Öcalan lädt eine
Gruppe seiner Partei als Friedensbotschafter ins Land ein
Als alle noch
mit den Äußerungen von Öcalan während der Gerichtsverhandlungen
und mit dem Rückzug der PKK-Einheiten beschäftigt waren, ging
Öcalan einen Schritt weiter und fordert die PKK auf, eine bewaffnete
Gruppe als Friedensbotschafter ins Land zu schicken.
Am 20. September 1999 übermittelte Öcalan über seine Anwälte
diesbezüglich folgende Botschaft: "Um zu beweisen, dass den
zu machenden demokratischen Schritten kein Hindernis im Wege steht, sondern
im Gegenteil unser Schritt bestärkend darauf einwirkt, rufe ich eine
Gruppe der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) dazu auf, als Ausdruck des
guten Willens mit ihren Waffen in die Türkei zu kommen und sich (dem
Projekt) der Demokratischen Republik anzuschließen. Dieser Schritt
ist ein symbolischer Schritt für den Frieden und eine demokratische
Lösung. Um zu beweisen, dass der Beschluss, den bewaffneten Kampf
zu beenden, kein Lippenbekenntnis bleibt, ist dieser Schritt von grösster
Wichtigkeit. Hierbei erwarten wir die Hilfe und das Interesse des Staates
sowie der Gesellschaft." (120)
Gleich nach der Aufforderung Öcalans reagierte der Präsidialrat
der PKK positiv: "Wir werden, gemäß den Forderungen und
Aufrufen unseres Vorsitzenden Genossen Abdullah Öcalan, eine Gruppe
mit einem an die zuständigen Gremien der türkischen Republik
gerichteten Begleitschreiben unseres Zentralkomitees für eine friedliche
und demokratische Lösung in die Türkei entsenden. An dieser
Stelle möchten wir gemäß unserem Verständnis, unsere
Probleme im Rahmen von Frieden und Demokratie mit der Gesellschaft und
dem Staat der Türkei zu lösen, unseren Glauben und unsere Hoffnung
zum Ausdruck bringen, dass der von uns unternommene Schritt eine wichtige
Etappe auf dem Weg zu einer Lösung sein wird". (121)
Die angekündigte Gruppe der PKK kam am 1. Oktober 1999 in die Türkei
und überbrachte türkischen Verantwortlichen Dokumente der PKK-Zentrale.
Obwohl die PKK schon Tage vorher den Ort der Ankunft der PKK-Gruppe bekannt
gab, startete die türkische Armee gezielt an diesen Orten Operationen,
um die Ankunft der Gruppe zu verhindern. Trotz aller damit verbundenen
Gefahren ist die Gruppe mit einer PKK-Einheit ins Dorf Gelisim bei der
Kreisstadt Semdinli gekommen. Die PKK-Einheit hat an einer Seite des Dorfes
Stellung bezogen. Dann kam eine türkische Einheit ins Dorf und bezog
an der anderen Seite Stellung. Schließlich ist die achtköpfige
Gruppe der PKK ins Dorf gegangen, wurde vom Militär empfangen und
per Hub-schrauber weggeflogen und anschließend festgenommen. (122)
Am 29. Oktober 1999, dem 76. Jahrestag der Gründung der Türkischen
Republik, flog eine weitere achtköpfige Friedensgruppe der PKK von
Wien aus in die Türkei. In einer Erklärung vom 28.10.99 erklärte
Haydar Ergül im Namen der Gruppe u.a.:
"Das von unserem Vorsitzenden formulierte Projekt einer demokratischen
Republik gab dem kurdischen Volk und all denjenigen, die an einer Entwicklung
einer neuen Zukunft für die Türkei interessiert sind, einen
Anstoss für intensive Diskussionen. Mit der beharrlichen Forderung
nach Frieden und Demokratie, wurden Staatspräsident Süleyman
Demirel, Ministerpräsident Bülent Ecevit und Parlamentspräsident
Yildirim Akbulut, mit großem Interesse vom kurdischen Volk in Diyarbakir
empfangen. Dies war ein deutliches Beispiel dafür, wie groß
die Notwendigkeit für Frieden und Demokratie ist. Diejenigen Kräfte,
die durch die positiven Entwicklungen dieser Phase beunruhigt wurden,
auf den Krieg und die Verleugnungspolitik beharren, versuchen mit Sabotagen
und Provokationen die Entwicklungen zu behindern. Deshalb soll die Rückkehr
in die Türkei unsere Entschlossenheit zum Ausdruck bringen.
Die Kurden, als eigentliche Mitbegründer der Republik, wurden in
der traditionellen 75jährigen Politik aus dem System ausgeschlossen.
Die Grundrechte und Freiheiten wurden den Kurden mit Gewalt entzogen und
ihre Sprache verboten. In einer demokratischen Republik sind die Ausübung
der Grundrechte und Freiheiten bestimmend. Mit unserer Rückkehr möchten
wir einen Beitrag für die Umgestaltung der Republik und das notwendige
freie sowie gleichberechtigte Zusammenleben des türkischen und kurdischen
Volkes leisten.
Wir wünschen, dass der 76. Jahrestag der Republik der Beginn des
Aufbaus einer demokratischen Republik und der Beginn von demokratischen
Reformen sein wird. Daher halten wir es für erforderlich, alle Betroffenen
aufzurufen, das Notwendige für die Beseitigung der Hindernisse für
eine Entwicklung von Demokratie und Frieden zu tun, sowie alle erforderlichen
Anstrengungen für eine Umgestaltung zu unternehmen." (123)
(120)KIZ, 22.9.99
(121)KIZ, 23.9.99
(122)ÖP, 3.10.99
(123)KIZ, 29.10.99
|