TATblatt



Rezension:
ai - Menschenrechtsbericht 1998
 

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Amnesty international hat von allen Nichtstaatlichen Organisationen wahrscheinlich den größten Einfluß darauf, was in der Öffentlichkeit als Menschenrecht bzw. als Verletzung desselben definiert wird. Ein Beispiel dafür ist der von ai herausgegebene Bericht über die Arbeit des Internationalen Strafgerichts für Ruanda. Erstmals in der Rechtsgeschichte wurde von diesem Gericht ein Täter des Völkermordes schuldig gesprochen, indem erkannt wurde, daß Vergewaltigung und sexuelle Nötigung den Tatbestand des Völkermordes erfüllen, wenn sie in der Absicht begangen werden, eine bestimmte Gruppe ganz oder teilweise zu vernichten. Wenige Monate später wurde ein ehemaliger Kommandeur einer kroatischen Einheit der Militärpolizei mit derselben Begründung schuldig gesprochen. Diese Schuldsprüche sind ein Erfolg der Kampagne von hunderten Menschenrechtsorganisationen, möglichst alle Staaten dazu zu überreden, das im Juli 1998 beschlossene internationale Statut für einen internationalen Gerichtshof zu unterzeichnen.

Daß die Lage der Menschenrechte überhaupt ein weltweites Thema ist, ist unter anderem ai zu verdanken. Wie immer schildert der Menschenrechtsbericht 1998 die gröbsten Verstöße gegen Menschenrechte in den Länderberichten. Ein Schwerpunktthema in den redaktionellen Beiträgen ist diesmal der "Schutz von Flüchtlingen in Gefahr", und damit auch, wie dieser Schutz zunehmend von den Industrieländern ausgehöhlt wird. Eine besondere Erwähnung findet u.a. Österreich mit dem "Matzka-Papier" als laut ai "geheime Initiative zum Abbau des Flüchtlingsschutzes" während des EU-Vorsitzes Österreichs, das vorschlägt, den Status von Flüchtlingen zu demontieren und auf MigrantInnen zu reduzieren. Weltweit gilt, daß sich Staaten über ihre Verpflichtungen aus internationalem Flüchtlingsrecht hinwegsetzen. In Ländern, in denen Flüchtlinge Asyl zu finden hoffen, müssen sie willkürliche Inhaftierungen und sogar Gewaltakte befürchten, schreibt ai.

Derzeit läuft eine Initiative von mehreren Staaten, das Verbot von Inhaftierung von Flüchtlingen gemeinsam mit Strafgefangenen aufzuweichen, um eine weitere Abschreckungsmaßnahme zu setzen. Verbot hin oder her, in Japan oder den USA ist es gängige Praxis.

Wohl der interessanteste Beitrag im heurigen Jahresbericht ist die Einschätzung des UNO-Flüchtlingshochkomissariats UNHCR durch ai. ai spricht sich dezidiert dagegen aus, daß das UNHCR mit der Kontrolle der Einhaltung von Menschenrechtsbestimmungen durch die Staaten betraut wird. Eines der Argumente ist, daß einige Staaten, die nicht der Flüchtlingskonvention beigetreten sind, trotzdem im Exekutivausschuß des UNHCR vertreten sind und dessen Politik mitbestimmen. Außerdem steht das UNHCR eindeutig unter politischem Druck mit entsprechender Reaktion darauf. Das Beispiel eines EU-Aktionsplanes bezüglich irakischer Flüchtlinge zeigte diese UNHCR-Haltung auf. In einem vertraulichen Bericht an den geheim tagenden K4-Ausschuß der EU wurde Anfang 1998 vom UNHCR die Stellungnahme abgegeben, daß der Nordirak eine "Fluchtalternative" für Asylsuchende - weil ein "sicheres Gebiet" - sei. In öffentlichen Stellungnahmen behauptete das UNHCR zur selben Zeit, daß der Nordirak keine Fluchtalternative sei. Allerdings nahm nachgewiesenermaßen die Regierung Dänemarks den geheimgehaltenen UNHCR-Bericht zum Anlaß, irakische Flüchtlinge abzuschieben, was erst nach Auffliegen des Geheimberichts gestoppt wurde. Selbst nach dem Bekanntwerden weigerte sich das UNHCR, den Geheimbericht offiziell zu veröffentlichen.

Wie es in angeblich sicheren Drittstaaten, in die u.a. Österreich hemmungslos abschiebt, zugeht, ist den Länderberichten zu entnehmen. Beeindruckendes Beispiel ist Ungarn, wo Folter laut Strafgesetzbuch nur dann strafbar ist, wenn dem/r TäterIn die Tatsache bewußt war, daß er/sie eine Straftat begeht. Dementsprechend wurde ein Angehöriger des Ungarischen Zentrums zur Verteidigung der Menschenrechte, der auf dem Weg zu einer Gerichtsverhandlung in einem Asylverfahren war, in Budapest von der Polizei schwer verprügelt, ohne daß dies zu Konsequenzen für die Polizei führte.

In vielen Fällen belegt der Bericht, daß Flüchtlinge direkt nach ihrer Abschiebung in Folterkellern verschwanden oder teilweise hingerichtet wurden.
 

amnesty international:
ai Jahresbericht 1999
Frankfurt/Main 1999
Fischer Taschenbuchverlag
608 Seiten
öS 145,-

Bestelladresse:
amnesty international
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Tel 01-78008 Fax 78008-44
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aus: TATblatt nr. +120/121/122/123 (12/13/14/15 1999) vom oktober 1999
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