TATblatt
"Es gibt schon ein Problem, dass auch die Leute, wenn sie zum Beispiel an der Grenze... Es heißt jetzt im neuen Asylgesetz von 1997: Asylwerber können an der Grenze Asylanträge stellen, und sie bekommen ein Formular in ihrer Muttersprache, und füllen das aus, und die Behörden dort sind verpflichtet, diese Asylanträge an die Bundesasylämter weiterzuleiten. Da bin ich sicher, dass das zu 90 Prozent nicht geschieht und dass die Leute einfach zurückgewiesen werden. Das ist das erste Problem. Zweitens werden Leute aufgegriffen, oder es werden politisch Verfolgte, die sich an eine Sicherheitsbehörde wenden, und dort ihren Wunsch äußern und sagen, ich bin hier, um um Asyl anzusuchen, die werden einfach in Schubhaft genommen. Wenn man den Schubhaftsbescheid liest, steht nichts drinnen, dass dieser Mensch um Asyl ansuchen möchte, sondern, dass er "illegal" über die grüne Grenze nach Österreich gelangt sei, und nach Paragrafen des Fremdengesetzes über ihn die Schubhaft verhängt wurde, bis zur Veranlassung einer Ausweisung und zur Sicherung der Abschiebung, obwohl diese Leute, von sich aus, wie es im Asylgesetz heißt, von sich aus den Wunsch geäußert haben, dass sie einen Asylantrag stellen wollen." (Aus dem Interview mit ZEBRA.)
In der Folge werden Schubhaftgefangene in Österreich wie rechtskräftig Verurteilte behandelt. Und: Schubhaft bedeutet oft sogar Gefängnis unter erschwerten Bedingungen: keine kompetente Aufklärung, was in weiterer Folge passieren wird, keine rechtliche oder soziale Unterstützung, zu enge Räume, mangelnde medizinische Betreuung, nahezu keine Rechte. Schubhaft wird verhängt über Minderjährige, Kranke, Schwangere, politisch Verfolgte, Frauen, Männer. Schubhäftlinge, wie die Inhaftierten ab jetzt bezeichnet werden (bis sie dann Abschüblinge sind), haben oft keinen Kontakt zu Personen außerhalb des Polizeigefangenenhauses, haben Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten, leiden unter den Ursachen und Folgen ihrer Migration. Schon öfters haben internationale Organisationen Polizeigefangenenhäuser in Österreich, in denen Menschen während ihrer Schubhaft untergebracht sind, kritisiert und verurteilt.
Durch das System der Schubhaft werden die Menschen zusätzlich anonymisiert und totgeschwiegen. Denn offizielle Angaben über Zahl, Aufenthaltsort und Identität von in Schubhaft genommenen Menschen werden nicht bekannt gegeben. So verlieren die Menschen in Schubhaft jeden Kontakt zur Außenwelt, sie erhalten keine Besuche und keine Unterstützung, da niemand weiß, wo oder ob überhaupt jemand in Schubhaft sitzt. Für viele Menschen ist nicht klar, warum sie in Schubhaft sitzen. Obwohl sie nichts verbrochen haben, werden sie eingesperrt und fühlen sich wie Kriminelle behandelt.
Die Liste der Verfahrensmängel, der untragbaren Zustände in den Gefängnissen, der unrechtmässigen Massnahmen vor, während und nach der Schubhaft und der unmenschlichen Bedingungen während der Abschiebungen füllt ganze Bücher(1). Gemeinsam sollen diese Zustände allerdings eine Funktion erfüllen: die Abschreckung derer, die kommen wollen, und die Ruhigstellung derer, die in Österreich "gerade noch geduldet" werden.
Nach der Feststellung schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen durch das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (CPT) und nach verstärkten Protesten von NGOs wurde die sozial-rechtliche Schubhaftbetreuung Anfang 1998 gesetzlich geregelt. Im Zuge dieser Regelung wurden Verträge zur Installierung und Finanzierung einer österreichweiten Schubhaftbetreuung zwischen dem Bundesministerium für Inneres (BMI) und verschiedenen NGOs ausgehandelt. Seitdem führen Vereine und Organisationen diese Arbeit im Auftrag des Staates durch.
Diese Vereine sind oft schon jahrelang im Bereich der Schubhaftbetreuung tätig gewesen. Die Verträge mit dem BMI stellen für sie vor allem eine Erleichterung bzw. Sicherung des Erhalts von Informationen dar. Auch der erleichterte Zugang zu den Gefängnissen und die finanzielle Sicherung der Betreuung waren und sind wohl Argumente für eine enge Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen. Mehr darüber erzählte uns ein/e MitarbeiterIn von ZEBRA in Graz. ZEBRA ist bereits seit 12 Jahren in diesem Bereich aktiv, wobei sich der Verein nicht allein auf Schubhaftbetreuung beschränkt, wie schon die Auflösung der Abkürzung ZEBRA andeutet: Zentrum zur sozialmedizinischen, rechtlichen und kulturellen Betreuung von Ausländern und Ausländerinnen in Österreich.
Dass wir uns eine/n MitarbeiterIn von ZEBRA zum Gespräch (das nachträglich
umgestellt, kommentiert und mit Informationen angereichert wurde) ausgesucht
haben, hat seinen Grund, denn ZEBRA verlor Anfang dieses Jahres seinen
Vertrag mit dem Innenministerium.
Fort war der Vertrag
TATblatt: Kannst du zusammenfassen, warum euer Vertrag nicht verlängert worden ist.
ZEBRA: Ja, das wurde uns in einem Schreiben von Sektionschef Matzka begründet: erstens mit dem Umbau (des Polizeigefangenenhauses PGH), und dass es deshalb weniger Schubhäftlinge gäbe, was nicht stimmt, weil der Durchschnitt von 20 bis 30 Schubhäftlingen gleich bleibt; und weil sich wegen des Umbaus der Zugang erschwert hätte, wegen weniger Zellen, und dann betrafen uns selbst zwei oder drei Begründungen: Wir bringen Rechtsmittel, d.h. Asylanträge für Asylwerber und Berufungen gegen Entscheidungen ein. Eine andere Begründung lautete, dass wir für Asylwerber Scheinadressen angäben, obwohl das nicht stimmt. Ins Büro kommt ein neuer Asylwerber und bittet uns um Hilfe oder Unterstützung im Asylverfahren. Wir fragen ihn klarerweise, wo er angemeldet ist oder wo er wohnt, dann geben wir diese Adresse an .Wenn er dann nachher vom Bundesasylamt zu einer Einvernahme geladen wird, ist er vielleicht umgezogen, und hat nicht gewusst, dass er die neue Zustelladresse bekannt geben muss. Das hat Matzka aber UNS vorgeworfen, als ob wir für die Leute Scheinadressen angeben. Das stimmt nicht. Wenn Asylwerber zu uns kommen und keine Unterkunft haben, schauen wir zuerst, ob wir sie in Notschlafstellen unterbringen können. Erst wenn wir die Adresse haben oder sie untergebracht haben, z.B. in der Notschlafstelle der Caritas (das ist die vom Magistrat Graz unterstütze Arche 38 am Eggenberger Gürtel), dann schicken wir die Adresse, oder bitten die Leute von der Arche, wenn sie sie aufnehmen, dass sie von dort den Asylantrag mit der Zustelladresse an das Bundesasylamt faxen. Das mit den Scheinadressen...
TATblatt: Die "Scheinadressen" oder der Umbau sind doch eher vorgeschobene Gründe? Es hat doch auch inhaltliche Differenzen gegeben?
ZEBRA: Die inhaltlichen Differenzen traten in den Verhandlungen schon
1997, also vor 1998 auf. Schon damals gab es Verhandlungen in Wien über
die Schubhaftbetreuung, schon damals hat es immer geheißen: keine
Rechtsmittel, nur rechtliche Beratung und Betreuung. Das heißt: die
Leute auf die Abschiebung vorbereiten, sonst nicht mehr. Da haben wir in
den Verhandlungen Nein gesagt. Das ist ein Grundsatz. Wir meinen, wenn
es um Asylwerber geht: die haben Anspruch in einem Rechtsstaat - unter
Anführungszeichen-, dass sie einfach ihre Asylanträge stellen
und dass sie Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Behörden einbringen
können. Anfangs hieß es OK, aber nach 1998 Nein. Und die Schubhaftbetreuungsorganisationen
haben diese Bedingungen akzeptiert, das heißt sie haben die Verträge
unterschrieben. Unter diesen Bedingungen!
Schubhaftbetreuung ohne Vertrag
TATblatt: Ist Schubhaftbetreuung ohne Vertrag überhaupt möglich? Wenn wir etwa an den Zugang zu Gefängnissen denken?
ZEBRA: Es ist schon erschwert. Mit dem Vertrag im Jahr 1998 waren von Jänner bis Ende Oktober die Leitungen der Gefangenenhäuser verpflichtet, Listen über die Zu- und Abgänge von Schubhäftlingen auszufolgen. Das heißt, wir konnten die Schubhäftlinge flächendeckend erreichen. Wir und die Caritas in Graz. Bis November, bzw. Ende Oktober `98 hat es bei einem Treffen im Innenministerium in Wien im Zuge der Verhandlungen für 1999 plötzlich geheißen, die Übergabe dieser Listen verletze den Datenschutz, und weiters hat es geheißen: Besuche nur nach Wunsch. Das heißt, der Schubhäftling muss den Wunsch äußern, dass er eine Schubhaftbetreuung will, das ist dann hier entweder von Zebra oder Caritas.
TATblatt: Aber wird so eine Betreuung überhaupt angeboten?
ZEBRA: Das ist die Frage. Wir haben Formulare und Infoblätter in 13 Sprachen entworfen und haben die Leitung gebeten, unmittelbar nach der Neuaufnahme sowohl das Formular als auch das Infoblatt auszuhändigen. Wir haben bemerkt, dass manchmal 2-3 Wochen lang gar kein Formular kommt, manchmal 2-3. Das heißt, es gibt da sicher einen Unterschied zwischen den Wachebeamten. Es gab sicher Wachebeamte, die bei der Aufnahme Formular und Infoblatt weitergaben und andere nicht. Das heißt, wir konnten nur Leute erreichen, die wirklich so ein Formular ausgefüllt hatten.
TATblatt: Ist das schlechter geworden, seitdem ihr im vertragslosen Zustand arbeiten müsst.
ZEBRA: Na sicher ist das schlechter geworden. Besonders jetzt seit 1999
haben wir fast keinen Schubhäftling. Wir haben 3 Schubhäftlinge.
Diese Namen bekommen wir über Verwandte oder Freunde, die zu uns kommen
und sagen, mein Freund oder Bruder oder Sohn ist in Schubhaft. Dann können
wir. Wir brauchen den Namen, damit wir reingehen können. Was sich
zweitens geändert hat, und das ist massiv was sich verschlechtert
hat, das ist der Zugang. Während des Vertrages haben wir eine Vereinbarung
getroffen mit der Leitung des Polizeigefangenenhauses, dass wir außerhalb
der Besuchszeiten reingehen können, das heißt von 8 oder 8Uhr30
bis 11Uhr30 und dann von 15 bis 18 Uhr. Die offizielle Besuchszeit ist
zwischen 13 und 15 Uhr.
Jetzt gibts zwei Faktoren: die haben die Vereinbarung gestrichen, da
wir keinen Vertrag mehr haben, also gibts Besuche nur mehr während
der offiziellen Besuchszeit zwischen 13 und 15 Uhr, und das zweite Problem
ist der Umbau im Polizeigefangenenhaus Graz bis Ende August. Wir sind nun
mit der Leitung so verblieben, dass nach Beendigung des Umbaus wieder verhandelt
wird, sodass wir vielleicht wieder zu den gleichen Bedingungen arbeiten
können, also vor allem außerhalb der offiziellen Besuchszeiten.
TATblatt: Glaubst du, dass die anderen Schubhaftbetreuungen durch euer Beispiel sozusagen gewarnt sind. Also, ich meine: die anderen Schubhaftbetreuungen sehen das zum Teil natürlich so, dass sie auch bedroht sind von einem Verlust des Vertrages, und viele sind natürlich abhängig davon. Ihr seid eine starke Organisation, aber in anderen Bundesländern...
ZEBRA: Ich glaube, das ist etwas, dass die anderen Schubhaftbetreuungsorganisationen gezwungen hat, die Verträge zu unterschreiben, um die Arbeitsplätze der Mitarbeiter zu sichern und so die Arbeit weiterzumachen. Ich glaube, das heißt nicht, dass nicht alle Schubhaftorganisationen nicht die gleichen Prinzipien haben, für die Asylwerber Rechtsmittel einzubringen. Es ist eine Art Erpressung seitens des Innenministeriums: wenn ihr Geld wollt, dann unter diesen Bedingungen.
TATblatt: Und auch z.B.: für den Zugang zu den angesprochenen Listen der Inhaftierten.
ZEBRA: Ja, auch. Und im letzten Dritteljahr hat sich herauskristallisiert, dass wenn ein Verein zum Beispiel dadurch bedroht ist, dass er im nächsten Jahr keinen Vertrag bekommen wird, weil er das gleiche Prinzip hat, dass er Rechtsmittel einbringt und Asylanträge, da wurden schon Gerüchte laut, dass der Verein die Unterstützung nicht mehr bekommt, den Vertrag nicht mehr bekommt,...
TATblatt: Worin liegt eigentlich konkret der Vorwurf an euch? Dass ihr die Subvention dazu verwendet, diese Anträge zu stellen, oder solltet ihr das überhaupt nicht machen?
ZEBRA: Ja, wir sollen das ÜBERHAUPT nicht machen. Das ist es, was
das Innenministerium will, das wir das NICHT machen sollen, sondern einfach
die Leute auf die Abschiebung vorbereiten. Ihnen einfach sagen: Du bist
zwar verfolgt, aber du hast keine Chance auf Asyl. Jetzt wirst du abgeschoben
das tut mir Leid. Und das ist, was wir nicht wollen.
Schubhaftbetreuung in staatlichem Interesse
ZEBRA: Ja, wir werden bei den Verhandlungen für 2000 wieder teilnehmen. Das heißt nicht, dass wir gesagt haben, aus wir wollen nicht mehr, sondern wir wollen weiterverhandeln.
TATblatt: Aber gibts dann von eurer Seite Mindestforderungen, die in dem Vertrag drin sein müssen?
ZEBRA: Unsere Forderungen bleiben immer die gleichen: besonders für Asylwerber, die in Schubhaft sind, werden wir weiter Asylanträge stellen und Rechtsmittel einbringen. Das ist ein Grundsatz des Vereins.
TATblatt: Die Gefahr ist aber doch wie immer die Vereinnahmung durch staatliche Stellen, deren Zielrichtung klar ist. Ihr schreibt in euren Aussendungen doch selbst, dass die Schubhaftbetreuung dazu verwendet wird, die Abschiebungen möglichst reibungslos zu gestalten. Wie wehrt ihr euch dagegen?
ZEBRA: Von unserer Seite her werden wir dafür sorgen, dass Asylwerber
zu ihrem Recht kommen, wenn sie ihren Wunsch äußern, dass sie
einen Asylantrag stellen wollen, besonders wenn wir davon überzeugt
sind, dass der oder die Schubhäftlinge in ihrem Heimatland verfolgt
ist. Wir werden das mit oder ohne Vertrag, mit oder ohne Unterstützung
tun. Wir haben es immer gemacht und werden es immer machen, besonders für
Asylwerber, Minderjährige, Familien, alte Leute, usw., sodass sie
nicht in Schubhaft genommen werden. Und wir werden für das Gelindere
Mittel weiterkämpfen, dass einfach Jugendliche oder Minderjährige
nicht in Schubhaft genommen werden, so wie auch Frauen mit Kindern und
Gebrechliche und Kranke. Für die werden wir uns immer einsetzen. Egal,
die Schubhaftbetreuung werden wir weiter machen, auch wenn wir keinen Vertrag
mehr bekommen. Wir werden schauen, wie wir das finanzieren, aber wir werden
das weiter machen, das ist einer unserer Grundsätze, was Menschenrechte
betrifft, was Zebra betrifft. Wir sehen das als Aufgabe.
Alternative Praxis
ZEBRA: Ja, sicher. Die Statistik führen wir.
TATblatt: wie schauen die Zahlen ungefähr aus?
ZEBRA: Naja, es schaut total schlecht aus, weil wir keinen Zugang zu den Namen haben. Seit die Listen gestrichen worden sind, seit wir keine Listen bekommen... Ich weiß das zurzeit sicher zwischen 20 und ... Da ist jetzt der Umbau, - früher wurden viele Schubhäftlinge von anderen Bundesländern oder anderen Bezirkshauptmannschaften nach Graz überstellt, jetzt werden aber wegen dem Umbau nur die, die in Graz oder in der Steiermark aufgegriffen worden sind, in das Polizeigefangenenhaus Graz oder nach Leoben überstellt, aber trotzdem merken wir, dass die Zahl der Betreuten wirklich sehr gering ist.
TATblatt: Kann man jetzt als Organisation oder Verein, der sich mit dem Thema befasst, mit solchen Organisationen zusammenarbeiten, die Schubhaftbetreuung machen, auch wenn man selbst keinen Vertrag hat, zum Beispiel um Zugang zu Informationen wie die angesprochenen Listen zu bekommen.
ZEBRA: Das ist möglich, ja.
TATblatt: Was mir nämlich (...) aufgefallen ist, ist dass der Grund in so einen fixen Kontakt mit dem Staat zu treten, der ist, dass wenn man keinen autorisierten Zugang (in die Haftanstalten) hat, man eben nicht zugelassen wird.
ZEBRA: Davor fürchte ich mich eigentlich nicht. Der Eindruck den ich gewonnen habe von der Leitung des Polizeigefangenenhauses Graz war zwar, dass von oben entschieden wurde, dass solange der Verein keinen Vertrag hat und solange der Umbau nicht fertig ist, wir so verbleiben, dass Besuche während der offiziellen Besuchszeiten stattfinden. Aber sie sind bereit, mit uns zu verhandeln, wie wir zu anderen Möglichkeiten kommen, weil sie der Meinung sind, dass der Verein Zebra keine private Person ist, die jemanden besuchen kommt, sondern ein Verein der, seit 12 Jahren Schubhaftbetreuung macht. Das heißt, wir haben da auch immer positive Rückmeldungen von dort. Das heißt, die sind schon interessiert, dass der Verein Zebra Schubhaftbetreuung weitermachen soll, in dieser Form, wie wir es gemacht haben. Denn sie merken, dass das Konfliktpotenzial zwischen Schubhäftling und Wachebeamten sich wirklich verringert hat und dass es den Schubhäftlingen besser geht, weil der Schubhäftling einfach einen Zugang nach außen hat, er weiß ,dass einmal in der Woche jemand von Zebra oder von der Caritas hinkommt und mit ihm redet und ihn berät und ein paar Kleinigkeiten mitbringt: Zeitung, Bücher, Walkman, Telefonwertkarten alles Mögliche. Das ist ihnen total bewusst. Sicher gibt es einen Teil der Wachebeamten, die dagegen sind, aber die Mehrheit der Wachebeamten ist dafür. Und einer der wichtigsten Leiter dort, hat uns seine persönliche Meinung gesagt. Er sagte: Ich fand die Betreuung toll. Es tut mir Leid, aber ich habe nicht die Entscheidung getroffen, aber ich hoffe, dass es wieder dorthin kommt, wie es war, also dass die Schubhaftbetreuung, die ihr gemacht hat, wieder gemacht würde.
TATblatt: Ihr verhandelt direkt mit der Leitung?
ZEBRA: Da sind viele Abteilungen verwickelt: es gibt die Leitung des
Polizeigefangenenhauses, es gibt die Fremdenpolizei, die auch mitbestimmt...
(...)
TATblatt: Ihr arbeitet vor allem mit ehrenamtlichen MitarbeiterInnen?
ZEBRA: Naja, in Zebra sind wir schon 14 hauptamtliche Mitarbeiter, in der Schubhaftbetreuung sind die Leute ehrenamtlich, obwohl sie eine Art Aufwandsentschädigung nach dem Muster Bewährungshilfe bekommen, d.h. sie bekommen 700,--öS im Monat für vier Besuche (...) Sie liefern Monatsberichte über den Zustand des Häftlings, wie es ihm psychisch geht, ob es Zwischenfälle gibt im Polizeigefangenenhaus, Krankheiten, einfach alles.
TATblatt: Kommen da viele Leute zu euch, die so etwas machen wollen?
ZEBRA: Ja, da kommen viele Leute.
TATblatt: Sind die schon vorher über die Situation informiert, oder ist das ein Kristallisationspunkt von Politisierung, der da eigentlich stattfindet?
ZEBRA: Naja, ich glaube schon beides. Es gibt einfach Leute, die davon gehört haben, wie die Zustände in der Schubhaft sind, und von ihrem Engagement her kommen, weil sie interessiert sind, das zu tun; es gibt viele, die das über Freunde erfahren haben, und einfach Interesse zeigen. Es kommen nur Leute her, die einfach Interesse haben, das zu machen, nicht wegen dem Geld, sondern einfach, weil sie es machen wollen. Die Aufwandsentschädigung ist eigentlich nichts, aber es führt zu einer Art Verbindlichkeit. Einmal im Monat gibt es Sitzungen. Die ehrenamtliche Gruppe wird von uns betreut und geleitet; es findet ein Art Supervision statt, es werden in den monatlichen Sitzungen Gespräche geführt, Erfahrungen ausgetauscht, Fragen gestellt in der Art: ich habe einen schwierigen Schubhäftling, der dies und jenes fordert; was tu ich mit ihm? Es gibt Fälle, die wirklich psychisch am Boden sind. Da haben wir zwei Psychotherapeutinnen, die wir reinbringen, wenn es wirklich nötig ist. Es gibt Kriseninterventionen, die ja wirklich Selbstmorde verhindert haben mit Hilfe unserer Psychotherapeutinnen, die reingegangen sind und mit den Leuten geredet haben. Es gibt viele, die wir davon überzeugt haben, das Hungerstreik nichts bringt, und nur ihrer Gesundheit schadet.
(...)
ZEBRA: Wenn ich den Namen weiß, mach ich den ersten Kontakt.
TATblatt: Nein ich mein jetzt, eine Person, die nicht organisiert ist, geht die selbst ins Gefängnis, kommt die vorher zu euch? Wie macht diese Person das am besten?
ZEBRA: Ja, wenn die Person weiß, dass es uns gibt, kommt sie zu uns. Das ist der Weg, wie wir zu den Namen kommen. Wenn ein Verwandter oder Freund zu uns kommt, und sagt, mein Freund oder mein Bruder oder meine Schwester ist in Schubhaft, dann bekommen wir den Namen. Den Erstkontakt machen wir und empfehlen dem Verwandten oder Freund einfach hinzugehen, wenn er will. Er darf natürlich auch rein. Jeder Schubhäftling hat das Recht, Kontakt nach außen zu haben, auf Besuch von Verwandten, von Freunden, auf einen Rechtsbeistand, auf Besuch von Organisationen.
TATblatt: Kommt der Rechtsbeistand dann von euch?
ZEBRA: Ja, wenn wir den Fall übernommen haben, natürlich. Sicher werden wir den vertreten.
TATblatt: Ist zum Einbringen eines Asylantrags ein Rechtsanwalt notwendig? Ich mein, ist es schwierig, es richtig zu machen?
ZEBRA: Nein, überhaupt nicht. Es ist ein formloser Antrag, in dem der Asylwerber selber schreibt, ich möchte um politisches Asyl ansuchen. Es hängt ja nur vom Wachebeamten ab, wenn er keinen Rechtsbeistand oder Kontakt nach außen hat. Die Behörden sind eigentlich verpflichtet, wenn ein Asylwerber oder einfach Fremder den Wunsch äußert, bzw. von sich aus sagt: ich bin in meinem Heimatland verfolgt und möchte um politisches Asyl ansuchen, das an die zuständigen Stellen weiterzuleiten, und zwar an die Fremdenpolizei, die wiederum verpflichtet ist, den Antrag an das Bundesasylamt weiterzuleiten.
TATblatt: Muss der Antrag in Deutsch sein?
ZEBRA: Er muss in einer der sechs UNO-Sprachen abgefasst sein, ansonsten
ein formloser Antrag, ohne Rechtsanwalt. Genauso bei der Berufung, die
er selber einbringen kann, auch ohne Rechtsanwalt. Anders ist es bei den
außerordentlichen Verfahren beim Verwaltungs- oder Vefassungsgerichtshof,
die müssen von einem zugelassenen Rechtsanwalt eingebracht werden.
Grundsatzfragen
ZEBRA: Sicher, es ist für uns der Bereich Schubhaft sowieso so ein Thema, besonders für Asylwerber und Minderjährige. Wir sind dafür, dass Asylweber und politisch verfolgte Menschen nicht in Schubhaft genommen werden. Und natürlich Minderjährige. Und dass das Gelindere Mittel verstärkt zur Anwendung kommt.
TATblatt: Kannst du das Gelindere Mittel kurz erklären.
ZEBRA: Das Gelindere Mittel heißt, das der Staat für Minderjährige, die ja nicht in Schubhaft genommen werden dürfen, eine andere Alternative findet, und sie statt sie in Schubhaft zu nehmen, in einer Notschlafstelle unterbringt und dafür sorgt, dass diese Minderjährigen Unterkunft und Verpflegung bekommen, bis das Verfahren abgeschlossen ist. Und eben nicht in Schubhaft nehmen! Das ist eigentlich, was Paragraf 66 im Fremdengesetz besagt. Und was wir beobachtet haben, wird das nicht einmal in 5% angewendet. Wir beobachten immer, dass Minderjährige in Schubhaft genommen werden, dass sie keinen Zugang zum Asylverfahren haben, und das sind MINDERJÄHRIGE, die mit Erwachsenen in den gleichen Zellen überstellt werden. Weiters werden die Familien Mann, Frau, Kinder getrennt...
(...)
TATblatt: Habt ihr ein Kriterium, welche Fälle ihr übernehmt? Gibt es eine Grenze, wo ihr sagt, dass ist eigentlich kein Fall für uns, das ist zwar ein Schubhäftling, aber...
ZEBRA: Es ist ein Unterschied zwischen rechtlich betreuen und beraten,
und sozialer Betreuung. Wir haben eine Gesamtheit von Betreuung. Wir haben
eine ehrenamtliche Gruppe, die aus 13 Mitarbeitern besteht. So sind viele
Sprachen abgedeckt. Der erste Kontakt geschieht über einen Hauptamtlichen,
der sich auskennt, auch um das rechtliche zu checken: warum befindet der
oder die sich in Schubhaft. Wenn es sich um einen "Illegalen", der einfach
hier "illegal" ist, auf Grund von Schwarzarbeit und so weiter und so fort,
wird er obwohl wir rechtlich nichts tun werden, ihn also nicht rechtlich
vertreten werden, sozial betreut, bis er abgeschoben wird. Wenn es um einen
Asylwerber geht, der um Asyl ansuchen möchte, und dort vielleicht
schon hundert Mal seinen Wunsch geäußert hat, der Wachebeamte
den Wunsch aber nicht weitergeleitet hat, sind wir da, um den Asylantrag
mit ihm zu stellen. Ja, wir schauen uns die Fälle genau an, um zu
sagen, ja das ist eine Person die unseren Rechtsbeistand braucht. (...)
ZEBRA: Für die können wir leider nichts tun, außer dass sie sozial betreut werden im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wenn wir von jemandem Bescheid wissen, klären wir ihn oder sie auf, wenn es z.B. im Heimatstaat keine Arbeit gibt, oder Ähnliches, und sagen ihnen, dass sie keinen Zugang haben und wir nichts machen können.
TATblatt: In der öffentlichen Diskussion, in den Medien hört man immer wieder das Argument: Wenn nur die kommen würden, die wirklich berechtigt wären, Asyl zu beantragen, dann wäre alles viel einfacher. Die anderen seien Trittbrettfahrer.... Was entgegnet ihr?
ZEBRA: Ja, wir müssen uns diese Leute genau anschauen. Es ist eh
klar, dass so (argumentiert) wird, dass die meisten einfach aus wirtschaftlichen
Gründen nach Österreich gekommen seien. Wir schauen uns einfach
die Leute genau an, ob es ein wirtschaftlicher Flüchtling ist, oder
jemand, der politisch verfolgt wird. Es gibt auch die, die auch wenn sie
nicht als Person verfolgt sind, einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind,
wie die Kosovoalbaner zum Beispiel. Für die setzen wir uns ein, weil
sie einfach verfolgt werden. Es gibt da auch Entscheidungen vom Verwaltungsgerichtshof,
dass es sich um eine Gruppenverfolgung handelt.(...) Für die sind
wir da, und unterstützen sie rechtlich, sozial, medizinisch, therapeutisch
usw. Die anderen klären wir auf: Wenn du nur auf Grund deiner Arbeitslosigkeit
in deinem Heimatland (gekommen bist), schaut es so aus: keinen Zugang zum
Arbeitsmarkt, du hast keine Chance. Ich kann ihm nicht sagen oder zwingen,
zurückzukehren. Unsere Aufgabe ist es, sie aufzuklären, offen
zu sagen: du bist nicht politisch verfolgt, du bist nur auf Grund deiner
Arbeitslosigkeit, oder auf Grund der fehlenden Chancen in deinem Heimatland
hier, aber der Arbeitsmarkt in Österreich schaut so aus: du hast keine
Chance. Aber dieser Mensch hat einfach für sich zu entscheiden, ob
er hier bleibt, oder... Es ist seine Entscheidung. Die können wir
nicht beeinflussen, außer was unsere Aufgabe ist, sie aufzuklären,
ihnen zu sagen: Da hast du keine Chance.
Alternative Praxis II
Und genau das letztgenannte, eine offene, lebhafte Diskussion, ist es, was an dieser Stelle absolut notwendig ist. Vielleicht konnte dieser Beitrag seinen Teil unter anderem dazu beitragen.
In diesem Sinne danken wir ZEBRA für das Gespräch.
Verein Zebra
Pestallozzistr. 59
8010 Graz
Tel 0316-835 630
E-Mail: zebra@zebra.or.at
www.zebra.or.at
Bürozeiten Mo 9.00-13.00, 15.00-19.00, Di, Fr 9.00-13.00, Do 15.00-19.00
zur Selbstdarstellung von ZEBRA
Fußnoten:
1) neben (2) z.B.: Der Grüne Klub: Einsperren-Abschieben
/ Schubhaft in Österreich.
zurück
2) huber/öllinger/steiner: handbuch der flüchtlingsberatung,
Wien 1998 (siehe Rezension auf Seite 76).
zurück
3) Anni Knapp: Asylverfahren in Schubhaft - eine unendliche
Geschichte, in Knapp/Langthaler (Hg.): Menschenjagd. Schengenland in Österreich,
Promedia Wien 1998.
zurück
Abschließend möchten wir auf das schon erwähnte Buch
Staatsarchitektur aus der Reihe "Vor der Information" hinweisen, das sich
zwar kurz, aber doch intensiv mit der Problematik der Schubhaftbetreuung
auseinander setzt (156ff), und aus dem die Zitate der WochenKlausur-Mitarbeiterin
stammen (162ff).
aus: TATblatt nr. +120/121/122/123 (12/13/14/15 1999)
vom oktober 1999
(c)TATblatt
alle rechte vorbehalten
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und ähnlichen medien ohne weiteres gestattet (belegexemplar erbeten)!
In allen anderen fällen nachdruck nur mit genehmigung
der medieninhaberin (siehe impressum)
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