolgungsbehörden eine Sanktionierung von Verstößen gegen
das Betätigungsverbot gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG erschwert, wenn
nicht unmöglich gemacht werde. Dementsprechend hieß es in einer Werbung
für die Aktion im Internet, "...daß die, die das Problem geschaffen
haben, damit auch in ihrem eigenen System fertig werden müssen".
Im Rahmen dieser Kampagne fand
am 20. Juni 2001 vor dem Landtagsgebäude in Düsseldorf eine angemeldete
und genehmigte Versammlung von überwiegend weiblichen kurdischen Teilnehmern
statt, bei der mit Plakaten Freiheit für Öcalan und Frieden für Kurdistan
gefordert wurde. Bei dieser Veranstaltung wurde einem Mitglied des Landtags
ein Ordner mit 273 Selbstbezichtigungsschreiben übergeben, die mit "Auch
ich bin eine PKK'lerin" überschrieben waren und in denen ein Bekenntnis
zu den politischen Zielen der PKK, insbesondere zur Freiheit für das kurdische
Volk und seinen "nationalen Führer" Öcalan abgelegt wurde. Die
Erklärungen, in denen ferner gegen das Betätigungsverbot protestiert und
dessen Aufhebung gefordert wurde, lauten: "Selbsterklärung: 'Auch
ich bin eine PKK´lerin'”.
Während die Geschichte, die Sprache und die Kultur des kurdischen Volkes
als nicht vorhanden gezählt wurde, war auch die Frau in einer Position,
in der ihre Existenz geleugnet und ihre Identität nicht anerkannt wurde.
In diesem Sinne sind die gerechtfertigten Forderungen des kurdischen Volkes
gleich den Forderungen der kurdischen Frau. Deshalb fordern die kurdischen
Frauen noch mehr als alle anderen Sektoren, dass ihre nationale und politische
Identität offiziell anerkannt wird und dass jegliche Verbote zum freien
Ausdruck ihrer Identität aufgehoben werden.
Die Arbeit zur Freiheit der kurdischen Frau ist eine der wichtigsten Werte,
die unser 20jähriger Kampf geschaffen hat. Der nationale Befreiungskampf
unter der Führerschaft der PKK ist von einem Gesichtspunkt auch der Kampf
um die Schöpfung der Frau. Durch diesen Kampf hat die Frau zusammen mit
der national-politischen Identität auch zu ihrer Geschlechtsidentität
gefunden. Die PKK zu verbieten, der Suche nach einem politischen Kampf
und einer politischen Lösung zu verbieten, heißt, die Existenz der Frau
zu verbieten. In diesem Sinne bedeutet die PKK die Suche der kurdischen
Frau nach Freiheit. Deshalb sehe ich als kurdische Frau meine national-
politische Identität als meine Würde an. Ich erkläre, dass ich jegliche
Verbote über die PKK, die ich als mein Existenzmotiv bewerte, nicht anerkenne.
1. Auf dieser Grundlage erkläre
ich als Angehörige des kurdischen Volkes, insbesondere als kurdische Frau,
dass ich die neue Linie der PKK teile, die seit zwei Jahren ihren politischen
Kampf auf legaler Grundlage führt. Weiterhin erkläre ich mich der PKK
zugehörig.
2. Ich rufe die europäischen Mitgliedstaaten dazu auf, sich an den Maßstäben
messen zu lassen, die sie gegenüber anderen Nicht-Mitgliedstaaten anlegt.
Außerdem rufe ich diese Staaten dazu auf, bezüglich den in Europa lebenden
Kurden, den erklärten Kriterien eines Beitritts zur Europäischen Union
selbst gerecht zu werden. Deshalb fordere ich für das kurdische Volk die
juristische Anerkennung der Rechte, die auch anderen Völkern zugestanden
werden.
3. Weiterhin fordere ich die offizielle Anerkennung der kulturellen und
politischen Werte, welche das kurdische Volk in einem großen Kampf geschaffen
hat. In diesem Zusammenhang fordere ich die Achtung der nationalen und
politischen Identität meines Volkes.
4. Ich unterstütze die Linie des demokratischen Kampfes der PKK, welche
auch von ihrem 7. Kongress bestätigt wurde. In Anbetracht der Tatsache,
dass die PKK in einem Zeitraum von zwei Jahren keine einzige Aktion unter
Anwendung von Gewalt durchgeführt hat, fordere ich die Aufhebung sämtlicher
Verbote, die sich gegenüber der PKK in Anwendung befinden.
5. Des weiteren erkläre ich, dass die einzige Garantie für eine dauerhafte
Lösung, die Freiheit unseres nationalen Führers, Abdullah Öcalan, und
die Schaffung von Möglichkeiten für sein politisches Wirken sind. Deshalb
fordere ich: 'Freiheit für Abdullah Öcalan - Frieden in Kurdistan'. Hiermit
erkläre ich, dass ich das gegen die PKK ausgesprochene Verbot und die
strafrechtliche Verfolgung der Mitgliederschaft in der PKK sowie der strafrechtlichen
Verfolgung der aktiven Sympathie für die PKK, auf das Schärfste verurteile.
Weiterhin erkläre ich, dass ich dieses Verbot nicht anerkenne und sämtliche
Verantwortung übernehme, die sich daraus ergibt."
Auch die Angeklagte, die in Kenntnis des Betätigungsverbots mit den politischen
Bestrebungen der PKK sympathisiert und wegen Teilnahme an einer von dieser
veranstalteten Botschaftsbesetzung vorbestraft ist, hat eine der mit Namen
und Anschrift versehenen Selbsterklärungen unterzeichnet, nachdem sie
zuvor mit Landsleuten den Inhalt erörtert hatte. Sie war sich dabei über
die Umstände und Ziele der Kampagne im klaren. In der Bundesrepublik Deutschland
gelangten ca. 100.000 derartige Erklärungen an Behörden.
2. Die Strafkammer hat einen Verstoß gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot
nicht in den Symphatiekundgebungen und in der Forderung nach Aufhebung
des Verbots, sondern allein in der Erklärung gesehen, "das Verbot
nicht anzuerkennen und die Verantwortung zu übernehmen, die sich daraus
ergebe". Dadurch werde im Rahmen einer auf solidarische Außenwirkung
angelegten Kampagne zum Ungehorsam gegen das Verbot aufgerufen.
II. Die Nachprüfung des Urteils
aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler ergeben.
1. Zu Recht hat das Landgericht
angenommen, daß die Angeklagte durch die Unterzeichnung der Bekenntniserklärung
und ihre Teilnahme an der vom Präsidialrat der PKK beschlossenen Kampagne
dem vollziehbaren Verbot nach § 18 Satz 2 VereinsG, sich für die PKK zu
betätigen, zuwidergehandelt und damit den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr.
4 VereinsG verwirklicht hat.
a) Im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG handelt einem Betätigungsverbot
nach § 18 Satz 2 VereinsG auch ein nichtmitgliedschaftlich und sonst nicht
organisatorisch eingebundener Dritter zuwider, wenn sein Verhalten auf
die verbotene Vereinstätigkeit bezogen und dieser förderlich ist. Auf
die Feststellung eines tatsächlich eingetretenen meßbaren Nutzens kommt
es nicht an; es genügt, daß das Täterhandeln konkret geeignet ist, eine
für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung hervorzurufen
(BGHSt 42, 30, 31). Die "Selbsterklärung" der Angeklagten war
auf die verbotene Tätigkeit der PKK bezogen und - jedenfalls unter Berücksichtigung
der Kampagne, in deren Rahmen sie abgegeben wurde - konkret geeignet,
eine für die verbotene Vereinstätigkeit vorteilhafte Wirkung zu entfalten.
Eine solche Eignung kommt den Bekenntnissen aufgrund der in ihnen erklärten
Absicht, "das Verbot nicht an(zu)erkenne(n) und sämtliche Verantwortung
(zu) übernehme(n), die sich daraus ergibt," in zweifacher Weise zu:
Vorteilhafte Wirkungen können sich zum einen unmittelbar aus der persönlichen
Festlegung jedes Unterzeichners, darunter auch der Angeklagten, darauf
ergeben, das Verbot auch künftig nicht zu beachten und sich von Zuwiderhandlungen
selbst durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen nicht abhalten
zu lassen. Solche Selbstfestlegungen verschaffen den Verantwortlichen
der PKK für künftige Aktionen Planungsgrundlagen und erleichtern ihnen
so die Fortsetzung der verbotenen Aktivitäten. Zum anderen liegt es -
worauf das Landgericht ebenfalls zu Recht abgestellt hat - auf der Hand,
daß die Selbstbekenntnisse der Tätigkeit der PKK auch über eine durch
sie vermittelte Stärkung der Solidarität mit anderen potentiellen Symphatisanten
der Tätigkeit der PKK im Hinblick auf künftige verbotene Vereinsaktivitäten
förderlich ist. Durch die Beteiligung an der groß angelegten Selbstbekenntnisaktion
gibt der Unterzeichner auch anderen kurdischen Landsleuten, die der Sache
der PKK nahestehen, einen Anstoß, sich ihrerseits anzuschließen und Selbstbekenntnisse
zu unterzeichnen; dies wird im übrigen durch die Feststellung anschaulich
belegt, daß der Angeklagten eine Weigerung, an der Kampagne teilzunehmen,
schwer gefallen wäre. Hinzu kommt, daß den einzelnen Mitgliedern und Symphatisanten
bei künftigen verbotenen Aktivitäten die Überschreitung der Schwelle zur
Strafbarkeit nach § 20 Abs. 1 Satz 4 VereinsG in der Gewißheit nicht allein
zu stehen, sondern in der Gemeinschaft mit vielen Gleichgesinnten vorzugehen,
wesentlich erleichtert wird. Unter diesem Aspekt wirkt sich die Unterzeichnung
von Selbstbekenntnissen im Rahmen einer groß angelegten Aktion auch schon
aktuell vorteilhaft für die Tätigkeit der PKK aus.
b) Der Annahme dieser für die PKK förderlichen Wirkungen steht nicht entgegen,
daß die Erklärungen nach ihrem Wortlaut nur an die deutschen Behörden
gerichtet waren und diesen übergeben wurden. Denn nach den Feststellungen
ging der von der PKK initiierten und gesteuerten Kampagne eine groß angelegte
Werbung voraus; der Inhalt der Erklärung wurde unter den kurdischen Landsleuten
erörtert; die Schreiben wurden gesammelt und dann - wie hier - im Rahmen
von Demonstrationen in der Öffentlichkeit übergeben. Damit erhielten nicht
nur die Verantwortlichen der PKK Kenntnis, vielmehr handelt es sich um
eine öffentlichkeitswirksame Aktion, die - entsprechend der Absicht der
Initiatoren - die ihr zugedachten Wirkungen jedenfalls auch bei den angesprochenen
kurdischen Landsleuten entfalten konnte.
Daraus folgt zugleich, daß die Tatbestandsmäßigkeit der Beteiligung der
Angeklagten an der Selbstbekenntnis-Aktion - entgegen der Auffassung der
Revision - weder daran scheitert, daß es an einer Außenwirkung fehlt,
noch daran, daß ihr Verhalten nicht erheblich war.
Das Merkmal einer gewissen Außenwirkung hat der Senat bei der Beurteilung
des Verhaltens eines außenstehenden Dritten gefordert, der Propagandamaterial
der PKK aus eigenem Antrieb, ohne hierzu von der PKK oder ERNK beauftragt
worden zu sein, bei sich lediglich gelagert hatte. Bei dieser Fallkonstellation
ist eine strafbare Zuwiderhandlung gegen das Betätigungsverbot nach §
20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG verneint worden, weil diese Handlung der PKK
unbekannt geblieben war und von dieser weder als Entlastung von der Erfüllung
eigener Aufgaben noch als Bestärkung ihres Willens zur Fortsetzung der
verbotenen Vereinstätigkeit empfunden werden konnte. Mangels Außenwirkung
stelle das bloße Vorrätighalten, solange es nicht zu Verbreitungsakten
gekommen sei, noch keinen ausreichenden Förderungsbeitrag dar (BGH NJW
1997, 2251 f.). Bei einer unmittelbaren Förderung der verbotenen Vereinstätigkeit,
etwa durch Sammeln von Spenden (vgl. BGHSt 43, 312, 313) oder - wie hier
- durch Beteiligung an einer von der Führungsebene der PKK initiierten,
groß angelegten Kampagne, die auf Stärkung der Bereitschaft von Symphatisanten
zu verbotenen Aktivitäten abzielt und eine Verfahrensflut - mit der Folge
der Lahmlegung der Strafjustiz - auslösen soll, kommt es auf eine Außenwirkung
von vorne herein nicht an; sie könnte im übrigen nach den festgestellten
Umständen auch nicht zweifelhaft sein.
Soweit die Beschwerdeführerin meint, daß ihr Verhalten nicht erheblich
im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHSt 43, 312, 313) sei,
hat schon der Generalbundesanwalt zu Recht darauf hingewiesen, daß damit
nicht nur schwerwiegende Verstöße von § 20 Abs. 1 Satz 4 VereinsG erfaßt
werden sollen. Das Merkmal der Erheblichkeit soll dazu dienen, tatbestandsmäßige
von eher neutralen Handlungen abzugrenzen, und will sicherstellen, daß
nur solches Verhalten bestraft wird, das gerade unter dem Gesichtspunkt
der Verbotsgründe von Belang ist. Das liegt bei der Beteiligung der Angeklagten
an der Selbstbekennntis-Aktion auf der Hand. Der Versuch der Revision,
bei der Bewertung der Erheblichkeit des der Angeklagten vorgeworfenen
Verhaltens ihre Erklärung isoliert in den Blick zu nehmen, wird der Sachlage
nicht gerecht. Gewicht und Prägung erhält ihre Erklärung dadurch, daß
die Angeklagte mit ihr einen Beitrag zu einer groß angelegten und auf
solidarische Außenwirkung bedachten Kampagne geleistet hat.
c) Einen Rechtsfehler deckt die Revision auch insoweit nicht auf, als
sie sich gegen die Auslegung des "Selbstbekenntnisses" durch
das Landgericht wendet. Mit dieser Erklärung haben sich die Unterzeichner,
auch die Angeklagte, nicht darauf beschränkt, Freiheit und Selbstbestimmung
für das kurdische Volk zu fordern, die Aufhebung des Betätigungsverbots
für die PKK zu verlangen und dessen Aufrechterhaltung auf das Schärfste
zu mißbilligen. Hätten die Selbstbekenntnisse lediglich diesen Inhalt,
so würden sich die Erklärungen allerdings als Wahrnehmung des Grundrechts
auf Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG darstellen (vgl. BVerfG
NStZ-RR 2002, 120). Als solche wäre das Selbstbekenntnis der Angeklagten
von § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG auch nicht mit Blick darauf erfaßt, daß
sie es im Rahmen einer groß angelegten Kampagne abgegeben hat und die
Erklärung - als ungewollte Folge - eine Belebung der von der Vorschrift
verbotenen Vereinstätigkeit bewirken könnte. Es versteht sich, daß das
Grundrecht auf Meinungsfreiheit das Recht einschließt, die eigene Meinung
möglichst wirksam zur Geltung zu bringen. Eine Auslegung der Erklärung
der Angeklagten in dem ihr von der Revision zugeschriebenen Sinn ist aber
- auch unter Berücksichtigung der Anforderungen, die sich aus Art. 5 Abs.
1 Satz 1 GG an die Deutung von Äußerungen ergeben, ausgeschlossen. Danach
ist vor ihrer strafrechtlichen Ahndung sorgfältig zu prüfen, ob nicht
auch eine andere Auslegung in Betracht kommt, bei der die fragliche Äußerung
von der Meinungsfreiheit gedeckt und nicht strafbar ist (vgl. BVerfGE
82, 43, 52; 93, 266, 295, 296). Bei einer ihren Sinn und Zweck sowie die
Umstände ihrer Abgabe, insbesondere den Hintergrund der Gesamtkampagne
und deren Zielsetzung berücksichtigenden Auslegung können die "Selbstbekenntnisse"
nicht dahin verstanden werden, daß die Unterzeichner - was allerdings
ihr eigentliches und vorrangiges Anliegen sein mag - lediglich Freiheit
und Selbstbestimmung für das kurdische Volk fordern und die Überprüfung
des Verbots der Betätigung für die PKK sowie dessen Aufhebung verlangen.
Vielmehr geht es den Erklärenden - entsprechend der zutreffenden Auslegung
des Landgerichts - darum, unter allen Umständen, also gerade auch für
den von ihnen erwarteten Fall, daß es bei dem Verbot verbleibt, durch
Selbstfestlegung und Stärkung der Solidarität mit der PKK einen Beitrag
zur Fortführung ihrer Tätigkeit zu leisten.
Nach dem Gesamtzusammenhang der Erklärung und den festgestellten Umständen
der Kampagne kommt ein anderer Sinngehalt, der nicht gegen § 20 Abs. 1
Nr. 4 VereinsG verstoßen würde, nicht in Betracht. Schon durch die das
Bekenntnis abschließende Erklärung, daß er "sämtliche Verantwortung
übernehme, die sich daraus (also aus der Nichtanerkennung des Verbots)
ergebe", bringt der Unterzeichner unmißverständlich zum Ausdruck,
daß er bereit ist, das Verbot, unabhängig von dessen geforderter Aufhebung,
zu mißachten, und die der Zuwiderhandlung nachfolgende strafrechtliche
Verfolgung in Kauf zu nehmen. Der Zusatz hätte nämlich sonst keinen Sinn,
da derartige Konsequenzen - auch für die Erklärenden erkennbar - offensichtlich
nicht zu erwarten sind, wenn nur eine Kritik des Verbots geäußert und
dessen Aufhebung gefordert wird. Denn eine solche Äußerung wäre durch
das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt und damit straflos.
Die danach zutreffende Auslegung der Strafkammer wird durch den Umstand
bestätigt, daß es erklärtes Ziel der Kampagne war, die Strafverfolgungsbehörden
mit einer solchen Anzahl von Verfahren zu belasten, daß sie diese nicht
mehr bewältigen können. Mit dieser Zielsetzung, die sich die Beschwerde-
führerin nach den Feststellungen zu eigen gemacht hat, ist im übrigen
die vom Verteidiger in der Revisionshauptverhandlung erwogene Auslegung
nicht in Einklang zu bringen, nach der sie habe zum Ausdruck bringen wollen,
die Strafverfolgung nur für den Fall in Kauf zu nehmen, daß die deutschen
Behörden sie wegen der durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung
gedeckten Forderung nach Aufhebung des Verbots verfolgen sollten. Die
nur vage Aussicht auf eine Strafverfolgung unter offenkundiger Mißachtung
des Rechts auf freie Meinungsäußerung war auch aus der Sicht der Beteiligten
erkennbar nicht geeignet, den genannten Zweck der Kampagne zu erreichen.
d) Auch die subjektiven Voraussetzungen eines Verstoßes gegen § 20 Abs.
1 Nr. 4 VereinsG hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei bejaht. Danach waren
der geständigen Angeklagten die Ziele und Umstände der Kampagne sowie
der Inhalt der unterzeichneten Erklärung, den sie zuvor mit Landsleuten
erörtert hatte, bekannt.
2. Zum Strafausspruch hat die
Nachprüfung des Urteils ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der
Angeklagten ergeben. Das Landgericht hat straf- mildernd berücksichtigt,
daß die Tat durch ihre kurdische Volkszugehörigkeit, die Verfolgung in
ihrer Heimat und ein "dominantes, kämpferisches politisches Engagement"
gekennzeichnet ist. Zwar hat es nicht ausdrücklich erörtert, daß die wertsetzende
Bedeutung der Meinungsfreiheit bei der Strafzumessung zu berücksichtigen
ist (vgl. BVerfG NStZ 1994, 357, 358; NJW 1999, 204, 205; 2002, 1031,
1034 f.), doch zeigen seine Erwägungen, daß es diesen Umstand der Sache
nach Rechnung getragen hat, zumal es die Angeklagte nur mit einer mäßigen
Geldstrafe belegt hat, obgleich diese die Tat während einer laufenden
Bewährungszeit aus einer Vorverurteilung zu einer Freiheitsstrafe von
vier Monaten wegen Besetzung einer Botschaft im Rahmen einer PKK Aktion
begangen hatte. Im übrigen kommt diesem Umstand bei der Verhängung lediglich
geringfügiger Geldstrafen die Bedeutung eines bestimmenden Strafzumessungsgrundes
im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO nicht zu.”
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