IV. Die Wende

Die Vorgeschichte des Rückzugs
Treffen des Plenums des Zentralkomitees der PKK
Rückzug der Guerilla und Beendigung des bewaffneten Kampfes
Präsidialrat der PKK zum Rückzug der Truppen
"Der Rückzug muss still und ohne Gefechte erfolgen"
"Eine unbenannte Revolution"
Stellvertretender US-Außenminister für mehr Rechte
Auch die Türkei muss ihre Aufgaben erledigen
Rückzug der Einheiten der PKK beginnt
"Reuegesetz" - Amnestie light - Förderung des Verrats
Amnestie, Teilamnestie, Generalamnestie?
Türkische Armee erschwert den Rückzug
Trotz Operationen eine mildere Atmosphäre
Der höchste General meldet sich zu Wort
"PKK wird Geschichte"
Öcalan lädt eine Gruppe seiner Partei als Friedensbotschafter ins Land ein
Einige Steine wurden doch ins Rollen gebracht

Drei Beispiele für zivilgesellschaftliche Einmischung

Erstes Beispiel: Deklaration zu Demokratie und Frieden
Zweites Beispiel: Rede des obersten Richters
Drittes Beispiel: Intellektuelle mischen sich ein
Der Ton der Stimme wird schärfer


Öcalan lädt eine Gruppe seiner Partei als Friedensbotschafter ins Land ein

Als alle noch mit den Äußerungen von Öcalan während der Gerichtsverhandlungen und mit dem Rückzug der PKK-Einheiten beschäftigt waren, ging Öcalan einen Schritt weiter und fordert die PKK auf, eine bewaffnete Gruppe als Friedensbotschafter ins Land zu schicken.
Am 20. September 1999 übermittelte Öcalan über seine Anwälte diesbezüglich folgende Botschaft: "Um zu beweisen, dass den zu machenden demokratischen Schritten kein Hindernis im Wege steht, sondern im Gegenteil unser Schritt bestärkend darauf einwirkt, rufe ich eine Gruppe der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) dazu auf, als Ausdruck des guten Willens mit ihren Waffen in die Türkei zu kommen und sich (dem Projekt) der Demokratischen Republik anzuschließen. Dieser Schritt ist ein symbolischer Schritt für den Frieden und eine demokratische Lösung. Um zu beweisen, dass der Beschluss, den bewaffneten Kampf zu beenden, kein Lippenbekenntnis bleibt, ist dieser Schritt von grösster Wichtigkeit. Hierbei erwarten wir die Hilfe und das Interesse des Staates sowie der Gesellschaft." (120)
Gleich nach der Aufforderung Öcalans reagierte der Präsidialrat der PKK positiv: "Wir werden, gemäß den Forderungen und Aufrufen unseres Vorsitzenden Genossen Abdullah Öcalan, eine Gruppe mit einem an die zuständigen Gremien der türkischen Republik gerichteten Begleitschreiben unseres Zentralkomitees für eine friedliche und demokratische Lösung in die Türkei entsenden. An dieser Stelle möchten wir gemäß unserem Verständnis, unsere Probleme im Rahmen von Frieden und Demokratie mit der Gesellschaft und dem Staat der Türkei zu lösen, unseren Glauben und unsere Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass der von uns unternommene Schritt eine wichtige Etappe auf dem Weg zu einer Lösung sein wird". (121)
Die angekündigte Gruppe der PKK kam am 1. Oktober 1999 in die Türkei und überbrachte türkischen Verantwortlichen Dokumente der PKK-Zentrale. Obwohl die PKK schon Tage vorher den Ort der Ankunft der PKK-Gruppe bekannt gab, startete die türkische Armee gezielt an diesen Orten Operationen, um die Ankunft der Gruppe zu verhindern. Trotz aller damit verbundenen Gefahren ist die Gruppe mit einer PKK-Einheit ins Dorf Gelisim bei der Kreisstadt Semdinli gekommen. Die PKK-Einheit hat an einer Seite des Dorfes Stellung bezogen. Dann kam eine türkische Einheit ins Dorf und bezog an der anderen Seite Stellung. Schließlich ist die achtköpfige Gruppe der PKK ins Dorf gegangen, wurde vom Militär empfangen und per Hub-schrauber weggeflogen und anschließend festgenommen. (122)
Am 29. Oktober 1999, dem 76. Jahrestag der Gründung der Türkischen Republik, flog eine weitere achtköpfige Friedensgruppe der PKK von Wien aus in die Türkei. In einer Erklärung vom 28.10.99 erklärte Haydar Ergül im Namen der Gruppe u.a.:
"Das von unserem Vorsitzenden formulierte Projekt einer demokratischen Republik gab dem kurdischen Volk und all denjenigen, die an einer Entwicklung einer neuen Zukunft für die Türkei interessiert sind, einen Anstoss für intensive Diskussionen. Mit der beharrlichen Forderung nach Frieden und Demokratie, wurden Staatspräsident Süleyman Demirel, Ministerpräsident Bülent Ecevit und Parlamentspräsident Yildirim Akbulut, mit großem Interesse vom kurdischen Volk in Diyarbakir empfangen. Dies war ein deutliches Beispiel dafür, wie groß die Notwendigkeit für Frieden und Demokratie ist. Diejenigen Kräfte, die durch die positiven Entwicklungen dieser Phase beunruhigt wurden, auf den Krieg und die Verleugnungspolitik beharren, versuchen mit Sabotagen und Provokationen die Entwicklungen zu behindern. Deshalb soll die Rückkehr in die Türkei unsere Entschlossenheit zum Ausdruck bringen.
Die Kurden, als eigentliche Mitbegründer der Republik, wurden in der traditionellen 75jährigen Politik aus dem System ausgeschlossen. Die Grundrechte und Freiheiten wurden den Kurden mit Gewalt entzogen und ihre Sprache verboten. In einer demokratischen Republik sind die Ausübung der Grundrechte und Freiheiten bestimmend. Mit unserer Rückkehr möchten wir einen Beitrag für die Umgestaltung der Republik und das notwendige freie sowie gleichberechtigte Zusammenleben des türkischen und kurdischen Volkes leisten.
Wir wünschen, dass der 76. Jahrestag der Republik der Beginn des Aufbaus einer demokratischen Republik und der Beginn von demokratischen Reformen sein wird. Daher halten wir es für erforderlich, alle Betroffenen aufzurufen, das Notwendige für die Beseitigung der Hindernisse für eine Entwicklung von Demokratie und Frieden zu tun, sowie alle erforderlichen Anstrengungen für eine Umgestaltung zu unternehmen." (123)


(120)KIZ, 22.9.99

(121)KIZ, 23.9.99

(122)ÖP, 3.10.99

(123)KIZ, 29.10.99