Zehn Jahre PKK-Verbot und kein Ende ?
Vorwort

Rainer Ahues
Was ist eine kriminelle, was eine terroristische Vereinigung?
Eine kurze Darstellung staatsanwaltlicher und gerichtlicher Feststellungen über "Substrukturen" innerhalb der PKK

Prof. Dr. Andreas Buro
PKK/KADEK-Verbot oder Versöhnungspolitik?

Dr. Rolf Gössner
Migrant(inn)en unter Generalverdacht?
Zu den Auswirkungen des staatlichen "Anti-Terror" - Kampfes

Michael Heim
Die Einbürgerung türkischer Staatsangehöriger und das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung

Mark Holzberger
War da was?
Das PKK-Verbot im Bundestag

Duran Kalkan
Kurden brauchen Anerkennung

Mehmet Demir
Kurdische Freiheit in und über Deutschland

Marei Pelzer
Asylrecht im Wandel
Von der Grundgesetzänderung zum Terrorismusbekämpfungs-gesetz

Dr. Heinz Jürgen Schneider
Der Anti-Terror-Paragraf 129a und seine Praxis

Monika Morres / Günther Böhm
Azadi - Freiheit - Özgürlük: Solidarität gegen Unterdrückung und Freiheitsberaubung

Dokumentation:
Urteil des Bundesgerichtshofs wegen Zuwiderhandelns gegen vereinsrechtliches Betätigungsverbot

Interview mit Engin Sönmez zum Prozess gegen Heyva Sor a Kurdistane

Abkürzungen

Autor(inn)enverzeichnis

Chronologie

erste Seite

 

 

Die Einbürgerung türkischer Staatsangehöriger
und das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung

Von Michael Heim

Durch die Neuregelung des Einbürgerungsrechts zum 1. Januar 2000 haben sich die Möglichkeiten der Einbürgerung für türkische Staatsangehörige - zu denen auch anerkannte politische Flüchtlinge/ Asylberechtigte zählen - erheblich verbessert. Insoweit ist zunächst vorauszuschicken, dass auf der Grundlage von zwei verschiedenen Gesetzen die Einbürgerung möglich ist. Nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz kann die Einbürgerung erfolgen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Nach dem Ausländergesetz (§ 85 ff.), muss diese erfolgen, wenn die jeweils genannten Voraussetzungen vorliegen.

Nach beiden Gesetzen ist grundsätzlich ein achtjähriger rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland erforderlich. Für politische Flüchtlinge und Asylberechtigte ist dieser Zeitraum auf sechs Jahre abgesenkt, wobei die Dauer des Asylverfahrens mit anzurechnen ist. Der wesentliche Unterschied in der Praxis besteht darin, dass das Staatsangehörigkeitsgesetz - vereinfacht ausgedrückt - die Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Inanspruchnahme von Sozial-/Arbeitslosenhilfeleistungen sowie eine straffreie Lebensführung voraussetzt. Demgegenüber lässt die Einbürgerung nach dem Ausländergesetz den Bezug von Sozialhilfeleistungen zu, soweit diese unverschuldet erfolgen, wie auch Verurteilungen zu Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen oder zu Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten, soweit diese zur Bewährung ausgesetzt und anschließend erlassen worden sind.

Gemeinsam haben beide Gesetze, dass von den Einbürgerungsbewerbern und -bewerberinnen ein Bekenntnis zur sogenannten freiheitlichen demokratischen Grundordnung erwartet wird. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind nach der einschlägigen Rechtsprechung mindestens zu rechnen:

  • Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung,
  • die Volkssouveränität,
  • die Gewaltenteilung,
  • die Verantwortlichkeit der Regierung,
  • die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,
  • die Unabhängigkeit der Gerichte,
  • das Mehrparteienprinzip und
  • die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.

Nach der Rechtsprechung sind Zweifel an der Ernsthaftigkeit eines solchen Bekennt-nisses dann gerechtfertigt, wenn sich die Einbürgerungsbewerber und -bewerberinnen zugunsten der PKK engagiert haben. In einer Entscheidung aus dem Jahre 2000 stellte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen fest, dass die PKK auch nach der Festnahme Öcalans nach wie vor ein beträchtliches extremistisches Bedrohungspotenzial für die innere Sicherheit Deutschlands darstelle. Dass sich die Aktivitäten der PKK gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richteten, folge bereits aus der Aufrechterhaltung des seinerzeit verhängten Betätigungsverbotes sowie daraus, dass die PKK weiterhin Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten des Bundes und der Länder fände. Auch ließe sich die Ideologie der PKK, welche sich dem Marxismus-Leninismus verpflichtet fühle, mit elementaren Verfassungsgrundsätzen nicht vereinbaren. Unabhängig davon, dass die PKK die von ihr propagierte Herrschaftsordnung wohl nur auf dem Territorium der Türkei würde durchsetzen wollen, bedeute ihre starke Präsenz und ihr hoher Organisationsgrad in Deutschland eine Gefährdung der hiesigen Wertordnung.

Diese Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zeigen, dass auch die erfolgte Umbenennung und die politischen Veränderungen, welche den KADEK auszeichnen, in absehbarer Zeit wohl kaum zu einer Änderung der Rechtsprechung führen werden.

Vor diesem Hintergrund müssen diejenigen, denen die Teilnahme an Veranstaltungen, welche in Verbindung zur PKK stehen, vorgehalten wird, die dadurch hervorgerufenen Zweifel an ihrer Verfassungstreue widerlegen. Hierfür reicht es nicht aus, zu meinen, dass Zweifel daran von den Behörden belegt werden müssten. Die Einbürgerungsbewerber/innen müssen im Gegenteil von sich aus nachweisen, keine Aktivitäten zugunsten der PKK entfaltet zu haben. Dabei werden Versuche, die Teilnahme an Newroz-Festen damit zu begründen, dass diese lediglich aus kulturellen oder sozialen Interessen erfolgte, dann scheitern, wenn es sich um mehrmalige derartige Ereignisse handelt. Letztere können auch darin bestehen, dass Vereine, die als PKK-nah gelten, besucht worden sind oder wenn die Einbürgerungsbewerber und -bewerberinnen bei Großdemonstrationen einschlägige Fahnen geschwenkt haben. Erst recht gilt dies, wenn strafrechtliche Verurteilungen im Zusammenhang mit politisch motivierten Straftaten vorliegen.

Insbesondere nach den Ereignissen vom 11. September 2001 dürfte im Einbürgerungsverfahren die routinemäßige Anfrage bei den Verfassungsschutzämtern die Regel sein. Von dort aus werden den Einbürgerungsbehörden die vorliegenden Erkenntnisse mitgeteilt. Ausführungen zur Widerlegung dieser Erkenntnisse würden den Rahmen dieses Artikels sprengen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass eine derartige Widerlegung bereits deshalb mit großen Schwierigkeiten verbunden ist, weil Akteneinsicht nicht ohne weiteres gewährt wird.

Abschließend ist zu resümieren, dass eine Betätigung, die objektiv den Anschein macht, zugunsten der PKK erfolgt zu sein, derzeit die Aussichten auf eine Einbürgerung sehr verringert. Dabei muss dem weitverbreiteten Missverständnis entgegen getreten werden, dass das nur für jene Fälle gelte, in denen der/die Einbürgerungsbewerber/in wegen einer einschlägigen Straftat verurteilt worden ist. Im Gegenteil: Es ist nicht einmal erforderlich, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist. Aus den bisherigen Ausführungen dürfte hinreichend deutlich zu entnehmen sein, wo der Ansatz bei der Einbürgerung liegt: Die deutsche Staatsbürgerschaft soll nur denjenigen verliehen werden, die die Gewähr für verfassungskonformes Verhalten geben. Für Zweifel an dieser Gewähr bedarf es keiner Beweise. Es reichen Anhaltspunkte aus, während die Einbürgerungsbewerber/innen ihre Verfassungstreue in diesen Fällen beweisen müssen.